Samstag, 10. Oktober 2020

Der Fall Nawalny und der Informationskrieg

Eigentlich müssten nur die in Russland und Deutschland entnommenen Blut- und Urinproben unabhängig geprüft werden. Derweil versinkt die Flaschen-Hypothese des Nawalny-Teams in Fake-News-Dimensionen, während der OPCW-Befund wohl gezielt vage blieb

Alexei Nawalny, der sich als Opfer eines von Wladimir Putin angeordneten Mordanschlags mit Nowitschok sieht, zieht derzeit alle Register, um in den Schlagzeilen zu bleiben. Der Angriff auf Ex-Bundeskanzler Schröder, den er als "Laufbursche Putins, der Mörder schützt", bezeichnete und ihn beschuldigte, "verdeckte Zahlungen" zu erhalten, dient alleine dazu, ihn im Gespräch zu halten. Schröder weist dies zurück und will gegen Bild deswegen rechtlich vorgehen. Er sagte aber auch: "Der Mordversuch an Herrn Navalny mit Gift muss von den zuständigen russischen Behörden transparent untersucht werden." Nawalny macht daraus: "Das heißt, Putins Freund und Vertrauter, der den Vorstand von Rosneft leitet, hat keinen Zweifel daran, dass ich mit Gift vergiftet wurde, und nennt den Vorfall nichts weiter als einen Mordversuch."

Die russische Regierung bzw. Generalstaatsanwaltschaft hat sich in der Tat in eine schwierige Position gebracht und bislang keine Strafermittlung begonnen, es gab nur Vorermittlungen. Der Grund: Es gebe in Russland keine Beweise für eine Vergiftung. Das betonte auch gestern wieder Außenminister Lawrow: "Wir können keinen Fall untersuchen, über den wir keine Fakten haben." Die von Nawalny entnommenen biomedizinischen Proben, so die russische Seite würden auf kein Gift hinweisen, auch auf keine Organophosphate, zu denen auch Nowitschok-Verbindungen gehören. Deswegen gebe es keinen Hinweis auf ein Verbrechen. Das ist formaljuristisch sicher richtig, wenn man unterstellt, dass die in Omsk analysierten Proben tatsächlich keinen Nachweis auf ein Gift zeigen.

Nawalny stellt sich provokativ auf den Standpunkt, dass Russland keine Proben von ihm erhält, die in Berlin genommen wurden, weil sie doch genug in Omsk genommen hätten. Aber es ginge darum, die Proben aus Deutschland und aus Russland zu vergleichen und gleichzeitig noch einmal zu analysieren. Damit könnte man Russland der Lüge überführen und tatsächlich einfordern, dass strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden müssen. Das aber scheinen weder Nawalny noch die Bundesregierung zu wollen. Nachweisen ließe sich, dass Urin- oder Blutproben von Nawalny stammen, aber ließe sich auch erkennen, ob sie anderweitig manipuliert wurden, um beispielsweise Biomarker zu entfernen. Gibt es Experten, die das für Telepolis aufklären können?
mehr:
- Informationskrieg über mutmaßliche Nawalny-Vergiftung (Florian Rötzer, Telepolis, 10.10.2020)
siehe auch:
Nawalny und die Laufburschen der USA (Tobias Riegel, NachDenkSeiten, 09.10.2020)
- Der Fall Skripal: Die Gift-Lügen (Post, 18.08.2019)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen