Es sind Sätze von bedrückender Aktualität: „Es ist eine Ausartung und philosophisch-bürokratische Überhebung, wenn der Staat das Sittliche verwirklichen will, was nur die Gesellschaft kann und darf.“ Aufgabe des Staates sei es, das Recht aufrechtzuerhalten. Aber: „Die Verwirklichung des Sittlichen auf Erden durch den Staat müsste tausendmal scheitern.“ Zu den Pathologien des modernen Staates gehört es jedoch, dass er mehr leisten soll als einfach nur das Recht garantieren. Die Wirtschaft verlangt von ihm, dass er ihre Interessen durchsetzt, die Masse der Bürger fordert soziale Gaben.
Zugleich pochen alle auf ihre Freiheit. Ergebnis: Der Staat „soll alles mögliche können, aber nichts mehr dürfen.“ Eine verhängnisvolle Tendenz, in deren Folge „die Grenze zwischen den Aufgaben von Staat und Gesellschaft gänzlich zu verrücken drohen“. Der Keim dieser Fehlentwicklung liegt in der Französischen Revolution, die sich großspurig die Menschenrechte auf die Fahnen schrieb, „während der Staat hätte froh sein müssen, wenn er in seiner Verfassung mit einer vernünftigen Definition der Bürgerrechte“ durchgekommen wäre.
Diese schonungslose Analyse der modernen Massendemokratie ist von bestechender Klarsichtigkeit. Niedergeschrieben hat sie Jacob Burckhardt – geboren vor 200 Jahren in Basel, am 25. Mai 1818, bedeutendste Kulturhistoriker seiner Zeit, Verfasser der „Kultur der Renaissance in Italien“, eines kunsthistorischen Bestsellers, der den Begriff „Renaissance“ erst populär machte und den Kulturtourismus nach Italien begründete. Trotz dieser düsteren Zeitdiagnose hat Burkhardt – anders als viele Zeitgenossen – niemals die Aufklärung infrage gestellt.
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- 200. GEBURTSTAG VON JACOB BURCKHARDT - So frisst die Demokratie ihre eigenen Kinder (Alexander Grau, Cicero, 26.05.2018)
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