Viele halten einen Konzernchef für glaubwürdiger als einen Politiker oder einen Journalisten. Deshalb sei hier Oliver Bäte zitiert. Der Chef des Versicherungskonzerns Allianz (Umsatz 130 Milliarden Euro) erklärte am 25. Juli 2019 in der NZZ:
«Die Preise [Zinsen] für jene, die viele Schulden haben, werden künstlich niedrig gehalten. Und das Geld wird den Sparern weggenommen. Eigentlich eine Enteignung. Dann wird noch zwischen Reich und Arm umverteilt.»
Und dies bereits seit etlichen Jahren. Die Politik schaut tatenlos zu. Selbst jetzt im Wahlkampf um Parlamentssitze sind die Enteignung der Sparer und Rentner sowie die massive Begünstigung der Immobilienbesitzenden und Aktionäre und die drohende nächste grosse Finanzkrise kein Thema.
Es scheint breiter Konsens darüber zu herrschen, dass die Schweiz der internationalen Finanzpolitik ausgeliefert und handlungsunfähig ist. Selbst die SVP, welche die Unabhängigkeit und Souveränität der Schweiz auf ihre Fahnen geschrieben hat, lässt die vielen Sparer und Verlierer im Stich, darunter viele ihrer Wählerinnen und Wähler. Sie warnt diese nicht einmal davor, dass ihre Spargelder bei den Banken im Krisenfall deutlich weniger gut geschützt sind als in der geschmähten EU.
Mit dem Wegschauen möchten die grossen Parteien auch eine öffentliche Diskussion über zunehmende Defizite unserer Demokratie vermeiden. Man redet ungern darüber, dass unsere Entscheidungsfreiheit in lebenswichtigen Fragen teilweise oder sogar ganz ausgehebelt wurde. Das geht von der Neutralitätspolitik (Zwangsteilnahme an einseitigen US-Sanktionen) über die Finanzpolitik, die Steuerwettbewerbspolitik bis zur Deklaration von Lebensmitteln, Gesundheits- und Umweltvorgaben («Verstoss gegen Freihandelsabkommen»).
Vom möglichen Handlungsspielraum redet niemand
Die Souveränitätsverluste müsste die Schweiz nicht überall schulterzuckend hinnehmen. Stolzes und mutiges Handeln könnte allerdings einen dämpfenden Einfluss auf das Wirtschaftswachstum haben oder – falls beispielsweise der Franken stärker wird – die Exportwirtschaft herausfordern. Und diese beiden heiligen Kühe haben gegenüber mehr Souveränität und politischen Wahlmöglichkeiten bekanntlich fast immer Vorrang, ohne dass diese Prioritätensetzung demokratisch beschlossen worden wäre.
mehr:
- Der Wahlkampf zeigt ungeschminkt Schwächen unserer Demokratie (Urs P. Gasche, Info-Sperber, 11.10.2019)
siehe auch:
- Der Demokratie-Suizid [Tagesdosis 8.10.2019] (Post, 09.10.2019)
- Ungleichheit bei Einkommen auf Rekordniveau – Wie bleibt die Bevölkerung ruhig? (Post, 07.10.2019)
- Vertraut uns, wir erzählen Euch, wie es ist (Post, 03.10.2019)
- Vorsicht, Werbung: »Glaube wenig. Hinterfrage alles. Denke selbst.« (Post, 30.09.2019)
- "Die Unkundigen": Lieblinge politischer Rhetorik (Post, 27.09.2019)
- 40 Prozent aller «Investments» gehen in Briefkastenfirmen (Post, 25.09.2019)
- Wortverdrehungen, Verleugnung und Überraschung… (Post, 17.09.2019)
- Sind die Menschen zu blöd für eine Demokratie? (Post, 12.09.2019)
- Public Relations - Manipulation der Masse | Doku | ARTE (Post, 09.09.2019)
KenFM im Gespräch mit: Prof. Rainer Mausfeld ("Warum schweigen die Lämmer?") {1:38:19 – Start bei 36:01 – Mausfeld: »Es gib keine bessere Revolutionsprophylaxe als Demokratie.«}
KenFM
Am 02.10.2018 veröffentlicht
Am 02.10.2018 veröffentlicht
Begleittext: siehe YouTube
Hagen Rether | Der Wähler ist dümmer als er glaubt {6:38}
Die Blaue Hand
Am 13.08.2019 veröffentlicht
Am 13.08.2019 veröffentlicht
Hagen Rether | Der Wähler ist dümmer als er glaubt
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