Sonntag, 4. August 2019

Unsere Mainstream-Medien sind sowas von peinlich, und der Unmut nimmt zu

Zwei Staaten streiten um zwei Öltanker. Doch nur eine Sichtweise schafft es in die Schlagzeilen. Kommentar über die doppelten Standards der Iran-Berichterstattung
Küste von Gibraltar, Donnerstagmorgen, kurz nach Mitternacht. In einer spektakulären Supertanker-Kaperung zur Durchsetzung internationalen Rechts entern britische Marines ein iranisches Schiff. Dessen illegale Fracht: Öl, das an den syrischen Diktator Baschar al-Assad gehen sollte, der damit seine Kriegsmaschinerie gegen die syrische Zivilbevölkerung weiter angeheizt hätte. Ohne dass die Marines einen Schuss abgeben, ist die Aktion nach nur wenigen Minuten beendet.
Zwei Wochen später: Eskalation am Golf. An der Meerenge von Hormus kapert ein iranisches Überfallkommando ein britisches Schiff. Die Briten-Marine warnt die Iraner noch per Funk vor der Verletzung internationalen Rechts. Doch die Mullahs entführen den Tanker. Mit Raketenwerfern und Maschinengewehren ausgestattet, verschleppen die Truppen des Mullah-Regimes Öltanker und Besatzung in Richtung iranischer Küste.

Gefärbte Formulierungen?

Wer in den vergangenen Wochen die Berichterstattung rund um die Tanker Grace 1 und Stena Impero verfolgte, erfuhr nicht nur etwas über maritime Gefahren und geopolitische Machtspiele. Sie zeigt auch die Tendenziösität vieler Journalisten, wenn es um Spannungen zwischen Iran und dem Westen geht. Die eingangs gewählten Formulierungen sind keine Polemiken des Autors dieses Textes.
Sie entstammen alle den jeweils ersten beiden Bericht der Bild-Zeitung zu den Schiffskaperungen vor Gibraltar und in der Straße von Hormus (hierhierhier und hier).
Was kaum einem Leser der Berichte deutlich werden dürfte: Die "Entführung durch Mullah-Truppen" in der Straße von Hormus und die "Aktion zur Durchsetzung internationalen Rechts" vor Gibraltar ähneln sich bei nüchterner Betrachtung frappierend: In beiden Fällen wurden Öltanker durch Soldaten eines fremden Staates gekapert. 
In beiden Fällen wurde dabei keine Gewalt angewendet, wurden Crews festgesetzt und wieder freigelassen. In beiden Fällen beanspruchte ein Staat umgehend die Rechtmäßigkeit der Aktion. In beiden Fällen gibt es gute Gründe, daran zu zweifeln. Nur in einer Sache unterscheiden sich die beiden Fälle gravierend: die Art und Weise, wie Journalisten über sie berichten.
mehr:
- Eskalation am Schreibtisch (Fabian Goldmann, Telepolis, 04.08.2019)
siehe auch:
Tagesdosis 1.8.2019 – Deutschland, ein zerrissenes Land (Podcast) (Kommentar von Bernhard Loyen, KenFM, 01.08.2019)
Tagesdosis 1.8.2019 – Deutschland, ein zerrissenes Land (Podcast) (Stephan Fries, ÜberMedien, 24.06.2019)
Medien: Wir brauchen mehr Fremdkritik (Markus Kompa, Telepolis, 25.01.2019)
Unterlassene Hilfeleistung der Medien: Weglassen statt lügen (Tom Wellbrock, neuland-rebellen, 14.03.2019)
Wieder peinliche Patzer der Mainstream-Medien gegen Russland (ZurZeit.eu, 15.10.2018)
Die Mainstream-Medien haben ihre Hoheit verspielt (Wolfgang Schimank, The European, 22.09.2017)
- Unsere Leitmedien und der Appell zum Dialog (Post, 08.12.2014)
Medien: intellektuelle Korrumpierbarkeit in Konfliktzeiten (Post, 31.12.2002)
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