Samstag, 10. August 2019

Die Entwicklung des Neoliberalismus aus der Perspektive Deutschlands – Die Nachkriegszeit



Heute ist der Neoliberalismus ein Projekt der radikalen Umwälzung der menschlichen Ordnung unter rein ökonomischen Kriterien, das sich zwangsläufig auf staatliche Maßnahmen stützen muss. Marco Wenzel zeichnet für die NachDenkSeiten in einem ausführlichen Fünfteiler nach, wie der Neoliberalismus seinen Siegeszug antreten und in Deutschland Fuß fassen konnte.

Der Zweite Weltkrieg

Wie alle Kriege hatte auch der Zweite Weltkrieg wirtschaftliche Ursachen. In den USA hatte ein ungezügelter Finanzkapitalismus durch Spekulationen an der Börse zum Schwarzen Freitag und zum Zusammenbruch der Wirtschaft geführt. Diese Welle schwappte auf Europa zurück. Besonders Deutschland war infolge der Reparationszahlungen, die der Versailler Vertrag dem Land auferlegt hatte, schwer davon betroffen. Als nun die USA auch noch die Rückzahlung ihrer Kredite verlangte, traf es die deutsche Wirtschaft ins Mark.

Die Reaktion der Politik beiderseits des Atlantiks auf die Krise waren harte Sparmaßnahmen und Kürzungen der Sozialleistungen, unterm Strich alles Maßnahmen, die die Krise noch verschärften. Die Wirtschaft brach gänzlich zusammen, die Arbeitslosigkeit stieg ins Unerträgliche, Hunger und Verzweiflung breiteten sich aus. In den Vereinigten Staaten konnte Roosevelt als neu gewählter Präsident aber ab 1933 die USA durch seine Politik des New Deal aus der Krise führen. Die Staatsausgaben und die Löhne wurden erhöht, Arbeitsbeschaffungsprogramme wurden aufgelegt, erste Ansätze eines Sozialstaates wurden geschaffen und um weiteren Spekulationen das Wasser abzugraben, wurde das Trennbankensystem eingeführt.

In Deutschland dagegen setzten die sich immer rascher abwechselnden und ratlosen Regierungen der Weimarer Republik weiterhin auf Sparmaßnahmen und bildeten damit den Nährboden für den braunen Sumpf, der den Menschen rasche Genesung versprach und ihnen anfangs auch brachte. Allerdings nur für seine arischen Anhänger, alle anderen blieben auf der Strecke. Zudem trug die Großindustrie eine erhebliche Mitverantwortung am Aufstieg und an der Machtübernahme Hitlers, was nach dem Krieg nicht gerade zu ihrem guten Ruf beitragen sollte. Und so kam es zur Katastrophe.

Kriegsende

Ohne D-Day und die Landung der Alliierten in der Normandie im Juni 1944 wäre Europa nach Kriegsende wahrscheinlich sozialistisch geworden. Denn Hitlerdeutschland war zum Zeitpunkt der Landung der Alliierten bereits militärisch besiegt und die rote Armee rückte unaufhaltsam nach Westen vor. Die Kapitulation Deutschlands war nur noch eine Frage der Zeit, ob mit oder ohne zweite Front. Das wussten auch die USA und die Entscheidung zum aktiven Eigreifen in Europa dürfte von der Angst hergerührt haben, zu spät zu kommen und der Sowjetunion allein das Feld überlassen zu müssen.

In der Tat hatten die USA schon Jahre vor 1945 Kontakte zu Widerstandsgruppen innerhalb als auch außerhalb Deutschlands. Sie bevorzugten dabei die konservativen, bürgerlich-liberalen Kreise. Denn es ging um die Frage, wie ein Europa nach Hitler aussehen sollte. Für die USA war dabei stets klar: Das System sollte erhalten bleiben, nur ohne die Nazis. Und auch Deutschland sollte dabei wieder eine Rolle spielen. So lange die Alliierten unter Führung der USA aber nicht auf dem Festland verankert waren, durfte Hitler auf keinen Fall gestürzt werden. Es musste erst sichergestellt sein, dass nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches prowestliche, prokapitalistische Kräfte an die Macht kommen würden (vgl. Artikel von Werner Rügemer).

Denn sonst bestand, so befürchteten die Alliierten, die akute Gefahr, dass Europa „rot“ werden könnte. Das „Ende der Geschichte“, das die Bourgeoisie nach dem Zusammenfall der Sowjetunion und des Warschauer Paktes im Jahre 1990 frühzeitig bejubelten, wäre dann schon 1943-44 gekommen. Nur unter anderem Vorzeichen.

Aber auch das muss hier gesagt werden: Ein „rotes“ Europa war auch nicht im Interesse der sowjetischen Stalinbürokratie, die die Macht in der Sowjetunion unter kommunistischem Vorzeichen usurpiert hatte und die dann befürchten musste, ihre Macht wieder an die Arbeiterklasse abgeben zu müssen. Auch sie sabotierte jeden Widerstand gegen Hitler, sobald er von links kam. Es ist kaum ein Zufall, dass Stalin die Kommunistische Internationale, die 1919 auf Initiative Lenins gegründet worden war und die sich als Ziel die proletarische Weltrevolution auf die Fahnen geschrieben hatte, gerade 1943 von Stalin überraschend und ohne Begründung aufgelöst wurde. Warum, ist heute klar: die proletarische Weltrevolution stand nicht mehr auf der Agenda der Sowjetbürokratie. Der eigene Machterhalt und die damit verbundenen Privilegien waren wichtiger geworden als die Interessen des internationalen Proletariats. Weder auf die Unterstützung der USA noch auf die der Sowjetunion konnten die linken Widerstandskämpfer während des Krieges demnach zählen.

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