Freitag, 1. Februar 2019

"Raketenabwehr" klingt gut - aber…

Der INF-Vertrag ist gescheitert, auch weil die Trump-Regierung ein neues Aufrüstungsprogramm verfolgt. In der vergangenen Woche präsentierte das US-Verteidigungsministerium neue Pläne zur Raketenabwehr

Die russische Regierung geht davon aus, dass die USA am Wochenende aus dem INF-Vertrag aussteigen. Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow erklärte am Donnerstag, gemeinsame Gespräche hätten keine Lösung gebracht. Die USA haben Russland eine Frist bis Samstag gesetzt, um den Marschflugkörper Novator 9M729 abzurüsten, von dem die US-Regierung behauptet, er würde gegen den INF-Vertrag verstoßen.

"Soweit wir verstehen, beginnt die nächste Etappe, also die nächste Phase. Nämlich die Phase, in der die USA die im Rahmen des INF-Vertrages obliegenden Verpflichtungen einstellen; dies wird offenbar am nächsten Wochenende passieren", sagte Sergej Rjabkow.

Kurz vor der Münchner Sicherheitskonferenz warnte Wolfgang Ischinger, dass die europäischen Sicherheitsbemühungen in Gefahr seien. "Die europäische Sicherheitsarchitektur wird mit der Abrissbirne peu à peu zerbröselt", so der Chef der Sicherheitskonferenz. Er spricht mit Blick auf den INF-Vertrag gar von einer "großen Krise der NATO" und der West-Ost-Beziehungen. "Viel schlimmer kann es eigentlich nicht kommen."

Tatsächlich unterstreicht die Diskussion um den INF-Vertrag einmal mehr das Unvermögen der EU, eigene Interessen durchzusetzen, wenn notwendig auch gegen das Weiße Haus. Der deutsche Außenminister Heiko Maas hatte bei seinem Besuch in den USA erklärt, es gehe weiter darum, die "Russen dazu zu drängen, Informationen offenzulegen". Man bräuchte mehr Informationen, die "anscheinend die Russen nicht bereit sind zur Verfügung zu stellen". Solange das nicht der Fall sei, sehe es "schlecht aus für den INF-Vertrag".

Seit Donald Trump ankündigte, aus dem INF-Vertrag auszusteigen, versuchen die NATO-Mitglieder die Schuld an dem Vorgang der russischen Seite unterzuschieben. Allerdings hatte die amerikanische Regierung sich bereits in der aktuellen Strategie für Atomwaffen festgelegt, dass sie ihr Atomwaffenarsenal erweitern will (Atomwaffen-Politik unter Trump: New Nukes, for no Good Reason) Zudem senkt die Trump-Regierung die Einsatzkriterien für Atomwaffen und rüstet die Streitkräfte mit so genannten "kleinen Atombomben" aus, die nach Ansicht vieler Kritiker dazu führen, dass die Hemmschwelle für tatsächliche Einsätze sinkt (USA haben mit der Produktion kleinerer, U-Boot gestützter Atomwaffen begonnen).

Kurz nach der neuen Atomwaffenstrategie veröffentlichte die US-Regierung in der vergangenen Woche ihre neuen Pläne für die Raketenabwehr. Die "2019 Missile Defense Review" betrifft ebenfalls den INF-Vertrag, zumal ein besonders heikles Element des amerikanischen Raketenschirms in EU-Staaten stationiert ist.

Die US-Regierung will in den nächsten Jahren "massiv" in neue Raketen-Abwehrtechnik investieren. Die neue Strategie setzt auch auf Systeme, die im Weltraum stationiert sind. Zudem soll das Pentagon Hochleistungs-Laser anschaffen. Es gehe darum, so ein Sprecher des Weißen Hauses, die "in Europa und Asien stationierte US-Kräfte besser zu schützen".

