Donnerstag, 17. Dezember 2015

Umweltkatstrophe am Rio Doce: Schlamm drüber

Forscher schweigen, Minenbetreiber lügen, Brasiliens Regierung ist anderweitig beschäftigt. Ein Fluss ist verseucht, der Verursacher klar. Doch Konsequenzen bleiben aus.
Es ist die größte Umweltkatastrophe in der Geschichte Brasiliens. Ein ganzer Fluss, mehr als 800 Kilometer lang, verseucht. Fünf Wochen ist es jetzt her, dass im Bundesstaat Minas Gerais ein gigantisches Staubecken mit giftigen Rückständen aus dem Eisenerzabbau barst. Der mit Schwermetallen belastete Schlamm ergoss sich in den Rio Doce – von seinem Quellgebiet bis zur Atlantikmündung und begrub ein ganzes Dorf unter sich.

Die "größte Umweltkatastrophe Brasiliens" – auch Umweltministerin Izabella Teixeira bezeichnete das Unglück so drastisch. Ein Superlativ, der vermuten lassen sollte, dass jetzt umfassende Untersuchungen laufen, Aufklärung und Rettungsmaßnahmen. Doch nichts dergleichen passiert gerade. Stattdessen: Lügen, Schweigen und Ablenkungsmanöver. Am morgigen Samstag wird nun eine UN-Delegation ins Unglücksgebiet reisen auf der Suche nach Antworten.

mehr:
 Rio Doce: Schlamm drüber (Philipp Lichterbeck, ZEIT Online, 11.12.2015)
Die Lage am Unglücksort ist längst nicht unter Kontrolle. Zwei weitere zur Germano-Mine gehörende Dämme sind in einem kritischen Zustand. In ihrem Fall gibt Samarco als Grund Überlastung an. Weil der Weltmarktpreis für Eisenerz zuletzt stark gefallen war, erhöhte Samarco 2014 die Eisenerzförderung, um die Verluste auszugleichen.

Dass man dabei mehr Abfallschlamm produzierte als für die Rückhaltebecken zu verkraften gewesen wäre, ignorierte das Unternehmen. Wie nun herauskommt, gab Samarco neun Monate vor dem Desaster die Befüllung des Unglücksreservoirs gegenüber der Staatlichen Stiftung für Umwelt von Minas Gerais mit lediglich 45 Millionen Kubikmetern an. Dabei hatte es bereits ein Volumen von 55 Millionen Kubikmetern erreicht.
siehe auch:
- Dammbruch von Bento Rodrigues (Wikipedia)

Der Rio Doce – eine rotbraune Brühe [3:19]

Veröffentlicht am 01.12.2015
Der Rio Doce, der "süße Fluss", ist auf fast 800 Kilometer eine rotbraune Schlammbrühe statt eines glasklaren Gewässers. Überall tote Fische, das Trinkwasserreservoir für Hundertausende Menschen ist verseucht.
Rückblick:
Am 5.November brechen in der Eisenerzmine Samarco im Bundesstaat Minas Gerais die Dämme zweier Klärschlammbecken. Eine Schlammlawine von 50 Millionen Tonnen Eisenerz, Schwermetallen und Chemikalien stürzt talwärts und überrollt die Ortschaft Bento Rodrigues. 13 Menschen sterben, zehn werden noch vermisst. Die Brühe erreicht den Fluss Rio Doce und zerstört alles, was im und am Fluss lebt. Dem Rio Doce kann kein Trinkwasser mehr entnommen werden und die Pflanzen vertrocknen, weil die Felder nicht mehr bewässert werden können.
Wie giftig ist der Rio Doce?
Die rotbraune Schlacke hat den Atlantik erreicht. Es ist immer noch unklar, wie giftig sie tatsächlich ist. Der Schlamm sei für Menschen nicht giftig, meint der australisch-britische Konzern BHP, der mit dem brasilianischen Bergbauunternehmen Vale die Mine betreibt. Derweil werden auch an der Küste tote Tiere eingesammelt.
Brasiliens Regierung hat von den Minenbetreibern umgerechnet fünf Milliarden Euro für die Säuberung des Flusses gefordert. Umweltschützer fürchten, es könnte Jahrzehnte dauern, bis sich das Ökosystem wieder erholen wird.
(Hervorhebung von mir)


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Brasilien: Giftige Schlammlawine verursacht gewaltige Umweltkatastrophe [2:50]

Veröffentlicht am 29.11.2015
Brasilien: Giftige Schlammlawine verursacht gewaltige Umweltkatastrophe

siehe auch:
- Umweltkatastrophe in Brasilien - Schlammlawine erreicht das Meer (Heike Holdinghausen, taz, 28.11.2015)
- Tod am Rio Doce (Norbert Suchanek, 19.11.2015)
Ersten Mitteilungen des Minenbetreibers zufolge wird ein leichtes Erdbeben der Stärke 3 auf der Richter-Skala als Ursache vermutet. Von Vale und BHP Billiton unabhängige Geologen und Bergbauexperten schließen dies allerdings aus. Jegliche Talsperre sollte solchen, in der Region nicht ungewöhnlichen, schwachen Erdbeben standhalten können. Wahrscheinlicher als eine vermeintlich natürliche Ursache seien Sicherheitsmängel. Solche waren von den Behörden bereits 2013 gerügt worden. Hinzu käme eine kürzlich erfolgte Erhöhung der Belastung der Talsperren: Trotz weltweiten Verfalls der Preise für Eisenerz hatten beide Multis die Produktion ihrer Samarco-Mine im vergangenen Jahr um fast 40 Prozent auf 30,5 Millionen Tonnen erhöht – mit entsprechender Zunahme des Minenabraums.
Ökonomen werteten diese Maßnahme als Teil eines seit 2011 forcierten Preiskampfs. Es gehe demnach einzig darum, Konkurrenten vom Markt zu drängen. Die Sicherheit der Talsperren, die seit 2014 noch mehr Abraum aufnehmen mussten, wurde dabei offensichtlich vernachlässigt. Die Folgen werden nun vor allem am insgesamt 853 Kilometer langen Rio Doce sichtbar. Der galt bis dahin als größter und ökologisch noch einigermaßen intakter Strom Südostbrasiliens. Hunderttausende leben entlang seines Laufes. Nun haben etwa eine Million Menschen der Region keinen Zugang mehr zu Trinkwasser, weil der Fluss zu einer stinkenden, giftigen Schlammrinne wurde. […]
Dennoch werden die Minenbetreiber nicht müde zu behaupten, der Schlamm sei nicht giftig und stelle keine Gefahr für Mensch und Umwelt dar. Eine unabhängige Analyse von Proben aus Teilen des bereits verschlammten Flusse durch das städtische Abwasser- und Wasserversorgungsunternehmen (Serviço Autônomo de Água e Esgoto – SAAE) der Stadt Baixo Guandu bestätigt eine erhebliche im Fluss transportierte Giftfracht vor allem von Arsen, Aluminium, Blei, Kupfer und Quecksilber. Die Konzentration von Arsen liege 260 mal höher als der akzeptable Grenzwert, so Neto Barros, Bürgermeister der von der Schlammkatastrophe betroffenen und ohne Trinkwasser dastehenden Stadt. Und SAAE-Direktor Luciano Magalhães resümiert, die Situation des Rio Doce könne man mit zwei Worten beschreiben: »Toter Fluss«.

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