Samstag, 28. September 2019

Der runde Tisch aus Buchenholz

Rubikons Leserinnen und Leser haben die Feder ergriffen.


„In eurem Sterben soll noch euer Geist und eure Tugend glühen, wie das Abendrot um die Erde“ — Friedrich Nietzsche.

Die tiefste Liebe im Leben meines Mannes war zweifellos die zu seinen Töchtern Hanna und Katharina. Diese Liebe war nicht immer sichtbar, vor allem wurde sie nicht immer vollendet kommuniziert. Doch sie war in den Wurzeln seiner Seele verankert und dort in der Tiefe hat sich ein Schmerz mit ihr verschmolzen, ebenso groß wie die Liebe selbst.

Die frühe Scheidung im Vorschulalter der Kinder, die räumliche Entfernung zwischen Hamburg und Stuttgart, die Sprachlosigkeit des getrennten Elternpaares, die Unsicherheit Wolfgangs gegenüber seinen Kindern, wenn sie zu Besuch waren, aber auch seine Ungeübtheit darin, ein zuhörender Vater zu sein — all das ließ in seinen Töchtern nach und nach eine Entfremdung entstehen und damit verbunden das Gefühl, ihr Vater sei nicht anwesend, schlimmer noch, er sei niemals anwesend gewesen. Groll wuchs in ihnen heran. Sicher haben die beiden auch etwas von der Bitterkeit ihrer Mutter übernommen.

Wolfgang war kein einfacher Mann. Nicht immer hatte er ein Gespür für die Balance zwischen Zuhören und Reden und mir schien, dass er, je unsicherer er gegenüber seinen Töchtern war, umso mehr geredet hatte, wo er hätte zuhören sollen. Und er blieb stumm, wo es klarer Aussagen bedurft hätte. Das Schweigen oder Hinwegreden über das Wesentliche gewann überhand und irgendwann brachen die Töchter den Kontakt völlig ab.

mehr:
- Die Macht des Wortes (Lea R. Söhner, Rubikon, 28.09.2019)

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