Eine Notiz vorab. Theodor Fontane verfasste bereits Jahre nach dem ersten anglo-afghanischen Krieg im Frühjahr 1842 eine aufrüttelnde Ballade mit dem Titel „Das Trauerspiel von Afghanistan.“ Darin lauten zwei Strophen wie folgt: „Zersprengt ist unser ganzes Heer, was lebt, irrt draußen in Nacht umher, mir hat ein Gott die Rettung gegönnt, seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.“ Und: „Die hören sollen, sie hören nicht mehr, vernichtet ist das ganze Heer, mit dreizehntausend der Zug begann, einer kam heim aus Afghanistan.“
Unter der Ägide von Verteidigungsminister Peter Struck bekam die Bundeswehr im Mai 2003 neue Verteidigungspolitische Richtlinien (VPR). Die Kernaussage dieser Richtlinien hatte der SPD-Politiker bereits am 4. Dezember 2002 am Beispiel des Afghanistan-Einsatzes erläutert: „Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.“
Im Namen von „freedom & democracy“
Seit nunmehr annähernd zwei Dekaden (länger als der Zweite Weltkrieg und der amerikanische Krieg in Vietnam zusammen) herrscht in Afghanistan Krieg. Ein Krieg, der – so heißt es unisono in den Hauptstädten der westlichen Staatengemeinschaft – geführt wird im Namen von „freedom & democracy“. Auch für den Einsatz von Kontingenten der Bundeswehr wurde das Argument bemüht, „am Hindukusch“ werde „unsere Sicherheit“ verteidigt. Was aber, wenn mit einem Scheitern der militärischen Intervention am Hindukusch gleichzeitig die im Westen als hehres Ideal geschätzte Sicherheit zu begraben wäre?
Die bisherige Kriegsführung der ISAF hat allen anderslautenden Einschätzungen und Schönfärbereien zum Trotz demonstriert, dass am Hindukusch – von den „Konfliktherden“ Irak, Syrien, Libyen und Jemen ganz zu schweigen – jene „Probleme“ sukzessive vergrößert wurden, die dort eigentlich längst hätten gelöst werden sollen. In Afghanistan (und nicht nur dort) hat eine seit Jahren anhaltende Serie zynisch genannter „Kollateralschäden“ (erinnert sei nur an drohnenbekriegte Hochzeitsfeiern) erst dazu beigetragen, unkontrolliert „Brutstätten des Terror(ismu)s“ zu nähren, zu deren Beseitigung der Großeinsatz der ISAF befohlen wurde.
Hätten die Militärstrategen vor ihrem entfesselten Bombenkrieg auf intime Landeskenner gehört, hätten sie lernen können, dass Afghanistan als intakter Zentralstaat eine Fiktion ist. Es war und ist dies ein Land mit einer unüberschaubaren Vielzahl – sich mitunter heftig befehdender – Clangemeinschaften, deren Führer sich bestenfalls als Stammesführer, schlimmstenfalls als drakonische Warlords aufführ(t)en. Dem vom Westen lange hofierten Darling Hamid Karsai – durch Wahlbetrug an die Macht gehievt und mit korrupten (teils familiären) Seilschaften verbandelt – war es missgönnt, auch nur annähernd für „Ruhe und Ordnung“ zu sorgen. Überdies ein Präsident, der ohne eine Schar angeheuerter ausländischer Bodyguards nicht einmal die Toilette aufsuchen konnte.
mehr:
- Afghanistan – 9/11 – Amnesie oder Der endlose Krieg (Rainer Werning, NachDenkSeiten, 11.09.2019)
siehe auch:
- Inside NATO: Krieg und neue Feinde (ZDF-Mediathek, abrufbar bis 11.10.2019 – siehe ab 22:35)
»Diese Mission mußte scheitern, weil die Zentralregierung immer korrupt war.«
[Prof. Sönke Neitzel, Militärhistoriker ab Min. 28:55 über die Afghanistan-Mission der NATO]
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