Freitag, 2. August 2019

Lou Andreas-Salomé: »Ich verliere nie die Gewissheit, dass hinter mir Arme geöffnet sind, um mich aufzunehmen.« – Materialsammlung

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Lou Andreas-Salomé (geborene Louise von Salomé; gelegentliches Pseudonym Henri Lou; in jungen Jahren auch Ljola von Salomé genannt) (* 12. Februar 1861 in St. Petersburg; † 5. Februar 1937 in Göttingen) war eine weitgereiste Schriftstellerin, Erzählerin, Essayistin und Psychoanalytikerin aus russisch-deutscher Familie. Die Art ihrer persönlichen Beziehungen zu prominenten Vertretern des deutschen Geisteslebens – in erster Linie zu Friedrich NietzscheRainer Maria Rilke und Sigmund Freud – war und ist bis heute Gegenstand unterschiedlicher Interpretationen.[Lou Andreas-Salomé, Wikipedia, abgerufen am 02.08.2019]
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Intelligenz, robuste Gesundheit, Charisma, erotische Ausstrahlung, Tatkraft, günstige Lebensumstände – all das gehorcht in seiner Verteilung keinen demokratischen Prinzipien. Andreas-Salomé hatte alles im Übermaß. Das gehätschelte späte Kind eines französisch-stämmigen, russischen Generals und Intimus des Zaren geht lange vor dem großen Umbruch in den Westen, trifft die großen Geister ihrer Zeit ( als 21jährige!), wandert in alpinen und geistigen Höhen mit Nietzsche. Später wird sie Rilke als ersten Mann an sich heran lassen, nachdem sie ihren Freunden Nietzsche und Rée einen Korb gegeben hat, ebenso wie dem Orientalisten und Sprachgenie Andreas, mit dem sie, zuletzt in Göttingen, eine gute, freundschaftlich-platonische Ehe führt. Die Schärfe ihres Verstandes und ihr Urteil in künstlerischen Fragen lassen neben Bewunderung großer Geister deren Kritik und Relativierung nicht zu kurz kommen. Rilke streicht sie sein René und macht einen Rainer aus ihm. Wo Rilke schwül, pathetisch und zu prätentiös ist, wo er ein schlechter Lyriker ist, sagt sie es ihm unverblümt. Aber natürlich begreift sie sein Talent und seine Größe. Die Machtverhältnisse sind klar. Sie hat bald genug von seiner Dauerekstase und entzieht sich ihm. Er muss schmachten und darf antichambrieren. Ab und zu lässt sie ihn vor. Später, als sie sich für Freunds Psychoanalyse interessiert, kündigt sie ihr Kommen an und nimmt ohne Umstände in der Mittwoch-Gesellschaft Platz. Selbstverständlich gilt ihr Wort mindestens so wie das der Anderen, auch wenn sie noch keine psychoanalytische Ausbildung gemacht hat. Wo sie anderer Meinung als Freud ist, verbessert sie ihn. Kein anderer hätte das gedurft.
mehr:
Lou Andreas-Salomé: Der bittersüße Funke Ich (Rezension Übermädchen, Amazon, 22.11.2018)
siehe auch:
Lou Andreas-Salomé – Die Frau mit der Peitsche (Katja Iken, SPON, 29.06.2016 – mit Bildstrecke)
Treulos, schön und sehr gescheit (Simone Meier, TagesAnzeiger, 02.07.2016)
LOU ANDREAS-SALOMÉ (ZEIT Campus Nr. 4/2016, 7. Juni 2016)
Hilfe, ich habe Friedrich Nietzsche geschrumpft (Barbara Möller, Welt, 13.02.2011)



LOU ANDREAS-SALOMÉ - WIE ICH DICH LIEBE RÄTSELLEBEN | Trailer & Filmclips [HD] {4:47}

vipmagazin
Am 06.06.2016 veröffentlicht 
http://youtube.com/vipmagazin | "Lou Andreas-Salomé - Wie ich dich liebe Rätselleben" (Trailer deutsch german) | Kinostart: 30.06.2016
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• http://www.youtube.com/vipmagazin

