Donnerstag, 26. September 2019

Der ukrainische Sumpf holt Washington ein – oder umgekehrt

Trump hat die Mitschrift des Gesprächs mit dem ukrainischen Präsidenten freigegeben. Es gab keinen direkten Handel, aber es offenbart seltsame Wünsche Trumps und das Verhalten von Vassalen

Mit der Veröffentlichung der Mitschrift des Telefongesprächs, das Donald Trump mit Wolodymyr Selenskyi (Zelenskyi) am 25. Juli nach der Parlamentswahl in der Ukraine führte, ist das Weiße Haus vorgeprescht. Die Frage ist nun, ob damit ein Impeachment über die vermeintliche Verletzung der Verfassung vom Tisch ist. Denn in dem Gespräch drang Trump zwar darauf, die Vorgänge um seinen Hauptkonkurrenten Joe Biden und seinen Sohn zu untersuchen, und er wünschte auch ziemlich diffus eine Untersuchung darüber, ob Ukrainer eine Rolle bei den 2016 vom Democratic National Committee gestohlenen Emails gespielt haben. Dabei sollte eine direkte Zusammenarbeit zwischen dem Justizministerium und der ukrainischen Staatsanwaltschaft sowie Trumps persönlichem Anwalt John Giuliani stattfinden. Trump verband dies aber nicht mit irgendwelchen Angeboten oder Drohungen, die kurz zuvor vorübergehende von Trump gesperrten Hilfsgelder in Höhe von 391 US-Dollar, darunter 250 Millionen für Militärhilfe, wurden gar nicht erwähnt.


Das dürfte vermutlich in der Beschwerde des Whistleblowers aus den Geheimdiensten auch stehen, der beim Generalinspekteur der Geheimdienste deswegen eine noch weiterhin geheim gehaltene Eingabe machte. Der Generalinspekteur verlangte die Freigabe an den Kongress, weil im Gespräch möglicherweise das Parteienfinanzierungsgesetz verletzt worden war. Die Anzeige wurde auch an das Justizministerium weitergegeben, das aber befand, dass nach der diesem vorliegenden Mitschrift des Gesprächs hier kein Vergehen des Präsidenten vorliegt, weswegen sie auch nicht wie sonst üblich an die Geheidienstausschüsse weitergegeben wurde. Das müssen Anzeigen, die direkt etwas mit den Geheimdiensten zu tun haben. Kerri Kupec, die Sprecherin des Justizministeriums, erklärte überdies, Trump habe mit Justizminister Barr nie über eine Ermittlung gegen Biden in der Ukraine gesprochen, Barr habe mit Giuliani auch nie über etwas mit der Ukraine Zusammenhängendes gesprochen.

Nancy Pelosi, die Sprecherin des mehrheitlich von Demokraten besetzten Repräsentantenhauses, hatte wohl etwas überstürzt kurz vor der Freigabe der Mitschrift die Einleitung eines Impeachment-Prüfverfahrens angekündigt. Nach der Freigabe, die die vermutete Verknüpfung der Forderung nach Ermittlungen mit den amerikanischen Hilfsgeldern nicht bestätigte, hielt Pelosi dennoch an den Vorwürfen fest: "Tatsache ist, das der Präsident der Vereinigten Staaten im Bruch mit seinen verfassungsmäßigen Verantwortlichkeiten eine ausländische Regierung gebeten hat, ihm bei seiner politischen Wahlkampagne zu Lasten unserer nationalen Sicherheit und mit der Untergrabung der Integrität unserer Wahlen zu helfen". Die demokratische Präsidentschaftskandidatin Elizabeth Warren, die darauf hoffen kann, Biden zu überholen, meinte, die Mitschrift sei ein "rauchender Colt". Auch der demokratische Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders gab einen Kommentar ab: "Donald Trump ist der korrupteste Präsident in der neueren Geschichte dieses Landes." Hillary Clinton unterstützt weiter ein Impeachment, weil "der Präsident der Vereinigten Staaten unser Land verraten hat".

