Das mit dem richtigen Leben im falschen ist so eine Sache. Je mehr man über dieses richtige Leben weiß, umso mehr fällt einem auf, was man so alles falsch macht. Dem können zwei Reaktionen folgen: stetiges Selbstgeißeln („Wir sollten wirklich mehr/weniger…“) oder Reaktanz („Ey, was soll ich denn noch alles …?“). Die Abgrenzung ist manchmal so dünn wie ein Joghurtdeckel aus Alu.
Sich ein Heft wie „Werde“, das „Magazin für das grüne Leben“, ausgerechnet an einem Flughafen zu kaufen, kann man sich dann nur noch damit schönreden, sehr schnell nach Hause zu müssen, um die bienenfreundlichen Pflanzen auf dem Balkon zu gießen und den Mehlwurmspender für die verwöhnten Stadtvögel aufzufüllen.
Was „Werde“ will, wird schon durch das Cover klar: „Mehr Bio für Bienen“ steht auf der Sommer-Ausgabe – sonst nichts. Etwas mehr verrät die Flappe über dem Cover: „Wie wir die Bienen jetzt retten können“, „Der Öko-Hof von Charles und Perrine“ sowie „Die Würde der Tiere ist unantastbar“. Dazu noch der Claim des Magazins: „Wir leben das Leben“. Die Abgrenzung zur Betulichkeit ist manchmal auch nur so dünn wie ein Joghurtdeckel.
Aber was soll man sagen: „Werde“ fühlt sich zumindest gut an. Gedruckt wird das viermal pro Jahr („mit den Jahreszeiten“) erscheinende Magazin auf wertigem, dickem Papier (Recycling, was sonst), sodass die 124 Seiten in der Hand liegen wie 160 Seiten Hochglanz. Das Recyclingpapier kostet die Fotos ein bisschen Strahlkraft, aber das kann man auch als Stilmittel sehen. Auf die Bilder ist man jedenfalls so stolz, dass einige von ihnen als Postkarten dem Heft beigefügt sind. Das ist mal eine raffinierte Werbemaßnahme!
mehr:
- „Werde“ edel und gut (Sigrid Neudecker, uebermedien.de, 27.08.2019)
siehe auch:
- Es gibt kein richtiges Leben im falschen (Wikipedia)
- Adorno und das falsche Leben (Martin Seel, PhilosophieMagazin, 6/2014 )
- Es gibt kein richtiges Sich-Ausstrecken in der falschen Badewanne (Martin Mittelmeier, Recherche. Zeitung für Wissenschaft, 4/2009, gefunden bei http://felsenwahn.de)
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