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Ein Empfehlungsschreiben verschaffte Lou von Salomé Zugang zum Bekanntenkreis der Schriftstellerin, Pazifistin und Frauenrechtlerin Malwida von Meysenbug, die einst wegen ihrer offenen Sympathien für die Revolutionäre von 1848 aus Berlin ausgewiesen worden war und inzwischen in Rom einen Zirkel von Künstlern und Intellektuellen in der Tradition der Berliner Salons etabliert hatte. In diesem Kreis verkehrten der Philosoph Paul Rée, ein Freund Friedrich Nietzsches, und auch Nietzsche selbst. Rée verliebte sich umgehend in Lou von Salomé, hielt um ihre Hand an und wurde abgewiesen; zwischen beiden entwickelte sich aber eine enge Freundschaft. Als Nietzsche im April 1882 Rom erreichte, war er durch enthusiastische Briefe von Rée auf die Begegnung mit von Salomé vorbereitet. Auch er war von der „jungen Russin“ entzückt und machte ihr einen Heiratsantrag, ausgerechnet durch Rée als Vermittler. Auch er wurde zurückgewiesen, war aber als Freund, Lehrer und Gesprächspartner hochwillkommen.
Denn sie hatte inzwischen, ohne ihn persönlich zu kennen, das Wunschbild einer intensiven Arbeitsgemeinschaft (der von ihr so genannten „Dreieinigkeit“) mit Nietzsche, Rée und sich selbst entworfen. Man würde in Wien oder Paris freundschaftlich zusammenleben, studieren, schreiben und diskutieren. Diese ihre Idealvorstellung, die zu dritt eifrig besprochen wurde, ließ sich nicht verwirklichen. Sie scheiterte letztlich an der Eifersucht der beiden Männer – sie wollten sich nicht auf die ihnen zugedachten Rollen festlegen lassen (andererseits hatte Nietzsche mehrfach die Befürchtung geäußert, dass jede wirklich enge, dauerhafte Bindung ihn an der Vollendung seines Lebenswerkes hindern könne). Die Freundschaft zwischen von Salomé und Paul Rée war relativ unkompliziert, dabei enger und vertrauter als die zu Nietzsche – man duzte sich, schickte sich Tagebuchblätter zu und beriet sich über den jeweiligen Stand der Dinge im Verhältnis zu Nietzsche, der von alledem nichts wusste.Dessen Situation wurde zunehmend unbefriedigender. Anfang Mai 1882 hatte er allein mit von Salomé einen langen Ausflug am Sacro Monte di Orta in Oberitalien gemacht – seither Anlass für Mutmaßungen darüber, wie nahe sich die beiden dabei gekommen waren. Mitte Mai folgte dann in Luzern ein neuer Heiratsantrag, der wieder abgewiesen wurde. Hier entstand das bekannte Foto, von Nietzsche selbst in allen Einzelheiten arrangiert, auf dem von Salomé ihn und Rée vor ihren Karren spannt. Wenig später begann Nietzsches Schwester Elisabeth, sich in die Angelegenheiten ihres Bruders einzumischen. Sie berichtete ihm von dem angeblich „leichtfertigen“ und „skandalösen“ Verhalten seiner Freundin während der Festspiele in Bayreuth und unterrichtete auch ihre Mutter über die aus ihrer Sicht moralisch bedenkliche Affäre. Nietzsche war empört über die Einmischung seiner Familie, litt aber auch unter den Details, die ihm zugetragen worden waren. Den Sommer 1882 verbrachten Nietzsche und von Salomé philosophierend in Tautenburg. Die Beziehung der beiden wurde von manchen Zeitgenossen kritisch gesehen, so etwa von dem in Tautenburg ansässigen Pfarrer Hermann Otto Stölten.[3]
Nietzsches Beziehung zu Lou von Salomé endete schließlich nach einer letzten Begegnung mit ihr und Rée im Herbst 1882 in Leipzig, von wo von Salomé abreiste, ohne sich von ihm zu verabschieden. Danach änderten sich Nietzsches Einstellung und Verhalten beiden gegenüber. In einem Briefentwurf vom Dezember 1882 äußerte er Verzweiflung und Selbstmitleid: „An jedem Morgen verzweifle ich, wie ich den Tag überdaure … Heute Abend werde ich so viel Opium nehmen, dass ich die Vernunft verliere: Wo ist noch ein M(ensch) den man verehren könnte! Aber ich kenne Euch alle durch und durch“.[4] In unbeherrschter Eifersucht machte er Rée und Lou schwere Vorwürfe und verstieg sich zu wilden Beschimpfungen und Beleidigungen auch gegenüber Dritten. Danach sah man sich nie wieder.
Später bedauerte Nietzsche in einem Brief an seine Schwester sein Verhalten – und zwar sowohl in Hinblick auf die verlorene Freundschaft als auch aus grundsätzlichen Erwägungen: „Nein, ich bin nicht gemacht zu Feindschaft und Hass: und seit diese Sache so weit fortgeschritten ist, dass eine Versöhnung mit jenen beiden nicht mehr möglich ist, weiß ich nicht mehr, wie leben; ich denke fortwährend dran. Es ist unverträglich mit meiner ganzen Philosophie und Denkweise …“[4] Im Januar 1883 schrieb er in Rapallo den ersten Teil des Zarathustra, überwand so seine akute Krise und hatte sich, wie er anmerkte, „einen schweren Stein von der Seele gewälzt“. Aus den Kapiteln, die sich auf das Wesen der Frauen beziehen, kann man Spuren seiner Erfahrungen mit von Salomé herauslesen, zugleich aber auch Abschluss und Bewältigung dieser Episode seines Lebens. Er blieb bis zu seinem Lebensende allein; nach seinem völligen geistigen Zusammenbruch im Januar 1889 wurde er von Mutter und Schwester gepflegt, bis er am 25. August 1900 starb. In ihrem Buch „Nietzsche in seinen Werken“ von 1894 versuchte von Salomé, auf der Grundlage ihrer genauen Textkenntnis und ihrer persönlichen Erfahrungen mit dem schwierigen Freund, den „Denker durch den Menschen zu erläutern“. Anna Freud sprach später davon, Lou Andreas-Salomé habe mit diesem Buch über Nietzsche die Psychoanalyse vorweggenommen.
Lou von Salomé und Paul Rée lebten drei Jahre lang freundschaftlich zusammen in Berlin und trennten sich 1885. Rée kam 1901 bei einer Bergwanderung ums Leben; ungeklärt blieb, ob durch einen Unfall oder durch Suizid.[Lou Andreas-Salomé, Paul Rée und Friedrich Nietzsche, Wikipedia, abgerufen am 02.08.2019]

