Dienstag, 25. August 2020

Tinder und die romantische Liebe

Wissenschaftler untersuchten Persönlichkeitszüge der Nutzer und ob sie ein Jahr später in einer romantischen Beziehung waren

Die Rate der Singles und kinderlosen Menschen steigt bekanntlich seit Jahren in vielen westlichen, aber auch in asiatischen Ländern. Vor allem die dynamischen, globalisierten Großstädte sind oft auch Single-Hauptstädte. Das lässt, oberflächlich betrachtet, bereits am Erfolg des Online-Datings zweifeln. Denn das gibt es ja nun immerhin schon seit über 20 Jahren. Ist es also doch nicht so einfach, mit dem Klicken, Wischen und Chatten den Traumpartner oder die Traumpartnerin zu finden?

Zudem ist für die Unternehmen, die mit Online-Dating ihr Geld verdienen, die Partnersuche lukrativer als die Beziehungsfindung. Marktwirtschaftlich gesehen springt für die Plattformbetreiber am meisten dabei heraus, wenn sie ihre User langfristig binden können. Dafür muss natürlich der Erfolg zum Greifen nah sein, vor allem dann, wenn Userinnen und User für den Service bezahlen. Wenn also die Branche wächst, gleichzeitig aber auch die Rate der Singles, dann scheint das Bild vom Esel zutreffend, der ewig der Karotte am Stock hinterherläuft, ohne sie jemals zu kriegen.

Alternativ könnte es natürlich auch sein, dass viele Nutzer gar nicht nach festen Beziehungen aus sind, sondern eher nach flüchtigen Kontakten suchen, Stichwort "Casual Dating". Warum sich auch langfristig binden, wenn ein paar Klicks weiter schon eine viel bessere Partnerin, ein viel besserer Partner warten könnte? Beziehungen, in denen beide Partner (wissentlich) weiter nach einem besseren Match suchen, passen natürlich in die Welt der Selbstoptimierer. Denn in dieser ist der Status quo ja nie gut genug (Der Preis fürs "perfekte Leben").

Die psychologische Kraft des Traums vom perfekten Match sollte man nicht unterschätzen. An der Sozialgeschichte des Datens, das so erst um 1900 entstand und mit der Landflucht zu tun hatte, lässt sich übrigens ablesen, wie stark ökonomische Rahmenbedingungen unser soziales Netzwerk prägen. Hierzu schrieb die Harvard-Historikerin Moira Weigel in jüngerer Zeit ein interessantes Sachbuch ("Labor of Love: The Invention of Dating", 2016), allerdings mit einem starken Schwerpunkt auf die USA.

mehr:
- Führt die bekannte Dating-App Tinder zum Beziehungserfolg? (Stephan Schleim, Telepolis, 24.08.2020)
siehe auch:
- Keine Lust mehr auf Beziehung? (Post, 05.02.2019)
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