Kaum ist die Regierung Jair Bolsonaro einen Monat im Amt, schon steht sie im Mittelpunkt eines Skandals, der von massiver Geldwäsche bis zur Verbindung mit Verbrecher-Syndikaten reicht, die mehrheitlich von ehemaligen oder noch beamteten Polizisten der berühmt-berüchtigten und verfilmten “Elitetruppe” der Polizei Rio de Janeiros kontrolliert werden.
Schlimmer noch: Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und kritischen Medien beweisen vielfältige Verstrickungen des Präsidenten-Sohns und gerade gewählten Senators Flávio Bolsonaro in den Mitte März vergangenen Jahres verübten Mordanschlag auf die Stadtverordnete Marielle Franco. Allerdings, als selbst konservative brasilianische Medien den Fall wochenlang als Aufmacher ihrer TV-Nachrichtensendungen und ihrer Titelseiten beharrlich der Öffentlichkeit präsentierten, kamen seiner Klärung, insbesondere der längst fälligen Anklage des Präsidentensprößlings, zwei rettende Ereignisse in die Quere, die mit dem Skandal vorübergehend um die Schlagzeilen konkurrierten.
Zum einen der Dammbruch von Brumadinho mit seinen mehr als 300 Todesopfern, zum anderen die Einlieferung des Präsidenten zur chirurgischen Entfernung eines Kolostomiebeutels, den Jair Bolsonaro seit dem auf ihn angeblich ausgeübten Attentat vom September 2018 als künstlichen Darmausgang benutzte. Die einschränkende Wortwahl „angeblich“ ist deshalb empfohlen, weil selbst an der vermeintlichen Messerattacke auf den damaligen Präsidentschaftskandidaten in Brasilien mittlerweile ernsthafte Zweifel gehegt werden. Keine Blutspuren, umso mehr viele offene Fragen, weswegen ein akribisch-investigativer Dokumentarfilm die Möglichkeit einer politisch-medialen Inszenierung erwägt, die die Wahl des seit Jahren darmerkrankten Bolsonaro befördern sollte.
Was aber bedeutet das Schweigen und die Untätigkeit des Ex-Richters und seit dem 1. Januar 2019 amtierenden Justizministers Sérgio Moro? Mehrfach von lokalen Medien auf den Fall Flávio Bolsonaro angesprochen, redete sich die Ikone der Korruptionsbekämpfung bereits Anfang Januar mit dem fadenscheinigen Hinweis heraus, der Präsident habe „den Fall geklärt“. Was absolut nicht stimmte. Im Gegenteil: Je mehr der frischgewählte, rechtsradikale Ex-Hauptmann die Affäre von sich abzuwenden versuchte, umso konfuser und suspekter wirkte sie danach.
„Er ist über die Maßen zynisch!“, kommentierte der nordostbrasilianische Richter im Ruhestand, Marcelo Tadeu Lemos de Oliveira, die Haltung des neuen Justizministers. Nach Meinung Oliveiras sollte Moro sich schämen und seinen Hut nehmen, wenn er seine Legende retten wolle. „Entweder die falsche Legende oder den scheinheiligen Glanz. Weil er jetzt wegen seiner Haltung völlig demoralisiert wird. Dieser Richter Sergio Moro hat mich nie getäuscht!”, warnte der Kollege im Ruhestand.
mehr:
- Brasilien – Der Korruptionssumpf des Bolsonaro-Clans und seine Involvierung in das organisierte Verbrechen (Frederico Füllgraf, NachDenkSeiten, 06.02.2019)
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