Nietzsche / Doku {51:24}

Der Klassiker
Am 23.02.2015 veröffentlicht 
Info zur Doku:
Aufklärer, Visionär, Vordenker totalitärer Systeme - ist Nietzsche wirklich der, für den wir ihn halten? Was waren seine Ideen, und was wird dafür gehalten? Und welchen Einfluss hatte seine Schwester auf ihren Bruder? „Wahnsinn! Nietzsche!“ bringt einen Fälschungsskandal ans Licht, der in der deutschen Geistesgeschichte beispiellos ist.
Nach einem Zusammenbruch verbringt der bis dahin nahezu unbekannte Philosoph sein Dasein in vollkommener geistiger Umnachtung. Seltsam ist: Nietzsche wird nach seinem Zusammenbruch plötzlich über Nacht berühmt. Seine Bücher finden reißenden Absatz, Millionen erklären Gott endgültig für tot und Nietzsche zum Propheten ihrer schöpferischen Befreiung. Nicht nur das linke, auch das rechte Spektrum beruft sich auf Nietzsche. Der aufstrebende Adolf Hitler beruft sich auf den Philosophen als seinen ideologischen Vordenker.
Das prägt das Bild Nietzsches: Bis heute gilt er als der große Blut- und Bodenphilosoph, als Autor des Werks „Der Wille zur Macht“. Doch gerade hier gibt es Zweifel: Wann soll Nietzsche das Buch verfasst haben, das unmittelbar nach seinem Tod auf den Markt kam? Nach seinem Zusammenbruch? Vorher? Oder ist das einflussreiche Werk eine Fälschung? Und ist Nietzsches eigene Schwester Elisabeth Förster-Nietzsche dafür verantwortlich?
„Wahnsinn! Nietzsche!“ ermittelt die Hintergründe und Folgen einer kriminellen Werkfälschung im Stil eines modernen Untersuchungsverfahrens. Die Geschichte führt aber auch in die Abgründe einer ungewöhnlich engen Geschwisterbeziehung und macht den Philosophen Friedrich Nietzsche als Menschen spürbar.

Lou Andreas Salomé se despide de Friedrich Nietzsche - Cavani {7:18}

Siglo XX
Am 23.02.2015 veröffentlicht 
Secuencia, para uso en clase dentro del proyecto académico "Centuria XX", de la película de Liliana Cavani: Más allá del bien y del mal". Libre acceso al proyecto desde la dirección http://angarmegia.com/Centuria/Entrad...

