Montag, 17. Dezember 2018

Pressecodex und Aufmerksamkeitssteuerung: »begründet« vs. »begründbar« – Wer macht sich darüber schon Gedanken?

„Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten.“ So veranschaulicht Sabine Schiffer das Dilemma unserer Aufmerksamkeitssteuerung. Denn fast jeder hat jetzt unwillkürlich einen rosa Elefanten vor Augen. In einem Vortrag, den die Sprach- und Medienwissenschaftlerin auf Einladung der jüdischen Gemeinde in Marburg gehalten hat, erläutert Schiffer, wie unbedarfte Sprache im Journalismus antisemitische Vorbehalte schüren kann. Wir dokumentieren den Vortrag hier im Wortlaut.

„Reden wir nicht nur, handeln wir lieber…“ Ein Satz wie dieser bezeugt, dass der Handlungscharakter von Sprache allgemein unterschätzt wird. Dabei kann man spüren, wie Schimpfworte und andere sprachliche Bösartigkeiten verletzen. Dass jedoch Sprechen Handeln ist, und was man mit sprachlichen und anderen Zeichen bewirken kann, ist spätestens seit dem Aufkommen der Sprechakttheorie von John L. Austin in Fachkreisen anerkannt.

Sprachliche und bildliche Zeichen steuern Aufmerksamkeit. Mit Zeichen lässt sich lenken - und zwar bewusst oder unbewusst. Fordere ich Sie auf „Denken Sie jetzt nicht an einen rosa Elefanten!“, dann lenke ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Vorstellung eines rosa Elefanten – auch, wenn ich diese Aufforderung explizit verneine. Unser Unterbewusstsein erkennt Verneinung nicht. Egal, wie man sich zu einem Sachverhalt äußert. Allein dadurch, dass man von etwas spricht, lenkt es Aufmerksamkeit und erklärt einen Sachverhalt damit für relevant. Und irrational, wie wir Menschen nun einmal sind, halten wir Dinge nicht zwingend für relevant, wenn sie wahr sind, sondern wenn sie möglichst oft wiederholt wurden. Es ist so banal, wie effektiv: Wiederholen ist überzeugen.

Inzwischen ist etwas mehr Wissen der Kognitionswissenschaft, also der Wie-das-menschliche-Gehirn-so-tickt-Wissenschaft, in die öffentliche Debatte gedrungen – etwa, wenn von Rahmung durch Kontext, auf Neudeutsch „Framing“ die Rede ist (vgl. George Lakoff/ Elisabeth Wehling). Die Debatte über das gefährliche Framing der „Hart-aber-Fair“-Redaktion bei einer Sendung mit dem Titel „Flüchtlinge und Kriminalität“ im Sommer 2018 hat gezeigt, wie wenig Bewusstsein über das Funktionieren sprachlicher Zeichen sogar bei Menschen vorhanden ist, die mit derlei Zeichen arbeiten. So twitterte die „Hart-aber-Fair“-Redaktion von Frank Plasberg folgende Antwort auf die Vorwürfe über den leichtfertigen Umgang mit Sprache und Ressentiments: „Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen. Wir versuchen das, was Menschen beschäftigt, so darzustellen, wie es ist.“

Diese Aussage offenbart ihre ganze Naivität darin, dass sie unterstellt, dass man Realität einfach abbilden könne – wobei man sich subjektiver Zeichen bedienen muss.
Ein Bewusstsein für die Konstruiertheit jedweder Darstellung – also für die eigenen Entscheidungen für Ausschnitte, Begriffe, Bilder und gegen andere ebenso mögliche – fehlt hier anscheinend völlig. Denn egal, wie schließlich die Sendung daherkommen wird und wenn sie als Hauptbotschaft hinausrufen sollte: „Flüchtlinge sind nicht krimineller als andere!“, so bleibt für das Gehirn eben nur die Verknüpftheit der beiden Hauptbedeutungen übrig – übertragen also die Botschaft vom rosa Elefanten.

