Mittwoch, 16. Januar 2019

Spielt Macron einfach nur auf Zeit?

Den Namen der kleinen Gemeinde, 130 Kilometer nördlich von Paris, kannte bislang auch kaum ein Franzose. Ausgerechnet in Bourgtheroulde, in der normannischen Provinz, will Emmanuel Macron seine Präsidentschaft retten. Doch der Dialog mit dem Volk fand ohne Volk statt

Bourgtheroulde, von Einheimischen ausgesprochen klingt sehr ähnlich wie ein norddeutsch vernuscheltes Buxtehude – und so ähnlich sieht es auch aus: flaches Weideland, darüber ein tiefhängender grauer Himmel, Apfelbäume. Der Weg in den Ort führt an diesem 15. Januar über drei Polizeisperren, mindestens. Alle Kreisverkehre im Umkreis von 10 Kilometern sind besetzt. Diesesmal stecken Polizisten in den gelben Westen. Dreimal Ausweiskontrolle – wohin wollen Sie, zum Präsidenten – zweimal Kofferraumkontrolle. Der Eindruck: Nicht jeder ist erwünscht bei der großen nationalen Debatte, die der Präsident für die kommenden sechs Wochen bis zum 15. März angekündigt hat. Wer nicht in Bourgtheroulde wohnt, muss entweder akkreditierter Journalist sein, Bürgermeister einer nordfranzösischen Gemeinde, oder er muss draußen bleiben.

Im Ort selbst sind fast alle Geschäfte verrammelt, nur die Bar-Tabac L’Imprévu am Platz neben der Kirche macht das Geschäft des Jahres. Davor die angereisten Journalisten und circa 150 Gilets-Jaunes, die es trotz aller Sperren in den Ort geschafft haben. „Über die Felder“, sagt Dimitri, knapp dreißig, Kapuzenpulli: „wir kennen uns aus, wir sind von hier“. „Macron muss gehen“, findet er. Lösungen von der Politik, die erwartet er „schon lange nicht mehr“. Ob nun Mélonchon (Ultralinks) oder Le Pen (extreme Rechte), „alle aus einem Sack“. Und was dann, frage ich. „Egal, nur Macron muss weg“. Seine Freundin Allison assistiert: „Ist das etwa Demokratie, wenn man sich im eigenen Dorf nicht mehr frei bewegen kann? Überall nur Polizei, gepanzert und schwer bewaffnet?“

mehr:
- Eine Volksdebatte ohne Volk (Kay Walter, Cicero, 16.01.2019)
siehe auch:
„Schluss mit der Ära der Könige“ (Werner Vontobel, Cicero, 16.01.2019)
- Frankreich legt den Finger auf den wunden Punkt (Werner Vontobel, Cicero, 15.01.2019)
Gelbwesten-Führerin Ingrid Levavasseur: "Wir sind mitten in einer Revolution" (Ein Interview von Georg Blume, SPON, 14.01.2019)
- Gelbwesten in Frankreich: Der Protest ist nicht totzukriegen (Rudolf Balmer, taz, 14.01.2019)

Gelbwesten folgen Macron und einer riesigen Polizei-Eskorte auf Debatten-Tour durch Frankreich {2:43}

RT Deutsch
Am 16.01.2019 veröffentlicht 
Dutzende von Gelben Westen warteten auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, als er am Dienstag in Bourgtheroulde, Normandie, den ersten Halt auf seiner Tour zur "nationalen Debatte" machte. Der Präsident wurde von einer riesigen Polizeipräsenz begleitet.
Drei Monate nach den Protesten der Gelben Westen kündigte Macron eine zweimonatige "nationale Debatte" an, in der die Bürger eingeladen werden, ihre Meinung über Steuern, die Funktionsweise des Staates, Umweltfragen und Demokratie zu äußern. Er begann die Debatte mit einer nationalen Tour, auf der er mit Bürgermeistern im ganzen Land sprechen wird.
Das Filmmaterial zeigt die Dutzende von Polizisten in Schutzausrüstung, die die Stadt durchstreifen und Fahrzeuge vor der Ankunft des Präsidenten durchsuchen.
Einige der Gelben Westen fühlten sich unterdessen von der Debatte ausgeschlossen, da sie nicht in die Stadt gelassen wurden, die der Präsident besuchte.
"Alles ist strukturiert und kontrolliert, die Gelben Westen sind außerhalb des Ortes, wir können nicht hineingehen", sagte ein Mann. Er fügte hinzu: "Das ist nicht normal. Ich habe das Gefühl, dass ich mich wie ein Schmuggler aufführen muss, damit man meine Stimme hört."
Für deutsche Untertitel bitte die Untertitelfunktion auf Youtube aktivieren.

Report aus Paris | Was wirklich in Frankreich passiert | 451 Grad {34:24}

451 Grad
Am 14.12.2018 veröffentlicht 
Die „Gelben Westen“ stehen für die französische Protestbewegung Gilets Jaunes. Eine geplante Erhöhung der Steuer auf Benzin und Diesel hat hunderttausende Franzosen landesweit auf die Straßen gebracht. 451° war vor Ort!
Liberté, égalité, fraternité zu Deutsch: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – das war der Leitgedanke der Französischen Revolution im 18 Jahrhundert. Heute herrscht in #Paris und in ganz #Frankreich wieder der Ausnahmezustand. Die Bewegung der #GiletsJaunes dominiert mit Ihren gelben Westen die Berichterstattung – zumindest in Frankreich. Würde man nicht ein größeres Medien-Echo erwarten, wenn es bei unseren Nachbarn dermaßen kracht? Die geplante Erhöhung der Steuern auf Benzin und Diesel hat den französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei großen Teilen der Bevölkerung in Ungnade fallen lassen. Das Ergebnis sind Demonstrationen mit vielen Verletzten und hohem Sachschaden. 451° war vor Ort in Paris, um sich ein Bild der Proteste der Gilet Jaunes zu machen. Unsere Eindrücke vor, nach und während der Ausschreitungen in Paris, haben wir für euch in dieser Reportage zusammengefasst.

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