Samstag, 10. August 2019

Steve Maia Caniço: Persilschein für die französische Polizei

Nach einem Polizeieinsatz in Nantes stirbt ein junger Mann. Die versprochene transparente Aufarbeitung ist eine Farce.
Der Tod von Steve Maia Caniço ist in ganz Frankreich zum Sinnbild für Polizeigewalt geworden. Der 24-jährige Erzieher besuchte Ende Juni ein Festival für Fans von elektronischer Musik an der Loire in Nantes. Die Polizei löste die Feier gewaltsam auf. 
Auf Videos ist zu sehen, wie Polizisten mit Knüppeln auf Menschen einprügeln. 33 Tränengas- und Lärmgranaten sowie 10 Gummigeschosse wurden gemäss einem Untersuchungsbericht auf die jungen, feiernden Menschen abgefeuert. In der folgenden Panik stürzten 14 Personen in die Loire. 13 konnten gerettet werden. Nur nicht Steve Maia Caniço. Sein toter Körper wurde erst rund fünf Wochen später gefunden.
Versprochene Transparenz verkommt zur Farce
Am 3. August demonstrierten knapp 2000 Menschen vor der Polizeizentrale in Nantes. In zahlreichen weiteren Städten, zum Beispiel in Paris, Montpellier, Toulouse und Perpignan, gedachten hunderte Menschen, darunter auch Anhänger der Bewegung der «Gelben Westen» dem jungen Mann und forderten ein Ende der Polizeigewalt in Frankreich.
Denn der Tod von Steve Maia Caniço ist kein Einzelfall. Immer wieder steht die französische Polizei wegen übermässiger Gewaltanwendung in der Kritik. Immer wieder versprechen französische Politikerinnen und Politiker, die Geschehnisse transparent aufzuarbeiten. Und immer wieder stossen die Verantwortlichen bei ihren Ermittlungen auf systematischen Widerstand. So auch beim Todesfall von Steve Maia Caniço. Nach einer internen Ermittlung der nationalen Inspektionsbehörde der Polizei (IGPN) kommt die Behörde in einem 276-seitigen Bericht zum Schluss, dass zwischen dem Tod des 24-Jährigen und dem Einsatz der Ordnungskräfte «keine Verbindung» bestehe. 
Ein Persilschein für die französischen Einsatzkräfte. Viele Französinnen und Franzosen fragen sich, ob das die «Transparenz» ist, die Premierminister Édouard Philippe und Innenminister Christophe Castaner bei der Aufarbeitung des Falls versprochen haben.
mehr:

Steve Maia Caniço: Persilschein für die französische Polizei (Tobias Tscherrig, Info-Sperber, 07.08.2019)
siehe auch:
Gelbwesten: Das elfte WE in Folge, postfaktische Teilnehmerzahlen, Mißhandlungen und ein Beispiel rar gewordener sozialer Intelligenz (Post, 27.01.2019)
- Immer noch G20: Die Verfolgung von Aktivisten (Post, 27.01.2019)

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Im Verlauf von Ausschreitungen, die sich an eine Demonstration von Globalisierungskritikern gegen den G8-Gipfel in Genua anschlossen, wurde auf der Piazza Gaetano Alimonda ein Polizeiwagen von Demonstranten mit Holzbalken, Feuerlöschern und anderen Gegenständen attackiert. Als einer der Polizisten mit seiner Pistole aus dem von Demonstranten eingeschlagenen Rückfenster zielte, flüchteten mehrere der Angreifer. Carlo Giuliani, der ebenfalls zu einer Gruppe von gewaltbereiten Demonstranten gehörte und mit einer Sturmhaube vermummt war, bewegte sich in diesem Augenblick mit einem Feuerlöscher, welchen er mit beiden Händen über seinen Kopf hielt, auf das Polizeifahrzeug zu.[2][3][4] Von zwei abgegebenen Schüssen traf eine Kugel Giuliani in den Kopf.[5] Giuliani stürzte knapp hinter dem Fahrzeug zu Boden, welches ihn dann sowohl beim Zurücksetzen als auch beim Wegfahren überrollte.[6][…]Der Polizist berief sich auf Notwehr, da er sich vor dem mit dem Feuerlöscher angreifenden Giuliani habe schützen müssen. Das Strafverfahren gegen den Carabiniere wurde im Mai 2003 eingestellt. Die Richterin berief sich auf ein ballistisches Gutachten, demzufolge der Schuss, der Giuliani getötet hat, in die Luft abgegeben wurde, von einem Stein abprallte und erst deshalb Giuliani tödlich getroffen habe. Teile der globalisierungskritischen Bewegung und Giulianis Eltern bezweifeln diese Darstellung und verweisen auf Videoaufzeichnungen, die nahelegen, dass der Schütze unmittelbar vor den Schüssen waagrecht direkt auf die Angreifer zielte.[8]
[Carlo Giuliani, Todesumstände, Wikipedia, abgerufen am 10.08.2019 – Hervorhebung von mir]
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