Wie das Skandalbuch „Finis Germania“ von der Bestsellerliste verschwand
Platz 1: „Heilen mit der Kraft der Natur“, Andreas Michalsen.
Platz 2: „Wunder wirken Wunder“, Eckart von Hirschhausen.
Platz 3: „Das geheime Leben der Bäume“, Peter Wohlleben.
Platz 4: „Homo Deus: Eine Geschichte von Morgen“, Yuval Noah Harari.
Platz 5: „Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur“, Andrea Wulf.
Auf Platz 6 klaffte eine weiße Lücke, ohne jede bibliografische Angabe. Da musste mal etwas gewesen sein, wobei nur der Raum, den das Etwas eingenommen hatte, zu sehen war. Auf Platz 7 folgte dann „Penguin Bloom: Der kleine Vogel, der unsere Familie rettete“, von Cameron Bloom und Bradley Trevor Greive.
Wer die gleiche Recherche Freitagfrüh anstellte, allerdings nicht bei Amazon, sondern bei Thalia, fand die gleiche „Spiegel“-Liste vor, nur ohne die Leerstelle auf Platz 6. Da stand ein Buch des Philosophen Rolf Peter Sieferle, der sich letzten September das Leben genommen hatte: „Finis Germania“, eine Art Nachruf auf sich selbst und die Bundesrepublik in, so der Verlag, „30 Miszellen“ über „die deutsche Lage“ im Laufe der Zeiten: „Von Deutscher Sonderweg und Siegerperspektive über Politiker und Intellektuelle bis zur Logik des Antifaschismus.“ Um das Buch hatte es in den Feuilletons große Aufregung gegeben. Die Meinungen waren extrem geteilt, für die einen war es ein „philosophisches Meisterwerk“, für die anderen ein „völkisch-antisemitisches Machwerk“. Dabei spielte es auch eine Rolle, dass Sieferle, dessen Arbeiten in renommierten Verlagen erschienen waren, sein „Nachwort“ einem Verleger anvertraut hatte, der als „Vordenker der Rechten“ gilt, Götz Kubitschek, in dessen Antaios-Verlag Bücher erscheinen, an denen sich kein anderer Verleger die Finger verbrennen möchte.
Freitagfrüh war bei Amazon auch das Loch in der „Spiegel“-Sachbuchliste verschwunden. Nichts außer einem Screenshot vom Donnerstag deutet darauf hin, dass es da kürzlich noch eine Leerstelle gab. Auf diese Weise hatten auch sowjetische Zensoren Geschichtsschreibung betrieben. Der Konterrevolutionär Trotzki wurde von Fotos wegretuschiert und die Spuren der Retusche ebenfalls beseitigt.
mehr:
- Literatur: Die Lücke auf Platz 6 von Amazon (Henryk M. Broder, n24, 22.07.2017)
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siehe auch:
- „Die ominösen sechs Millionen“ (Jacob S. Eder, taz, 05.09.2017)
- "Das Ende Deutschlands" ("Finis Germania") von Rolf Peter Sieferle: Das Ungeheuerliche hat immer einen Namen! (Harald Martens, Lokalkompass, Bochum, 03.09.2017)
- Finis Germania: Warum das umstrittene Buch von der Spiegel-Bestsellerliste geflogen ist (Markus Decker, Berliner Zeitung, 28.07.2017)
- Finis Germania (VorsichtGlosse, 27.07.2017)
- Spiegel zensiert eigene Bestsellerliste: „Finis Germania“ verschwunden – Statement schürt Verkauf (Steffen Munter, Epoch Times, 27.07.2017)
- Kritik an mangelnder Transparenz: Spiegel löscht umstrittenes Sachbuch „Finis Germania“ aus Bestseller-Liste (IngoPlewa-Der Nach(t)denker, 27.07.2017)
Der legendäre Satz von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein, mit dem sich das Nachrichtenmagazin heute noch manchmal schmückt, lautet: „Sagen, was ist.“ Der aktuelle Werbespruch des “Spiegel” lautet: „Keine Angst vor der Wahrheit.“
Aber der „Spiegel“ traut sich nicht zu sagen, was ist. Der ganze Artikel ist ein Dokument der Angst.
Und dies zu einem Zeitpunkt, an dem es ohnehin nicht mehr darum ging, ob die Wahrheit rauskommt. Zu diesem Zeitpunkt, an Tag fünf der Eskalation, hätte der „Spiegel“ nur noch beweisen können, dass er der Wahrheit nicht ausweicht. Dass er sich ihr stellt. Mit einer offenen, schonungslosen, selbstkritischen, auch selbstbewussten Analyse des Debakels.
Nicht einmal das hat er gewagt. Er veröffentlicht einen Artikel, der kein „Spiegel“-Artikel ist, sondern ein Stück trauriger PR-Verdruckstheit, das sich nicht einmal traut, die heiklen Fragen zur Kenntnis zu nehmen.
Der „Spiegel“ scheut die Öffentlichkeit. Das klingt irre, aber es ist so. Ausgerechnet das traditionsreiche deutsche Nachrichtenmagazin misstraut der Möglichkeit, dem Publikum Dinge erklären zu können. Nicht nur mitzuteilen, sondern zu erklären – sich zu erklären. […]
Man mag die Aufregung um diese Liste für übertrieben halten, aber sie trifft eine zentrale Unterstellung der „Lügen“- oder „Lückenpresse“-Rufer. Sie vermuten geheime Manipulationen der „Wahrheit“, und sei es nur der „Wahrheit“ einer Bestseller-Liste. Und plötzlich stellt sich raus: Solche Manipulationsversuche gibt es tatsächlich. [Manipulierte Bestsellerliste: Der „Spiegel“ und seine Angst vor der Wahrheit (Stefan Niggemeier, ÜberMedien, 26.07.2017]Gabriele Krone Schmalz über NATO in Zivil in der Ukraine, Russland und Medienpropaganda1 [13:24]
Veröffentlicht am 13.09.2014
Zitat Gabriele Krone-Schmalz:
»Das macht mir insofern Sorge: Wenn Menschen nicht mehr glauben, was in den Medien informiert wird, wenn Menschen auch Politikern nicht mehr glauben, dann fliegt uns unser wunderschönes System Demokratie früher oder später um die Ohren.« (Video ab 8:00)
- „Finis Germania“: Der Spiegel rechtfertigt Eingriff in seine Bestseller-Liste und macht alles nur noch schlimmer (Meedia, 26.07.2017)
- In eigener Sache "Finis Germania" und die SPIEGEL-Bestsellerliste (Susanne Beyer, SPON, 25.07.2017)
- "Finis Germania": Wie ein rechtsextremes Buch von der Bestsellerliste verschwand (Claudia Tieschky, Süddeutsche Zeitung, 25.07.2017)
- Rauswurf für rechtsradikales Buch – Bestsellerliste ohne „Finis Germania“ (Christian Schröder, Tagesspiegel, 25.07.2017)
- „Finis Germania“ von Sieferle : Warum der „Spiegel“ das Skandal-Buch aus seiner Liste streicht (FAZ.net, 25.07.2017)
- Mats Schönauer "Finis Germania" Der rechte, rechte Platz ist frei: „Spiegel“ löscht heimlich Skandalbuch aus Bestsellerliste (ÜberMedien, 22.07.2017)
»Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen, ist die Ehrlichkeit.« [Albert Camus]
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