Freitag, 28. August 2015

Verteilungskampf der Etablierten

Ein Kommentar zum Querfront-Gutachten 

Alternative Öffentlichkeit ist das Thema der Studie Querfront – Karriere eines politisch-publizistischen Netzwerks, die Wolfgang Storz für die "Otto-Brenner-Stiftung" erstellt hat. Es geht darin hauptsächlich um die Zeitschrift "Compact", den Kopp Verlag und Ken Jebsen alias KenFM sowie die "Montagsmahnwachen".
Der Tenor der Studie ist erwartbar, die aufgezählten Themen aus dem Spektrum der genannten Organe und Personen kennt man, wenn man sie selbst liest. Storzʼ Arbeit ist insofern eine Handreichung für diejenigen, die Jürgen Elsässers Compact, KenFMs YouTube-Videos oder die Kopp-Bücher und -Texte bisher nicht lasen und nach Gründen für den Vertrauensverlust in etablierte Medien suchen.

Die Studie ist, der Form entsprechend, weitgehend auf Sachinformationen beschränkt. Am Rande kommt es dann zu Schlussfolgerungen wie:

►Unter kommunikativen Aspekten folgen alle Akteure ausgesprochen selten dem Diskurs-, sondern zumeist dem Verlautbarungs- und Agitationsmodell.◀︎

Hmm. Sollte Storz es im Kern entgangen sein, dass KenFM meist ein- bis zweistündige Interviews kostenlos ins Netz stellt, die hochinteressante Informationen enthalten, die in öffentlich-rechtlichen und kommerziellen Massenmedien bisher allenfalls am Rande oder gar nicht vorkamen – und dort, wo sie noch vorkommen, von der Trivialisierung und Dudelfunkisierung effektiv bedroht sind?

Sollte es ihm schon aufgefallen sein, dass man die etablierten TV-Talkshows mit etwas mehr Bewusstsein und Hintergrundwissen kaum noch ertragen kann (auch wenn sie sicherlich noch ein Motor politischer Information überhaupt sind)? Dass die dort gepflegten Kommunikationsformen aber in jedem Fall an der Grenze des Erträglichen sind, was Roboterhaftigkeit des Sprechens, Standardisierung der Argumente, zeitliche Komprimierung auf undifferenzierte Nullaussagen und Unterbrechungen von Gedankenketten betrifft? Dass für ein Millionenpublikum eine Überprüfung von Aussagen leider auch im "Faktencheck" von "Hart aber fair" immer wieder zweifelhaft ausfällt?

Die Aufzählung von Themen von Compact, Kopp und KenFM, die Storz unter ein solches "Agitationsmodell" fasst, wirken einigermaßen hilflos. Man schaut sie durch und fragt als Unbefangener: Ja … und? Es sind doch zu 90 % wichtige Themen, berechtigte Fragen, die oft im Mainstream unterrepräsentiert sind (oder, wie gesagt, früher öfter vorkamen, heute aber seltener). Dies ist begleitet von der Erfahrung, dass erst Jahre, nachdem die Alternativen über laufende und kommende Probleme der Migrationspolitik oder des Überwachungsstaates informierten, die Etablierten plötzlich überfüllte Flüchtlingsheime und die ‚Enthüllungen‘ eines Julian Assange oder Edward Snowden als Novität und akutes Problem verkaufen.

mehr:
- Verteilungskampf der Etablierten (Daniel Hermsdorf, Telepolis, 26.08.2015)


»Zynismus ist das aufgeklärte falsche Bewußtsein. Es ist das modernisierte unglückliche Bewußtsein, an dem Aufklärung zugleich erfolgreich und vergeblich gearbeitet hat. Es hat seine Aufklärung gelernt, aber nicht vollzogen und wohl nicht vollziehen können. Gutsituiert und miserabel zugleich fühlt sich dieses Bewußtsein von keiner Ideologiekritik mehr betroffen, da seine Falschheit bereits reflexiv gefedert ist.« (Peter Sloterdijk, Kritik der zynischen Vernunft, Verlagstext)

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