Dienstag, 1. September 2020

Corona: Das immer deutlicher beschädigte Vertrauen in eine gute Ordnung der Dinge.

Ich war bei der Querdenkerdemonstration am 29. August in Berlin dabei. Ich habe Eindrücke mitgebracht, meinen persönlichen Ausschnitt der Wirklichkeit, fragmentiert, ich habe gesehen und gehört, was in meiner Reichweite lag. Auf dem Weg zur Demonstration kam ich an einer christlichen Gruppe mit israelischen Fahnen vorbei, an Menschen aus dem Alternativmilieu, an einer Gruppe mittelalter Männer und Frauen, die gedruckte blaue Plakate trugen, ich dachte, es wären AfD Anhänger, aber sie gehörten zu einem Motivationstrainer. An vielen Menschen mit selbstgebastelten Schildern, von originell bis politisch. Es gab auch schwarzweißrote Fahnen, zwei Frauen, die sich in US Fahnen eingewickelt hatten, sie waren Trump und Q-Anon Anhänger und hielten ein Schild „Trust the Plan“ hoch. Die allermeisten Demonstranten aber waren Menschen aus der Mitte der Gesellschaft, wie das im Phrasendeutsch der Wahlkämpfe heißt. Die Stimmung war trotzig gut gelaunt, sie erinnerte mich an die Friedens- und Umweltdemos meiner Jugend. Das war kein gutes Gefühl. Denn dazu gehörte die Erfahrung der Staatsgewalt, im Wortsinn, das Gefühl des Ausgeliefertseins, der Geruch von Tränengas, und das immer deutlicher beschädigte Vertrauen in eine gute Ordnung der Dinge. So wie jetzt auch wieder.

Ich stand lange auf der Straße Unter den Linden hinter dem Brandenburger Tor, vor der russischen Botschaft. Eingekesselt, eingepfercht wie eine Schaf in der Herde, wie ein Tier im Zookäfig. Zwangsweise ruhiggestellt und zusammengedrängt von der Polizei, die alle Querstraßen abgeriegelt hatte, und dann per Lautsprecher forderte, dass die Menschenmenge den Mindestabstand einhalten solle. Sonst… Genauso gut hätte man die Menge auffordern können, zu schweben.

Ich hoffte immer noch darauf, dass der Demonstrationszug sich in Bewegung setzen würde, was es erleichtert hätte, Abstand zu halten, bereits ahnend, dass es nicht so kommen würde. Dann beobachtete ich den Aufmarsch der Polizei, und das Erfahrungswissen kam hoch. Déjà vu.

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