Freitag, 21. Februar 2020

Die Bedrohungs-Inszenierung der US-Geheimdienste

Der neue Geheimdienstbericht "Nationale Spionageabwehr-Strategie 2020-2022" hat es in sich und sieht überall Bedrohungen

Vergangene Woche veröffentlichte das National Counterintelligence and Security Center (NCSC), das der obersten Geheimdienstbehörde ODNI (Office of the Director of National Intelligence) untersteht, die Nationale Spionageabwehr-Strategie 2020-2022. Darin soll ein neuer Ansatz der Spionageabwehr ausgeführt werden, um die nach 2016, als der letzte Bericht erschienen war, entstandenen Bedrohungen zu bekämpfen.

Neu daran soll sein, dass die Aktivitäten der amerikanischen und der gegnerischen Geheimdienste nicht mehr nur auf Politik und Militär ausgerichtet sind, sondern letztlich die gesamte zivile Struktur eines Landes zum Ziel geworden ist. Genannt werden als Angriffsziele: die kritische Infrastruktur, Hauptlieferketten der USA, die US-Wirtschaft, amerikanische demokratische Institutionen und Cyber- sowie technische Operationen. Das NCSC arbeite daher nicht nur mit allen Behörden zusammen, sondern auch mit dem privaten Sektor, den Universitäten und den ausländischen Partnern.

Wirklich neu ist das nicht, im Kampf gegen den Terror wurden auch schon die Grenzen zwischen Außen-, Wirtschafts-, Gesundheits- und Innenpolitik oder zwischen Krieg und Frieden eingerissen. Die Nationale Sicherheit hat sich auf alles wie in Kriegszeiten ausgedehnt. Thematisiert wurde das bereits in den 1990er Jahren nach dem Ende des Kalten Kriegs und der Auflösung der Grenzen, vor allem im Cyberspace durch Cyberterrorismus und Cyberwar. Schon die Nationale Sicherheitsstrategie von 1998 ging davon aus, dass die "Grenze zwischen der Innen - und Außenpolitik zunehmend verschwimmt", weswegen die einst getrennten Aufgabenbereiche des Militärs, der Geheimdienste, der Polizei und der Wirtschaftspolitik unter dem Oberbegriff der Sicherheit miteinander verknüpft werden müssen. Gerade der Schutz der Infrastruktur verlange nach "neuen Partnerschaften zwischen Regierung und Industrie" erfordere, was vor allem die Computerindustrie betrifft. Da denkt man gleich an die Auseinandersetzung über Huawei.

mehr:
- "Hacktivisten, Leaktivisten und Enthüllungsorganisationen stellen schwere Bedrohungen dar" (Florian Rötzer, Telepolis, 21.02.2020)
siehe auch:
Von der Heartland-Theorie über Brzezinski zur nahen Zukunft (Post, 20.10.2019)
Geheimdienste und Leitmedien: unbekannte Fakten plus eindeutige Schlussfolgerungen ergeben unvoreingenommenes, faktenfreies Geschwurbel (Post, 15.03.2019)
Alle reden von Framing – ich jetzt auch! (Post, 19.02.2019)
- Ein propagandistisches Meisterstück des militärisch-industriellen Komplexes: Die Raketenlücke (Post, 15.03.2015)