Als besonders fatal erweist sich in diesem Kontext die Aufweichung der Richtlinie 12.1 des Pressekodex. Wo früher ein „begründeter“ Sachbezug zum berichteten Sachverhalt gefordert wurde, wird jetzt lediglich ein „begründbarer“ Sachbezug formuliert, der vom „begründeten öffentlichen Interesse“ abhängig gemacht wird. Wie sehr man sich einbilden kann, sachlich über „das, was ist“ zu debattieren, haben wir bei der Auseinandersetzung mit der „Hart-aber-Fair“-Sendung gesehen. Wie dehnbar „begründbar“ mit Bezug zu einer inzwischen algorithmisch gesteuerten Öffentlichkeit ausgelegt werden kann, lässt sich erahnen. Ohne Not und Verstand hat man das Prinzip aufgegeben, die Relevanz der Faktennennung am Sachverhalt zu orientieren. 
[
Sabine Schiffer, Sprache und Ausgrenzung, journalist magazin, 17.12.2018]
noch ein Beispiel für die Auswirkung »kleiner« Veränderungen gefällig?
In Wisconsin gab es [ungefähr 2015] etwa 170 Klagen betroffener Familien, deren Kinder wegen bleihaltiger Wandfarbe zum Teil schwer erkrankt waren.
Ihr Anwalt: »An diesem Punkt haben sie einfach ein paar Worte in ein Gesetz hineingeschrieben, nach Mitternacht, in den Haushaltsplan auf Seite 652. Sie haben dazugeschrieben, daß das Schadensersatz-Gesetz, das sie 2011 verabschiedet hatten, auch rückwirkend angewandt werden soll. Damit haben sie versucht, alle 170 bereits laufenden Verfahren gegen die Hersteller vom Tisch zu wischen.«
Vier Worte in einem mehr als 700 Seiten langen Gesetz…
[aus: USA - Die gekaufte Demokratie? – Trump die Alternative?, Post, Zusammenfassung – Transkript des ZDF-Zoom-Berichts »
USA - Die gekaufte Demokratie? ab 34:00]
siehe auch:
Presserat: Mal gilt der Pressekodex, mal gilt er nicht (Paul Schreyer, Telepolis, 26.07.2018)
"Todesgrüße aus Moskau": Presserat weist Beschwerde wegen Spiegel-Cover vorerst ab (Paul Schreyer, Telepolis, 05.06.2018)
Der Presserat ist Teil des Systems (Post, 05.06.2018)
Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges (Post, 05.07.2017)
Herkunft von Straftätern: Wenn ein "begründetes öffentliches Interesse" besteht (Post, 24.03.2017)
- Propaganda: »Luftangriffe« vs. »Angriffe« – für den Leser »vorinterpretiert« (Post, 10.12.2016)

mein Kommentar:
Diese (geringfügige?) Änderung des Pressecodex bedeutet für die transatlantische Mainstream-Propaganda einen Persilschein
Um mich juristisch abzusichern:
Die folgenden Texte haben mir den Texten oberhalb dieses Kommentars überhaupt nichts zu tun!! 
Ich möchte keinesfalls nahelegen, daß die Berichterstattung in unseren Mainstream-Medien, in der es um Syrien oder Rußland geht, in irgendeiner Weise tendenziös gefärbt sind! 
Ich versichere des weiteren, daß ich der oben zitierten Twitter-Meldung der »Hart-aber-fair«-Redaktion von Frank Plasberg (»Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen.«) uneingeschränkt Glauben schenke!



Immer wieder benutzt der SZ-Autor dieselbe Masche:
"Allein die Tatsache, dass eine Information in die Briefing-Unterlagen für den US-Präsidenten aufgenommen wird, gibt dieser Information jedoch zumindest einen Hauch von Authentizität."
Das ist der Satz, der die "Echtheit" der Quelle unterstellen soll. Mit dem nächsten Satz nimmt Hubert Wetzel zwar nichts zurück, aber er sichert sich ab:
"Vielleicht sind die Dokumente nur eine Ansammlung kruder Gerüchte, vielleicht stimmen aber auch alle Informationen."
Das beklagt Gellermann als eine JA-Aber-Methode, in der das Wort "Vielleicht" nur zur Verschleierung dient. Es sind dubiose Formulierungen wie
"Glaubt man dieser Darstellung, dann ist Trump nicht nur wegen des Sexvideos erpressbar, sondern als Politiker kaum mehr als eine Marionette von Präsident Wladimir Putin",
die den Duktus des Artikels ausmachen. Nach Gellermann verkommt hier der Konjunktiv zum Sprachwerkzeug der Meinungsmache.
[Medien-Konzern verfolgt Blogger strafrechtlich Die „Süddeutsche Zeitung“ zeigt Uli Gellermann wegen Beleidigung an, U. Gellermann, Rationalgalerie, 11.06.2018, Kursivsetzung und Absätze durch mich]

Jens Meinert (Blauer Bote):
Weitere Gerichtsverfahren gegen Stern/Bertelsmann (Post, 25.02.2018)
Der Blaue Bote im Gerichtsverfahren gegen den Stern (Post, 26.10.2017)

Ulrich Gellermann (Rationalgalerie):
- SÜDDEUTSCHE-Prozess verloren (Ulli Gellermann, Rationalgalerie, 18.06.2018)
Mein Kommentar:
Übrigens: Die Süddeutsche verklagte Gellermann wegen Beleidigung!
- Süddeutsche Zeitung verfolgt Rationalgalerie strafrechtlich (Blauer Bote, 11.06.2018)
Also: Emotionen runterfahren!! Da müssen unsere Alternativ-Medien noch etwas geschmeidiger werden!