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Im August 1886 lernte Lou von Salomé in Berlin den Orientalisten Friedrich Carl Andreas kennen. Er war fünfzehn Jahre älter als sie, dunkelhaarig, temperamentvoll und bald fest entschlossen, sie zu heiraten. Seine entschiedene Absicht unterstrich er durch einen Selbstmordversuch vor ihren Augen. Nach längeren inneren Kämpfen willigte sie 1887 in die Eheschließung ein, stellte aber Bedingungen. Die Hauptsache: Sie werde sich niemals bereitfinden, die Ehe sexuell zu vollziehen. Aus welchen Gründen Andreas dies akzeptierte, ist nicht bekannt. Falls er hoffte – wie meist vermutet wird –, dass sie es damit nicht dauerhaft ernst meinen werde, sah er sich enttäuscht. In den ersten Ehejahren gab es immer wieder Eifersuchtsszenen wegen ihrer Beziehungen zu anderen Männern. Dennoch lehnte Andreas es mehrmals ab, sich scheiden zu lassen. In Berlin bewohnte das Paar nacheinander verschiedene Wohnungen, zeitweilig hatte Andreas berufliche Schwierigkeiten und nur sehr geringe Einnahmen, so dass die ebenfalls recht begrenzten Einkünfte, die seine Frau als Schriftstellerin erzielte, dringend gebraucht wurden.
Lou Andreas-Salomés Leben bestand aus einer konventionellen, bürgerlichen Hälfte mit Ehemann, hausfraulicher Pflichterfüllung und geistiger Arbeit – und einem anderen Bereich, in dem sie weder Pflichten noch engere Bindungen akzeptierte und mit gelegentlichen, inoffiziellen Liebhabern unterwegs war. Gleichzeitig warf sie ihrem Mann anfangs dessen Beziehung zu ihrer Haushälterin Marie vor. Doch kümmerte auch sie sich um das Kind aus dieser Verbindung, nachdem die Mutter früh gestorben war, und setzte es später als Haupterbin ein. Auf lange Sicht erwies sich die schwierige, widersprüchliche Ehe als unerwartet haltbar. Seit Friedrich Carl Andreas im Frühjahr 1903 auf den Lehrstuhl für Westasiatische Sprachen an der Universität Göttingen berufen worden war, lebte das Paar dort im eigenen Haus (von ihr „Loufried“ genannt, wie schon ein früherer Aufenthaltsort) – er mit der Haushälterin im Erdgeschoss, sie im Stockwerk darüber. Sie betreute, wenn sie in Göttingen war, den Garten am Haus, sie baute Gemüse an und hielt Hühner, führte aber im Wesentlichen weiterhin ein unabhängiges, reisefreudiges Leben. In ihren Tagebuchnotizen erscheint dieser Lebensabschnitt, insbesondere das Verhältnis zu ihrem Mann, wesentlich entspannter als die Zeit zuvor.
[Lou Andreas-Salomé, Die Ehe, Wikipedia, abgerufen am 02.08.2019]
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Rainer Maria Rilke hatte sich seit 1896 in München aufgehalten und war mit literarisch noch recht anspruchslosen Gedichten und Erzählungen einigermaßen erfolgreich. Als Lou Andreas-Salomé im Frühjahr 1897 von Berlin aus ihre Freundin Frieda von Bülow in München besuchte, wurde ihr Rilke bei Jakob Wassermann vorgestellt. Was sie zu jenem Zeitpunkt nicht wusste: Schon vorher hatte er ihr eine Reihe von anonymen Briefen mit beigefügten Gedichten zukommen lassen. Nun versicherte er ihr, wie überaus beeindruckt er von ihrem religionsphilosophischen Essay „Jesus der Jude“ gewesen sei, in dem sie „mit der gigantischen Wucht einer heiligen Überzeugung so meisterhaft klar ausgesprochen“ habe, was er selbst in einem Gedichtzyklus ausdrücken wollte; er lief „mit ein paar Rosen in der Stadt und dem Anfang des Englischen Gartens herum …, um Ihnen die Rosen zu schenken“,[6] las ihr aus seinen Arbeiten vor, widmete ihr ein eigenes Gedicht – wenig später hatte er mit seiner intensiven Werbung Erfolg.
Es folgten einige gemeinsame Sommermonate in der Marktgemeinde Wolfratshausen im Isartal nahe München. Sie bewohnten drei Kammern in einem Bauernhaus und nannten die Unterkunft „Loufried“. Als Lou Andreas-Salomé zurück nach Berlin ging, folgte Rilke ihr dorthin. Er war 21 Jahre alt. Andreas-Salomé, die er als mütterliche Geliebte überschwänglich verehrte, war 36. Auch sie war heftig verliebt, behielt aber, ihrem Wesen entsprechend, gleichzeitig die Kontrolle über sich und die Situation. Sie veranlasste ihn, an seinem sprachlichen Ausdruck zu arbeiten, den sie als übertrieben pathetisch empfand. Ihrem Vorschlag entsprechend änderte er seinen eigentlichen Vornamen René zu Rainer. Sie machte ihn mit dem Denken Nietzschesbekannt und lenkte sein Interesse auf ihre Heimat Russland; er lernte Russisch und begann, Turgenjew und Tolstoi im Original zu lesen. Dies alles geschah vorwiegend in der engen Berliner Wohnung des Ehepaares Andreas-Salomé. Rilke hatte sich ganz in der Nähe eingemietet, hielt sich aber meist bei Lou Andreas-Salomé auf, die in der Küche ihren Wohn- und Arbeitsraum hatte, während ihr Mann im Wohnzimmer arbeitete. Andreas-Salomé stellte bald fest, dass die innere Abhängigkeit des jungen, psychisch labilen Dichters ihr gegenüber ständig zunahm – eine unerwünschte Entwicklung. So drängte sie ihn im Frühjahr 1898 zu einer Italienreise, auf der sie ihn nicht begleitete.
In den Jahren 1899 und 1900 unternahmen sie dann gemeinsam zwei Reisen nach Russland, die erste, kürzere (25. April bis 18. Juni 1899) noch in Begleitung von Andreas. Die zweite Reise dauerte vom 7. Mai bis zum 24. August 1900 und gilt als Wendepunkt in der Beziehung zwischen Andreas-Salomé und Rilke (eine dritte Reise wurde für 1901 geplant, kam aber nicht zustande). Die Pfingstwoche verbrachten beide in Kiew. Die starken Eindrücke und Empfindungen dieser Zeit sollen ihren Niederschlag in seinem berühmten Stundenbuch gefunden haben (geschrieben von 1899 bis 1903). Sie gaben ihm aber auch Anlass zu Weinkrämpfen, zu „Angstverfassungen und körperlichen Anfällen“, wie Andreas-Salomé sich in ihrem Lebensrückblick erinnerte. Sie war erschrocken und besorgt, vermutete als Hintergrund eine ernsthafte psychische Erkrankung. Während eines Abstechers im August 1900 zum Urlaubsort ihrer Familie in Finnland beschloss sie, sich von Rilke zu trennen. Tatsächlich beendete sie die Liebesbeziehung dann erst mit einem Abschiedsbrief vom 26. Februar 1901. In der Zwischenzeit bekräftigte sie ihren Vorsatz in Tagebuchnotizen: „Was ich will vom kommenden Jahr, was ich brauche, ist fast nur Stille, – mehr Alleinsein, so wie es bis vor vier Jahren war. Das wird, muss wiederkommen“ – „Mich vor R. mit Lügen verleugnet“ – „Damit R. fortginge, ganz fort, wäre ich einer Brutalität fähig (Er muss fort!)“[6]
Die leidenschaftliche Beziehung ging über in eine enge Freundschaft, die bis zu Rilkes Tod im Jahre 1926 anhielt. 1937 erinnerte Sigmund Freud in seinem Nachruf auf Lou Andreas-Salomé daran, „dass sie dem großen, im Leben ziemlich hilflosen Dichter Rainer Maria Rilke zugleich Muse und sorgsame Mutter gewesen war“.
[Lou Andreas-Salomé, Rainer Maria Rilke, Wikipedia. abgerufen am 02.08.2019]
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Rainer Maria Rilke – Biographie eines Lyrikers der Moderne {1:16:12}

