Mittwoch, 24. Juli 2019

Die totalitären Giganten

Amazon und andere könnten eine totalitäre Weltwährung installieren, verbunden mit einem ausgefeilten System der Verhaltenskontrolle. Exklusivabdruck aus „Schönes neues Geld“.

Wer kennt Sie am besten? Ihre Frau/Ihr Mann ist es jedenfalls nicht. Große IT-Unternehmen wie Amazon oder Google haben so große Datenmengen über Sie gespeichert, dass sie damit nicht nur zu Verhaltenskontrolle, sondern auch zu Verhaltenssteuerung in großem Umfang fähig sind. Dieses Wissen über die Kunden ist auch der große Startvorteil der Internet-Riesen gegenüber herkömmlichen Banken. Noch halten die Nationalstaaten die Währungshoheit in der Regel in ihren Händen. Doch welche Regierung wird sich auf Dauer den global agierenden Giganten entgegenstellen können? Von diesem beängstigenden Zukunftsszenario berichtet Norbert Häring in seinem Buch „Schönes neues Geld: PayPal, WeChat, Amazon Go — Uns droht eine totalitäre Weltwährung“.

Die großen IT-Unternehmen haben größtes Interesse daran, das Zahlungsverkehrsgeschäft zu übernehmen. Und langfristig haben vor allem die großen Plattformbetreiber die besten Voraussetzungen, das zu schaffen. Denn für das Bankgeschäft braucht es nicht viel mehr als Datenanalyse, Vertrauen und Kundenzugang.

In Sachen Vertrauen ist ein sehr wichtiger Aspekt die Kapitalstärke. Da brauchen sich die Tech-Giganten nun wirklich nicht zu verstecken. Gegen sie sind selbst die großen Banken kleine, wacklige Gebilde. Auch an Kundenzahl sind sie jedem anderen Unternehmen um Meilen voraus. Was schließlich die Daten und ihre Verarbeitung angeht, haben die Banken gegenüber den IT-Unternehmen ganz schlechte Karten. Denn auf dem Gebiet sind diese zu Hause.

Eine Studie eines deutsch-amerikanischen Ökonomenquartetts ergab, dass schon ein paar Daten, die jeder Webseitenbetreiber ganz standardmäßig von jedem Besucher abgreifen kann, ähnlich viel Informationen über dessen Kreditwürdigkeit liefern, wie das Rating einer traditionellen Kreditauskunftei. Solche Daten sind die Art des genutzten Geräts und dessen Betriebssystem, ob man direkt oder über eine Suchmaschine oder ein Preisvergleichsportal kommt, der E-Mail-Provider, ob man Groß- und Kleinschreibung beachtet, ob man sich vertippt und ob die E-Mail-Adresse Vornamen oder Nachnamen enthält. „Mit ihrem überlegenen Zugang zu digitalen Fußabdrücken und ihrer überragenden Fähigkeit, diese zu verarbeiten, können die FinTechs das Geschäftsmodell der Banken gefährden“, schließen die Autoren.

mehr:
- Die totalitären Giganten (Norbert Häring, Rubikon, 24.07.2019)
siehe auch:
Frankreich drohen US-Strafzölle wegen Steuer für Google und Apple (Der Standard, 11.07.2019)
Trotz drohender US-Strafzölle Frankreichs Parlament besiegelt Digitalsteuer (SPON, 11.07.2019)
- Schutz für Online-Riesen: US-Regierung droht Frankreich wegen Digitalsteuer (dpa, t-online, 11.07.2019)

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