Samstag, 20. September 2008

Honorardiktat – Was unterm Strich übrig bleibt












Dr. Dr. Peter Schlüter, Facharzt für Allgemeinmedizin, Hemsbach


So langsam müssen die gesetzlichen Krankenkassen erkennen, dass die Pauschalierung von Leistungen so einfach nicht ist. Der Grund: Das Leistungsspektrum der einzelnen Praxen einer Fachgruppe ist viel zu unterschiedlich und differenziert. Zudem ist in einem komplett pauschalierten Abrechnungssystem für die Finanziers des Systems nicht mehr zu erkennen, welche Leistungen in welchem Umfang von den Leistungserbringern auch wirklich noch erbracht werden.

Spitzenverband zieht meine Grenze
Gerade zu diesem Zeitpunkt wird von Frau Pfeiffer auch noch gesagt, dass die durchschnittlich 120.000 Euro Jahreseinkommen für die Ärzte genug sind. Wie hat sie das gemeint? Jahreseinkommen? Umsatz? Honorar? Gewinn? Vor Steuern? Nach Steuern?

Wenn ich davon ausgehe, dass Frau Pfeiffer Honorar gemeint hat, dann lässt sich jetzt einfach berechnen, was uns Ärzten zusteht. Bei einem Kostensatz von plus/minus 50 Prozent bleibt ein Gewinn von 60.000 Euro vor Steuern. Davon bleiben, je nach steuerlicher Veranlagung, durchschnittlich 33.000 bis 38.000 Euro übrig. Gehe ich – der einfachen mathematischen Überlegungen wegen – von rund 36.000 Euro aus, so sind das 3.000 Euro pro Monat. Davon bestreite ich meinen Lebensunterhalt.

Okay, könnte man jetzt sagen, das ist doch gar nicht so schlecht. Doch halt! Die Altersvorsorge, nicht nur die Zwangsmitgliedschaft in der ärztlichen Versorgungsanstalt (diese Altersversorgung reicht später zum Leben sowieso nicht aus), sondern zusätzlich die private Altersvorsorge ist zusätzlich zu leisten. Wenn ich Urlaub mache, sistieren meine Umsätze, das heißt, ich habe kein Einkommen, denn diese Zeit bezahlt mir niemand. Als Hausarzt benötige ich ein Auto, um Hausbesuche durchführen zu können. Um dieses steuerlich absetzen zu können, muss ich, wenn ich Pech habe, auch noch ein Fahrtenbuch führen.

Vergleichen wir doch mal, Frau Pfeiffer!
Frau Pfeiffer hingegen ist Angestellte, und das noch im öffentlichen Dienst: festes Gehalt und kein Stress wegen Arzneimittelregress oder Honorarregress, dafür aber Anspruch auf bezahlten Urlaub. Das dürften fünf bis sieben Wochen im Jahr sein. Dienstfahrzeug ist selbstverständlich, Benzinkosten inklusive. Ortszuschlag. Wochenendzuschlag, Arbeitsessen, alles Beträge, die ich als Arzt selbst tragen muss.

Andere Rechnung, undurchsichtiger Durchschnitt
Halte ich Frau Pfeiffer zugute, dass sie wirklich Einkommen gemeint hat, dann wären es monatlich rund 6.000 Eure, die sie uns Ärzten zugesteht – durchschnittlich –, wohlgemerkt! Durchschnittlich bedeutet, dass hier eben auch Orthopäden, Laborärzte und Radiologen einberechnet sind, die auf der Einkommensskala das obere Drittel besiedeln. Das wiederum sind Größenordnungen, die den Durchschnitt deutlich anheben.

EBM-Reformen machen’s obsolet
Wie dem auch sei, ich habe meine Abrechnung des ersten Quartals 2008 in den Händen. Der neue EBM beschert uns Hausärzten wieder einmal einen Umsatzrückgang von 15 bis 20 Prozent! Da klingt es wie Hohn in meinen Ohren, wenn ich an die Aussage des früheren Bundesgesundheitsministers Horst Seehofer denke, der da sagte: „Ich kenne keine Berufsgruppe, die über eine gesetzlich garantierte Einkommenssteigerung verfügt!“ Da hat er recht.

Doch die Bindung des Honorarvolumens an die Steigerung der Grundlohnsumme wird erst wirksam, wenn die Grundlohnsumme wirklich steigt. Wobei diese durch die ständigen EBM-Reformen mehr als ausgehebelt wird.

Zehn bis 20 Prozent weniger Umsatz bescherte uns der EBM 2008. Da ist der Durchschnitt von 120.000 Euro schon Geschichte. „120.000 Euro Einkommen sind genug“ – basta! Doris Pfeiffer, Angestelltengehalt circa 187.000 Euro.

aus „Der Kassenarzt“ Nr. 16, September 2008

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