ZYX Music Hörbuch
Am 29.01.2019 veröffentlicht 
H 50000 Rainer Maria Rilke – Biographie eines Lyrikers der Moderne GELESEN VON SVEN GÖRTZ 9783959952521 Amazon: https://goo.gl/yH1S7T zyx.de: https://goo.gl/HiUoRx Rainer Maria Rilke (1875 –1926)
Wenn das eigene Leben Themen, Motive und Bilder für das schriftstellerische Werk vorgibt, dann kommt man an der Biographie von Rainer Maria Rilke, Lieblingslyriker der Deutschen, nicht vorbei: Die Kindheit in Mädchenkleidern, die jäh beendet wird durch den Besuch der Militärrealschule, seine – milde ausgedrückt - unkonventionellen Beziehungen zu Frauen wie Lou Andreas-Salomé, Paula Becker und seiner späteren Gattin Clara Westhoff, sämtlich Künstlerinnen, sein Aufenthalt in der Künstlerkolonie Worpswede, seine Beziehung zu Auguste Rodin, sein Ruf als „höflicher Schnorrer“, der bei reichen Gönnern gern gesehener Gast ist, die kräftezehrende Arbeit an den „Duineser Elegien“ sowie sein früher Tod im Sanatorium in der Schweiz: 28 Kapitel, davon 9 integrierte Werkbeispiele, zeigen, dass für ein solches Werk ein ganz besonderes Leben nötig war.
Gelesen von Sven Görtz, dem Autoren.
1. Intro
2. Geburt und Kindheit
3. Auf der Militärschule
4. Ende einer Liaison
5. „Ich bin so jung“ (vollständige Lesung)
6. In München mit Lou Andreas - Salomé
7. Russlandreisen
8. „Du Nachbar, Gott“ (vollständige Lesung)
9. Rilkes kommerziell erfolgreichstes Werk „Die Weise von Liebe und Tod des Cornetts Christoph Rilke“ 10. „Die Weise von Liebe und Tod des Cornetts Christoph Rilke“ (Auszug)
11. Trennung von Lou Andreas - Salomé
12. In Worpswede
13. Heirat mit Clara Westhoff
14. Das Gefühl der Heimatlosigkeit
15. „Herbsttag“ (vollständige Lesung)
16. Bei Rodin in Paris
17. „Der Panther im Jardin des Plantes“ (vollständige Lesung)
18. „Archaischer Torso Apolls“ (vollständige Lesung)
19. Rilkes einziger Roman “Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge”
20. „Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge“ (Lesung des Romananfangs)
21. Schaffenskrise und Leben im Luxus
22. Die Inspiration auf Schloss Duino 1912
23. Großer künstlerischer Fixpunkt: die Duineser Elegien
24. Die Arbeit an den Duineser Elegien
25. „Die Sonnette an Orpheus“
26. Tod Rilkes am 29.12.1926
27. Die erste „Duineser Elegie“ (vollständige Lesung)
28. „Die Sonnette an Orpheus“: Das dritte Gedicht (vollständige Lesung)


