Kürzlich hat der an der University of California, Irvin, lehrende Professor für Politikwissenschaft Shawn Rosenberg auf einem Treffen der Internationalen Gesellschaft der Politischen Psychologen in Lissabon behauptet, dass die "Demokratien sich selbst auffressen" und dass der Untergang der demokratischen Staaten mehr oder weniger wahrscheinlich ist. Das scheint bei den Anwesenden Aufsehen und Unruhe hervorgerufen zu haben, wie ein Teilnehmer berichtete.
Gerade wurde eine YouGov-Umfrage zum Thema veröffentlicht. Danach halten 89 Prozent die Demokratie für die beste Herrschaftsform für Deutschland, erstaunliche 10 Prozent finden dies nicht zutreffend. Nur 54 Prozent sind aber mit der in Deutschland praktizierten Demokratie zufrieden, 40 Prozent sind unzufrieden. Grünen - und Unions-Wähler sind am zufriedensten, am unzufriedensten sind die AfD-Wähler, obgleich sie gerade bei den Wahlen profitiert haben.
53 Prozent sehen die Demokratie in Deutschland aktuell in Gefahr. Als größte Gefahr werden Rechtsextremisten (47 Prozent) genannt. Rechtspopulisten und Migranten sind mit 27 Prozent gleichauf, Linksextremisten sowie die USA sehen 22 Prozent als Gefahr. Die Befragten konnten aus einer Liste bis zu drei Gefahren auswählen. Für 38 Prozent ist die Demokratie gesichert. "Für AfD-Wähler sind Migranten (54 Prozent), die Bundesregierung (37 Prozent) und Linksextremisten (33 Prozent) die größten Gefahren für unser demokratisches System. Für Grünen-Wähler sind es hingegen Rechtsextremisten (66 Prozent) bzw. -populisten (49 Prozent) sowie die USA (21 Prozent)."Eigentlich liegt das Thema in der Luft und ist die zugespitzte pessimistische Gegenthese zu der optimistischen Behauptung, mit der der Politikwissenschaftler Francis Fukuyama nach dem Ende des Kalten Kriegs bekannt wurde. Er sprach vom "Ende der Geschichte". Totalitäre Systeme würden aussterben, auf dem Globus würden sich liberale Demokratien ausbreiten. Wirklich lange hat er diese These nicht aufrecht gehalten, sein letztes Buch warnt selbst vor dem Scheitern der Demokratie, wenn Identität und Würde nicht gewahrt werden, die letztlich den nationalen Zusammenhalt garantieren würden.
Die These vom Aufstieg der Demokratie schien mit dem Auseinanderbrechen der kommunistischen Sowjetunion, der Alternativlosigkeit des Kapitalismus, dem Ende der Mauer und des Kalten Kriegs sowie der grenzüberschreitenden Globalisierung und nicht zuletzt dem Internet eine gewisse Plausibilität zu besitzen.
Nach einer Studie stieg die Zahl der Demokratien jedenfalls nach dem Zweiten Weltkrieg, wo sie bei 20 lag, kontinuierlich an. In den 1980er Jahren und dann nach 1990 gab es einen weiteren Aufschwung. Um die 100 Länder sollen jetzt Demokratien sein, was natürlich immer davon abhängt, wie man diese definiert. Sie wären in der Mehrheit, auch was die Bevölkerung betrifft, gegenüber den autokratischen Staaten. Allerdings scheint es in den letzten Jahren zu einem Stillstand und zu einem kleinen Rückgang gekommen zu sein. Das ist auch die Ausgangslage für Rosenberg, der den Rückgang mit dem Aufstieg der rechten Populisten in Europa und den USA verbindet. In zehn europäischen Ländern sitzen Rechtspopulisten bereits in der Regierung und in den USA ist mit Donald Trump ein Rechtspopulist Präsident geworden.
mehr:
- Sind die Menschen zu blöd für eine Demokratie? (Florian Rötzer, Telepolis, 12.09.2019)
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