Dirk Pohlmann über "Der duale Staat: Recht, Macht und Ausnahmezustand" {2:06:59 – Start bei 41:48
Pohlmann: »Powers ist die Vorlage für Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben; der verrückte Offizier ist nach ihm modelliert, weil der Typ hat wirklich nicht alle Tassen im Schrank […] Bei der Planung eines Atomkriegs wurden die Verluste nur in Größenordnungen von hunderten von Millionen geplant. Als man ihn dann fragte, ob man Menschenleben nicht einen höheren Wert einräumen sollte, antwortete er: ›Warum sind sie so besorgt darum, daß man Leben schützen sollte? Die ganze Idee, das worum’s geht, ist doch, daß wir diese Bastarde killen. Wenn am Ende des Krieges zwei Amerikaner und ein Russe übrig sind, dann haben wir gewonnen.«
bis 45:55 – Pohlmann: »Die warten darauf endlich losschlagen zu können und werden von diesen Weichei-Politikern daran gehindert. Da ist das ganze Militär, das sagt: ›Gefahr auf Leben und Tod, und die Politik ist zu weich; wir müssen jetzt die Entscheidung treffen: Lasst uns die Sowjets vernichten, solange es noch geht!‹ […] 1954 gibt es Flüge in den sowjetischen Luftraum, und da sagt LeMay: ›Wenn wir diese Überflüge [Eindringflüge in den sowjetischen Luftraum] richtig machen, dann können wir mit dem 3. Weltkrieg loslegen.‹«}

Gruppe42
Am 16.05.2018 veröffentlicht 
"Der Staat - das klingt in unseren Ohren nicht unbedingt freundlich, aber es klingt nach Recht und Ordnung. In der Schule und an der Universität erfahren wir von den ehernen Regeln der Demokratie. Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Wahlen, parlamentarische Repräsentanz, alles scheint altehrwürdig und wohlgeregelt im Staats und Verfassungsrecht. Bis in die Details und bis in die letzten Winkel ist festgelegt, wer nach welchen Regeln für was zuständig und verantworlich ist. Dass daran nicht gerüttelt wird, dafür sorgt die Demokratie, sie bezeichnet sich selbst gerne als „wehrhaft“.
Da ist ein Begriff wie „Deep State“ oder „Dualer Staat“ störend. Er legt nahe, dass es neben dem bekannten, demokratisch legitimierten Staat noch einen anderen gibt, der nicht gewählt wird, der sich selbst ermächtig, der eingreift, wann es passt. Aber wann? Wer bildet ihn? Was tut er? Wann tötet er? Warum liest man darüber so wenig? Und warum beschäftigen sich „seriöse“ Medien damit eigentlich überhaupt nicht? Medien, Politiker und Universitätslehrer verweisen den Begriff des „parallelen Staates" gerne in den Bereich der „Verschwörungstheorien“.
Und doch ist er real. In allen Staatsformen, aber insbesondere in der Demokratie, gibt es im Unterschied zum normativen Ideal die realpolitische Existenz eines „Machtstaates“ oder „Maßnahmenstaates“, des "Deep State". Auch akademische Politologen und Rechtswissenschaftler haben sich damit beschäftigt, ausnahmslos Personen, die sich mit dem Widerspruch zwischen Realpolitik einerseits und der Idee des liberalen Rechtsstaates andererseits beschäftigt haben. Sie haben erkannt: Der „Deep State" hängt mit den Erfordernissen der Hegemonialmacht im „Grossraum“ zusammen.
Dementsprechend gibt es Länder, in denen der „Tiefe Staat“ Alltagswissen ist, z.B. die Türkei oder Italien. Dort ist die Realität des parallelen Staates so unübersehbar zutage getreten, dass auch Staatspräsidenten von ihm reden - müssen. Und es gibt Länder, in denen man in öffentlichen Ämtern nicht von ihm sprechen kann, ohne Reputation und Karriere zu riskieren.
Die staatstragenden Kräfte vieler Länder blenden diese Realität deshalb weiter aus. Oder sie versuchen es zumindest. Aber auch in diesen Ländern ist der „Deep State“ aktiv geworden. Nicht nur in Vasallenstaaten, sondern auch im Zentralreich des Hegemons selbst.
Anhand praktischer Beispiele legt der Journalist Dirk Pohlmann praktisch und theoretisch dar, was es mit dem "Deep State“ auf sich hat. Sein Vortrag ist eine Mischung aus staatsrechtlicher Analyse und Bericht, wann und wo der Deep State sichtbar geworden ist. Ein spannendes Thema, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Es ist besser, darüber Bescheid zu wissen, als nur die Konsequenzen verständnislos erleben zu müssen.
https://gruppe42.com/
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