zur Beziehung zu Rilke siehe auch:

- „Lou, liebe Lou“ – Über die Brieffolge von Rainer Maria Rilke an Lou Andreas-Salomé, die jetzt ins Deutsche Literaturarchiv Marbach gelangte. (Ulrich von Bülow, Kulturstiftung der Länder, undatiert)



Reisen.  […] Während ihrer zweiten, ausführlicheren Russlandreise, die vom 7.5. bis zum 26.8.1900 gedauert hat, waren sie in der Pfingstwoche in Kiew. Hier soll Rilke Eindrücke gesammelt, Erfahrungen gemacht und Empfindungen gehabt haben, die wesentlich zu seinem Stundenbuch beigetragen haben, das in der Weltliteratur zu der Spitzenklasse gehört. Aber er hat zugleich, vielleicht in einem tieferen Zusammenhang mit seiner Fähigkeit zu solchen Eindrücken, Erfahrungen und Empfindungen, auch Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die den Anfang vom Ende der Liebesbeziehung gebildet haben. Er soll bei dem gewohnten Spaziergang durch einen schönen Akazienwald in Kiew nicht in der Lage gewesen sein, an einem bestimmten Baum vorbeizugehen und habe sich aus Angst davor zu Boden geworfen, habe Weinkrämpfe und "Angstverfassungen und körperliche Anfälle" dargeboten [Lebensrückblick, S. 145 und 277]. Lou war erschrocken und entsetzt. Eine innere Distanzierung von dieser bizarr anmutenden Person, die sie für krank hielt, kündigte sich in ihr allmählich an.
[Rainer Maria Rilke, Wann ist das Ende einer Liebe? Kazem Sadegh-Zadeh, lou-andreas-salome.de, undatiert]

Wann ist das Ende einer Liebe? Diese Frage erhält einige Antworten aus Lous Tagebuchnotizen ab Silvesterabend 1900. Jede(r) mag sie selbst interpretieren. Dem tragischen Verstehen wird sich jedoch niemand entziehen können. An dem genannten Silvesterabend notiert Lou in ihrem Tagebuch: "Was ich will vom kommenden Jahr, was ich brauche, ist fast nur Stille, - mehr Alleinsein, so wie es bis vor vier Jahren war. Das wird, muss wiederkommen" (RMR-Brw S. 49). Und am 10. Januar 1901: "Schlecht war ich auch gegen Rainer, aber das tut mir nie weh" (RMR-Brw S. 50). Zehn Tage später, am 20.1.1901, schreibt sie: "Damit R. fortginge, ganz fort, wäre ich einer Brutalität fähig. (Er muß fort!)". Und wir lesen einen Tag danach: "Mich vor R. mit Lügen verleugnet" (RMR-Brw, S. 51). [Hier steht die Abkürzung "RMR-Brw" für "Rainer Maria Rilke und Lou Andreas-Salomé]. → Eintrag Nr. 15 in Briefwechsel.]
[Rainer Maria Rilke, Wann ist das Ende einer Liebe? Kazem Sadegh-Zadeh, lou-andreas-salome.de, undatiert]