Frage:
Wie definiert man »Fake-News-Produzent«?
Jens Bernert ist fassungslos. […] Er sagt: „Es geht mir um die Wahrheit, ganz einfach.“ Doch das interessiert hier gerade niemanden so richtig in Raum B335 des Hamburger Landgerichts.
[Stern.de-Autor muss sich nicht Fake-News-Produzent nennen lassen, Boris Rosenkranz, ÜberMedien, 18.07.2017]
Mein Kommentar:
Wenn Jens Bernert Drewello, den klagenden Stern-Redakteur, einen »Fake-News-Verbreiter« genannt hätte, wäre er womöglich freigesprochen worden… 🤔😤🤕🤔😜

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Geldfälschung (§ 146 StGB) ist in Deutschland ein Verbrechen, das mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft wird. Schon auf den deutschen Reichsbanknoten wurde mit Zuchthausstrafen gedroht: Wer Banknoten nachmacht oder verfälscht, oder nachgemachte oder verfälschte sich verschafft und in Verkehr bringt, wird mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Auf den deutschen DM-Scheinen ab 1974 wurde dann Zuchthaus durch Freiheitsstrafe ersetzt. Die Erwähnung der Strafandrohung entfiel mit der vierten Serie der Deutschen Mark ab 1990.
[Falschgeld, Rechtslage, Deutschland, Wikipedia, abgerufen am 22.002.2019 - Hervorhebung von mir 😜]
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Propaganda (von lateinisch propagare ‚weiter ausbreiten, ausbreiten, verbreiten‘) bezeichnet in seiner modernen Bedeutung[1] die zielgerichteten Versuche, politische Meinungen und öffentliche Sichtweisen zu formen, Erkenntnisse zu manipulieren und das Verhalten in eine vom Propagandisten oder Herrscher erwünschte Richtung zu steuern.[2][3][1][4]Dies steht im Gegensatz zu pluralistischen[5] und kritischen[6] Sichtweisen, welche durch unterschiedliche Erfahrungen, Beobachtungen und Bewertungen sowie einen rationalen Diskurs[7][8] geformt werden.
[Propaganda, Wikipedia, abgerufen am 22.02.2019]
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  1. systematische Verbreitung politischer, weltanschaulicher o. ä. Ideen und Meinungen mit dem Ziel, das allgemeine Bewusstsein in bestimmter Weise zu beeinflussen
  2. (besonders Wirtschaft) Werbung, Reklame
[Propaganda, Duden, abgerufen am 22.02.2019]
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Frage: 
Wie nennt man einen Kameramann, der Ivan Rodionov ständig vor dem Bild eines maskierten »prorussischen Separatisten« filmt?

Kalter Medienkrieg Montag Abend talkte Frank Plasberg über die Krim, Ukraine und Russland. Ein einziger Gast durfte die russische Sicht erklären und wurde alles andere als fair behandelt. […] Besonders perfide waren Kameraeinstellungen, die regelmäßig einen maskierten russischen "Heckenschützen" in Rodionovs Rücken platzierten.
[Bild aus dem Freitag-Artikel]
Als ob das nicht genügte, wurden mehrere vorproduzierte Filmbeiträge eingespielt, die teils erbärmlichster, propagandistischer Natur waren. Im ersten Beitrag wurden Demonstranten präsentiert, die die Staatsanwaltschaft in Donezk stürmen und die russische Fahne hissen. Kommentar zu den Bildern: "Die Demonstranten setzen ein klares Zeichen pro Russland. Doch ihre Herkunft ist nicht geklärt. Sind es wirklich Bürger aus Donezk oder aus Russland geschickte Aktivisten?" Lupenreine Propaganda nennt man sowas. Ohne jede Fakten, Indizien oder echte Beweise wird etwas suggeriert - dass es sich nicht um Donezker Bürger handelt - um einen missliebigen Vorgang zu denunzieren.
[“Hart aber unfair” – Plasbergs Propagandashow (der Freitag, 19.03.2014 – nur noch für Bezahler aufrufbar… kopiert aus meinem Post: Der Ukraine-Konflikt 3 – Westliche Naivität oder westliche Machtpolitik? (25.03.2014)]

Frage:
Wie weist man einem Übersetzer nach, daß er falsch übersetzt hat?
Darf man eine Falschübersetzung ebenfalls »Fake-News« nennen?

Irans Präsident will Israel von der Landkarte tilgen (SPON, 26.10.2005)
Georg Schramm - Ahmadinejad -Rede {2:55 – Start bei 0:40}

Resolution678
Am 02.07.2008 veröffentlicht 
Schicken Sie uns Ihre Söhne für den Krieg, es wird sich für Sie lohnen, an der Tankstelle.
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