Auf den ersten Blick scheint eine Abwehr gegen mögliche Raketenangriffe unproblematisch zu sein. Jedes Land sollte natürlich in der Lage sein, sich gegen Atomangriffe zu verteidigen. Aber Raketenabwehr kann gefährliche Folgen haben: Andere Länder können jede erweiterte Raketenabwehr als Verstärkung einer vermuteten Erstschlagsoption betrachten. Ein groß angelegtes Abwehrsystem kann einen Erstschlag erleichtern, indem es garantiert, dass gegnerische Vergeltungsraketen abgefangen werden.

Genau diesen Anspruch formuliert nun die neue "2019 Missile Defense Review": Sie legt einen deutlichen Schwerpunkt darauf, die USA gegen mögliche chinesische und russische Raketenangriffe abzuschirmen. Während die Obama-Regierung in ihrem "Bericht über die ballistische Raketenabwehr" aus dem Jahr 2010 ausdrücklich eine Zusammenarbeit mit Russland anstrebte, nimmt das Land nun einen prominenten Platz als Gegner ein.

mehr:
- INF-Vertrag: "Raketenabwehr" klingt gut - aber es gibt einen Haken (Malte Daniljuk, Telepolis, 01.02.2019)
siehe auch:
Verschrottetes Vertrauen (Andreas Zumach, der Freitag, 01.02.2019)
Die NATO, die nukleare Gefahr und der Frieden (Bernhard Trautvetter, KenFM, 25.10.2018)

STRATFOR Chef legt die Außenpolitik der USA offen: Ukraine, Russland, Deutschland, Nahost {12:52 – Start bei 3:18}

LT-News.com
Am 26.08.2015 veröffentlicht 
Ziel: Allianz zwischen Russland und Deutschland verhindern

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Das Expertenteam des Unternehmens besteht aus Politologen, Ökonomen und Sicherheitsexperten, die über „Informanten“ in allen Regionen der Welt verfügen und eine Vielzahl von allgemein zugänglichen und verdeckten Quellen auswerten. Das US-Magazin Barron’s bezeichnete Stratfor aufgrund seiner nachrichtendienstlichen Eigenschaften 2010 als „Schatten-CIA“.[1]
[Stratfor, Produkte und Unternehmensgeschichte, Wikipedia, abgerufen am 02.02.2019]
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George Friedman (* 1. Februar 1949 in Budapest) ist ein US-amerikanischer Geostratege und Sicherheitsexperte, Politologe und Publizist. Er gründete 1996 das private Beratungsinstitut Stratfor, 2015 die Firma Geopolitical Futures. Beide Firmen erstellen unter anderem geopolitische Prognosen, deren Einfluss auf die außenpolitische Orientierung der USA umstritten ist.
[George Friedman, Wikipedia, abgerufen am 02.02.2019] 
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Dirk Pohlmann zur Geisteshaltung des US-Militärs zu Beginn des Kalten Krieges:
Dirk Pohlmann über "Der duale Staat: Recht, Macht und Ausnahmezustand" {2:06:59 – Beginn bei 45:25}