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Bei einem Aufenthalt in Schweden begann Lou Andreas-Salomé ein intensives Verhältnis mit einem 15 Jahre jüngeren Mann, dem Nervenarzt und Freudianer Poul Bjerre. Als er 1911 zum Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung nach Weimar fuhr, begleitete sie ihn und traf dort erstmals mit Sigmund Freud zusammen. Er wurde zur entscheidenden Bezugsperson ihrer letzten 25 Lebensjahre. Sie ahnte und hoffte, dass die neue Denkschule der Psychoanalyse – mit Freud als Vaterfigur – ihr Zugang verschaffen könnte zum Verständnis der eigenen seelischen Verfassung. Von Oktober 1912 bis April 1913 hielt sie sich in Wien auf, später folgten viele weitere Besuche. Sie hörte im Wintersemester 1912/1913 Freuds Vorlesung in der Psychiatrischen Klinik über „Einzelne Kapitel aus der Lehre von der Psychoanalyse“ und nahm an seinen „Mittwochssitzungen“ und „Samstags-Kollegs“ teil. Mit ausdrücklicher Zustimmung Freuds beteiligte sie sich aber auch an den Diskussionsabenden Alfred Adlers, der sich 1911 von der orthodoxen psychoanalytischen Schule Freuds distanziert und mit seinem Verein für Individualpsychologie eine eigene tiefenpsychologische Schule begründet hatte.
Sigmund Freud hielt sehr viel von seiner Schülerin. In einer engen, rein platonischen Beziehung wurde sie für ihn durch ihren Wissensdurst, ihre Neugier auf menschliche Verhaltensweisen und die intensive Suche nach deren Verständnis eine hochgeschätzte Diskussionspartnerin. Sogar ihre eigenwillige Ausdeutung psychoanalytischer Konzepte, denen sie eine vorwiegend poetische und literarische Form gab, akzeptierte er ohne Widerspruch. Er fand, sie sei die „Dichterin der Psychoanalyse“, während er selbst Prosa schreibe. In der „Schule bei Freud“ (so der Titel ihres postum veröffentlichten Tagebuches der Jahre 1912/1913) lernte Lou Andreas-Salomé, ihr eigenes Leben besser zu verstehen und zu beherrschen, darauf legte sie in Hinblick auf ihr fortgeschrittenes Alter besonderen Wert.
Freud riet ihr zum Beruf der Psychoanalytikerin. Sie schrieb Aufsätze für die psychoanalytische Zeitschrift „Imago“ und war schon 1913 Gastrednerin beim Psychoanalytischen Kongress in Berlin. 1915 eröffnete sie in ihrem Göttinger Wohnhaus die erste psychoanalytische Praxis der Stadt. 1921 begann ihre Freundschaft mit Anna, einer der drei Töchter Freuds, ein Jahr später wurde sie zusammen mit Anna Freud in die Wiener Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. 1923 ging sie auf Bitten Sigmund Freuds für ein halbes Jahr als Lehranalytikerin nach Königsberg, fünf Ärzte absolvierten bei ihr eine Lehranalyse (die sie selbst nie durchlaufen hatte). Zum 75. Geburtstag ihres Freundes und Lehrers am 6. Mai 1931 schrieb sie den offenen Brief „Mein Dank an Freud“. Der Adressat antwortete ihr: „Es ist gewiss nicht oft vorgekommen, dass ich eine psa. [psychoanalytische] Arbeit bewundert habe, anstatt sie zu kritisieren. Das muss ich diesmal tun. Es ist das Schönste, was ich von Ihnen gelesen habe, ein unfreiwilliger Beweis Ihrer Überlegenheit über uns alle.“[7]
[Lou Andreas-Salomé, Sigmund Freud und die Psychoanalyse, Wikipedia, abgerufen am 02.08.2019]