Der demokratische Senator Chuck Schumer verlangt weiter Einsicht in die Whistleblower-Anzeige. Die soll sich auf Verschiedenes beziehen, der Generalinspekteur sagte aber nicht, ob es dabei auch um Trump geht. Am Dienstag hatte der Senat, in dem die Republikaner eine Mehrheit haben, einstimmig einer Resolution zugestimmt, in der die Trump-Regierung aufgefordert wird, die vollständige Whistleblower-Anzeige dem Kongress zu übergeben. Die soll nun auch an den Geheimdienstausschuss des Senats gehen.

mehr:
- Der ukrainische Sumpf holt Washington ein - oder umgekehrt (Florian Rötzer, Telepolis, 26.09.2019)
siehe auch:
USA-Wahlkampf: When the shit hits the fan… (Post, 23.09.2019)
Die korrupte politische US-Kaste: Die Kronprinzen sahnen ab! (Post, 02.05.2019)
Einzig Lincoln hätte die Autorität gehabt, milde Friedensbedingungen im von radikalen Republikanern dominierten US-Kongress durchzusetzen. So aber wurden die Südstaaten unter Militärverwaltung gestellt und mussten während der "Ära der Rekonstruktion" bis 1877 mitansehen, wie die Vereinigten Staaten nach den Wünschen des Nordens umgestaltet wurden. Die Wirtschaft des kriegszerstörten Süden wurde umgekrempelt, tiefgreifende Änderungen an den überkommenen gesellschaftlichen Strukturen blieben aber aus.

Die Leidtragenden waren die durch den Krieg "befreiten" schwarzen Sklaven, für die man sich im Norden nicht wirklich einsetzte. Mit drei Verfassungszusätzen erhielten sie zwar im Jahr 1866 die Bürgerrechte und das Wahlrecht, doch blieben sie bestenfalls Menschen zweiter Klasse. An die Stelle der Sklaverei trat die Rassentrennung, von mehreren Südstaaten ab 1876 in den sogenannten "Jim-Crow-Gesetzen" festgeschrieben.
Das Ende dieser Prolongation der Sklaverei wurde erst wenige Monate vor Veteran Woolsons Tod eingeläutet. Am 1. Dezember 1955 weigerte sich die schwarze Bürgerrechtlerin Rosa Parks in einem Autobus in Montgomery (Alabama) ihren Sitzplatz einem weißen Fahrgast zu überlassen. Die Proteste gegen ihre Festnahme waren der Startschuss für die Bürgerrechtsbewegung, die zur Abschaffung der Rassentrennung durch das "Civil Rights Act" (1964) unter Präsident Lyndon B. Johnson führte.

Das Gesetz veränderte auch die politische Landschaft der USA nachhaltig. Im Jahrhundert nach dem Bürgerkrieg waren die Südstaaten ein Bollwerk der Demokraten gewesen, die Republikaner standen als Partei des ehemaligen Kriegsgegners auf verlorenem Posten. Die Bürgerrechtsbewegung änderte dies nachhaltig, der demokratische "Solid South" (Geschlossener Süden) wurde rot. Doch änderten sich nur die politischen Vorzeichen, nicht die gesellschaftlichen Realitäten.

So wurde der erste schwarze US-Präsident Barack Obama im Jahr 2008 als Kandidat der ehemaligen Sklavenhalter-Partei Demokraten gewählt. Die Südstaaten stimmten aber fast geschlossen für seinen landesweit abgeschlagenen republikanischen Gegenkandidaten John McCain. Mittlerweile als "Bible Belt" tituliert, ist der Süden zum Kernland der nach rechts gerückten ehemaligen Nordstaaten-Partei geworden. Trennte Nord und Süd früher die Sklavenfrage, sind es heute weltanschauliche Themen wie Abtreibung und Homosexualität, aber auch die Haltung zu Ausländern und der Todesstrafe. 
[150 Jahre US-Bürgerkrieg: USA immer noch gespaltenDie Presse, 11.04.2011 – Hervorhebungen von mir]
mein Kommentar:
Habe ich richtig verstanden?
Wenn Trump Selenskyi unter Druck setzt, ist das möglicherweise Verfassungsbruch, wenn Biden Poroschenko unter Druck setzt (Post, 02.05.2019 – s.o.), kümmert das nur die Republikaner? Was ist denn das für eine Logik?

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