Gruppe42
Am 16.05.2018 veröffentlicht 
"Der Staat - das klingt in unseren Ohren nicht unbedingt freundlich, aber es klingt nach Recht und Ordnung. In der Schule und an der Universität erfahren wir von den ehernen Regeln der Demokratie. Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Wahlen, parlamentarische Repräsentanz, alles scheint altehrwürdig und wohlgeregelt im Staats und Verfassungsrecht. Bis in die Details und bis in die letzten Winkel ist festgelegt, wer nach welchen Regeln für was zuständig und verantworlich ist. Dass daran nicht gerüttelt wird, dafür sorgt die Demokratie, sie bezeichnet sich selbst gerne als „wehrhaft“.
Da ist ein Begriff wie „Deep State“ oder „Dualer Staat“ störend. Er legt nahe, dass es neben dem bekannten, demokratisch legitimierten Staat noch einen anderen gibt, der nicht gewählt wird, der sich selbst ermächtig, der eingreift, wann es passt. Aber wann? Wer bildet ihn? Was tut er? Wann tötet er? Warum liest man darüber so wenig? Und warum beschäftigen sich „seriöse“ Medien damit eigentlich überhaupt nicht? Medien, Politiker und Universitätslehrer verweisen den Begriff des „parallelen Staates" gerne in den Bereich der „Verschwörungstheorien“.
Und doch ist er real. In allen Staatsformen, aber insbesondere in der Demokratie, gibt es im Unterschied zum normativen Ideal die realpolitische Existenz eines „Machtstaates“ oder „Maßnahmenstaates“, des "Deep State". Auch akademische Politologen und Rechtswissenschaftler haben sich damit beschäftigt, ausnahmslos Personen, die sich mit dem Widerspruch zwischen Realpolitik einerseits und der Idee des liberalen Rechtsstaates andererseits beschäftigt haben. Sie haben erkannt: Der „Deep State" hängt mit den Erfordernissen der Hegemonialmacht im „Grossraum“ zusammen.
Dementsprechend gibt es Länder, in denen der „Tiefe Staat“ Alltagswissen ist, z.B. die Türkei oder Italien. Dort ist die Realität des parallelen Staates so unübersehbar zutage getreten, dass auch Staatspräsidenten von ihm reden - müssen. Und es gibt Länder, in denen man in öffentlichen Ämtern nicht von ihm sprechen kann, ohne Reputation und Karriere zu riskieren.
Die staatstragenden Kräfte vieler Länder blenden diese Realität deshalb weiter aus. Oder sie versuchen es zumindest. Aber auch in diesen Ländern ist der „Deep State“ aktiv geworden. Nicht nur in Vasallenstaaten, sondern auch im Zentralreich des Hegemons selbst.
Anhand praktischer Beispiele legt der Journalist Dirk Pohlmann praktisch und theoretisch dar, was es mit dem "Deep State“ auf sich hat. Sein Vortrag ist eine Mischung aus staatsrechtlicher Analyse und Bericht, wann und wo der Deep State sichtbar geworden ist. Ein spannendes Thema, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Es ist besser, darüber Bescheid zu wissen, als nur die Konsequenzen verständnislos erleben zu müssen.
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Das Wesen des Tiefen Staats wird darin gesehen, dass sich im Laufe der Auseinandersetzungen mit den verschiedenen als Bedrohung identifizierten Strömungen innerhalb des Staats Strukturen ausbildeten, die keiner demokratischen Kontrolle unterworfen waren, eine Art Staat im Staate. Diese bedienten sich darüber hinaus teilweise krimineller und radikaler politischer Elemente, wobei die fehlende demokratische Kontrolle letztlich zu einer unkontrollierbaren Deformation und Verflechtung staatlicher Strukturen mit Elementen des Rechtsextremismus und der organisierten Kriminalität führte.[1] In diesem Zusammenhang wird auch oft das Vorgehen des Militärs und verschiedener Sicherheitskräfte gegen die Kurden in Südostanatolien in den 1980er und 1990er Jahren genannt, das teilweise als Schmutziger Krieg kritisiert wird.[2][3]
Der unten näher behandelte Susurluk-Skandal von 1996 erweckte deshalb großes Aufsehen in der Türkei, weil diese geheimen Verflechtungen erstmals offenkundig wurden: In einem verunfallten Wagen saßen mit Hüseyin Kocadağ ein hoher Polizeifunktionär, mit Abdullah Çatlı ein international gesuchter, rechtsextremer Drogenhändler und Mörder[4] mit erwiesenen Geheimdienstverbindungen, sowie mit Sedat Edip Bucak ein Parlamentsabgeordneter, der eine wichtige Rolle im Kampf gegen die PKK gespielt hatte.
[Tiefer Staat, Hintergrund, Wikipedia, abgerufen am 02.02.2019, Hervorhebung von mir]
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auf den Susurluk-Skandal geht Dirk Pohlmann bei 30:38 (obiges Video) ein.

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