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Nun ist ja die Psychoanalyse ihrem historischen Werdegang nach praktische Heilmethodik, und als ich ihr beitrat, war gerade erst die Ermöglichung klar geworden, aus den Zuständen des Kranken auf die Struktur des Gesunden zu schließen, indem hier, wie unter einer Lupe, entziffert werden konnte, was unserm Blick innerhalb des Normalen sonst fast unlesbar bleibt. Mit unendlicher Umsicht und Vorsicht der methodologischen Hantierung hatte analytische Grabearbeit von Schicht zu Schicht Ursprünglicheres zutage gefördert, und vom allerersten der grandiosen Freudschen Spatenwürfe an bewährte sich die Unwiderleglichkeit ihrer Funde. Aber je tiefer man grub, desto mehr ergab sich, daß nicht etwa nur im pathologischen, sondern auch gerade im gesunden Menschen der psychische Untergrund sich als eine förmliche Ausstellung dessen erwies, was uns »Gier«, »Roheit«, »Gemeinheit« usw. heißt, kurz alles Ärgsten, dessen man sich am heftigsten schämt; ja, daß selbst von Motiven der leitenden Vernunft kaum Besseres auszusagen sei, als was Mephisto von ihr behauptet. Denn führt allmähliche Kulturwerdung – durch Nöte und Vorteile der praktischen Erfahrungen – darüber hinaus, so doch nur infolge von Triebabschwächungen überhaupt, also von Einbuße an Fülle und Kraft, so daß ans Ende schließlich ein recht ausgemergeltes Menschentier zu stehen kommt, demgegenüber die Kreatur in ihrer unbeschnittenen Kulturlosigkeit nahezu als Großgrundbesitzer imponieren könnte. Der trübe Ausblick von solcher Sachlage her – vom Gesunden aus demnach kaum angenehmer als vom Kranken, der doch wenigstens von seiner Heilung träumen durfte – stieß wahrscheinlich noch mehr Leute von der Tiefenforschung ab: weckte er doch einen ähnlichen Pessimismus wie den des hoffnungsarmen Neurotikers, den sie zu korrigieren unternahm.
Wenn ich von mir persönlich was dazu bemerken soll, so muß ich zunächst feststellen, etwas wie Wichtiges ich gerade dieser schon frühen Geisteshaltung der Psychoanalyse verdanke: diesem Sich-nicht-stören-lassen von allgemeinen Erwägungen über unerfreuliche Endergebnisse, dieser unverkürzten Bezugnahme auf exakte Untersuchung des jeweiligen Einzelobjekts und Sonderfalles, welches auch immer deren Resultat sein möge. War es doch eben dies, dessen ich bedurfte. Meine Augen, noch ganz erfüllt von den vorangegangenen Eindrücken, die an einem primitivem Menschentum wiederzuerkennen glaubten, was tieferhin unser aller unverwischbare Kindlichkeit sei und – als heimlicher Reichtum hinter aller Reife – auch verbliebe, mußten sich zwingen, davon hinwegzusehen und statt dessen sich mit rationaler Kleinarbeit am gegenständlich Menschlichen abzugeben; sie mußten dies, um sich der Gefahr zu entziehen, in einen bloßen blinden, weil blickblendenden Schwarm zu geraten: in den der »angenehmen Psychologie«, aus der kein Zugang zur Wirklichkeit führt, sondern die uns nur in unserm eigenen Wunschgarten herumtummeln läßt.
Mir ist kein Zweifel, daß es – wenn auch von ganz verschiedenen Stellen aus – Analoges war, was uns Gegner schuf und Anhänger abfallen ließ: dies an sich ganz natürliche Bedürfnis, nicht so grundsätzlich in der Schwebe lassen zu müssen, was man am liebsten beantwortet sehen möchte, oder richtiger: dessen erfreuliche Beantwortung man eigentlich schon vorweg weiß. Das wird vermutlich auch dann noch so bleiben, nachdem die »anstößigsten« der psychoanalytischen Enthüllungen sich durch Gewöhnung den Menschen längst verharmlost haben werden. Es erscheint ja auch so gerechtfertigt, wenn man zwar »triebrein« zu denken versucht in Fragen bloßer logischer Denkanwendungen, jedoch in den sogenannten »Geisteswissenschaften« – unausweichlich gespalten in Beobachter und Gegenstand sich versucht fühlt, ins Denkergebnis ein wenig eigenen Senf hineinzutun, um es mundgerechter zu machen.
[Lou Andreas-Salomé, Lebensrückblick - Kapitel 9, Das Erlebnis Freud gutenberg.spiegel.de]


Quelle: Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse XXIII 1937 Heft 1 (archive.org) , 


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