Donnerstag, 24. September 2015

Heute vor 40 Jahren – 24. September 1975… Premiere von »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«

„Ganz abgesehen vom ganzen Drumherum und der politischen Situation . . . Was bleibt, ist das Porträt dieser Frau . . . Machtstrukturen gibt es überall. In anderen Ländern hat das Publikum da einen anonymen Apparat gesehen, der das Individuum Katharina Blum erdrückt, aber sie konnten das übertragen, weil sie von vornherein mit der Frau, mit dem Porträt dieser einzelnen, gewerbstätigen, lohnabhängigen, einsamen Frau, die aber trotzdem so eine Gradheit hat, die sich an ihre Ehre klammert - das konnten sie verstehen. Warum ist die Ehre gerade für einen mittellosen Menschen, der kein großes Einkommen und kein großes Haus und kein dickes Auto hat, so wertvoll? Weil es das Einzige ist, was er hat. Das ist das Bild von ihm. Er kann mit seinem Bild keine Kompromisse machen. Das ist, was ihm wichtig sein muss, er kann sich nicht verschanzen hinter irgendeinem Reichtum und eine Fassade aufbauen.“ [Volker Schlöndorf 1975 in einem Interview]
mehr:
- „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ – Ein Mensch, gefangen in einer kapitalistischen Welt (FAZ, 24.09.2015)

siehe auch:
- Heinrich Böll: Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder: Wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann (DieterWunderlich, 2002)
Es geht um ein Massenblatt, das skrupellos Informationen über eine zu Unrecht als Mitglied einer linksradikalen Terroristengruppe verdächtigte 27-jährige Hausangestellte zusammenträgt und veröffentlicht, nicht vor Verdrehungen und hetzerischer Meinungsmache zurückschreckt und auf diese Weise die bürgerliche Existenz des Opfers zerstört. Die Erzählung handelt auch von Polizeibeamten und Staatsanwälten, die das Privatleben einer wehrlosen Verdächtigen respekt- und rücksichtslos durchleuchten. Auf die entwürdigende Behandlung und das übermächtige System reagiert das Opfer anfangs mit Fassungslosigkeit, am Ende mit verzweifelter Gegengewalt.

Vor dem Hintergrund der Hysterie über den Terrorismus der RAF protestiert Heinrich Böll mit der Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" gegen den Menschen verachtenden Sensationsjournalismus und nicht zuletzt gegen den Missbrauch der Staatsgewalt sowie die korrumpierenden Verflechtungen zwischen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Medien, Polizei und Rechtsprechung.
siehe auch:
- Bild-Zeitung und USA gegen die Welt: Schwanzus longus und Incontinentia oder: Die Angst innen und die Angst außen (Post, 20.09.2015)
- 68er-Revolte und Ukraine-Krise: Die Identität des Westens und der Kampf um die Deutunghoheit oder Der Unterschied zwischen Pudding und Sprengstoff (Post, 27.06.2015)

Die verlorene Ehre der Katharina Blum [2:54]

Veröffentlicht am 02.05.2013


Und den bislang gültigen Gebrauch
der Namen für die Dinge
vertauschten sie nach ihrer Willkür:
unbedachtes Losstürmen galt nun
als Tapferkeit und gute Kameradschaft,
aber vordenkendes Zögern
als aufgeschmückte Feigheit,
Sittlichkeit
als Deckmantel einer ängstlichen Natur,
Klugsein bei jedem Ding
als Schlaffheit zu jeder Tat […]
Wer schalt und eiferte,
galt immer für glaubwürdig,
wer ihm widersprach, für verdächtig.
(Thukydides, 454 v. Chr. - ca. 398 v. Chr., Geschichte des Peloponesischen Krieges)

Dokumentation - Heinrich Böll und die 70er Jahre, Reaktionen auf den Kommentar von Matthias Walden [14:18]

Veröffentlicht am 03.10.2013
Ein schönes Zeitdokument aus den 70ern. Mit einem Ausschnitt aus dem berüchtigten Kommentar von Matthias Walden.
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