Freitag, 25. Oktober 2019

Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird

Sagen Medien, was ist? Eindeutig: nein. Der Bruch mit der Wirklichkeit ist im Journalismus längst eine bestimmende Konstante. Immer wieder ist zu beobachten, wie Medien Wirklichkeit ignorieren, verdrehen, frisieren oder gar gleich erfinden. In seinem neuen Buch „Sabotierte Wirklichkeit“ zeigt Marcus B. Klöckner anhand vieler Beispiele auf, wie es aussieht, wenn Medien Scheinwirklichkeiten erzeugen, und verdeutlicht, wie in einem System „freier Medien“ eine spezielle Form von Zensur entsteht. Mit weitreichenden Konsequenzen für unsere Demokratie und uns alle. Ein Auszug.

Werfen wir einen kurzen Blick auf die »Langzeitstudie Medienvertrauen« der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität. »Von 36 auf 43 Prozent gestiegen«[105], so heißt es in der Studie, »ist auch die Wahrnehmung, dass die Medien die gesellschaftlichen Zustände ganz anders darstellen, als es die Bürger in ihrem eigenen Umfeld wahrnehmen.«[106] Ferner stimmten 25 Prozent der Bürger der Aussage zu: »Die Medien arbeiten mit der Politik Hand in Hand, um die Meinung der Bevölkerung zu manipulieren.«[107]

Es wäre interessant zu erfahren, wie die Befragten, die die hier angeführten Angaben gemacht haben, über Zensur in Deutschland denken. Wenn Medien »gesellschaftliche Zustände« ganz anders darstellen, als es die Bürger in ihrem eigenen Umfeld wahrnehmen, dann können wir ein ziemlich lautes Alarmsignal hören, das uns auf zensierte Diskurse, auf Zensur aufmerksam macht. Bourdieu jedenfalls spricht davon, dass sowohl der Diskurs als auch das gesamte Feld als »Instrument der Zensur«[108] dienen.

Der Soziologe betont, wie wichtig es ist, »die sozialen Bedingungen der Konstituierung des Feldes, in dem dieser Diskurs produziert«[109] wird, zu analysieren, »denn dort liegt das eigentliche Prinzip dessen, was hier gesagt oder nicht gesagt werden«[110] kann. Für uns bedeutet das: Je mehr wir in seiner Gesamtheit erfassen, wie das journalistische Feld zusammengesetzt ist, umso deutlicher wird die Zensur, die aus ihm hervorgeht, und schließlich, endlich, auch greifbarer. Wir verstehen, dass das, was einen gesellschaftspolitischen kritischen Journalismus ausmacht, also zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Akteuren kritisch nachzuhaken, unbequeme Fragen zu stellen, sich nicht mit einfachen und gefälligen Antworten zufrieden geben, bei diesem Feld sehr oft (natürlich nicht immer!) nur noch in einer völlig verkümmerten Form stattfinden kann (hier wären dringend umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich, die im Sinne Bourdieus das journalistische Feld erfassen, analysieren und im Hinblick auf die Zensur genauer beleuchten).

mehr:
- Wenn Journalismus zur Glaubenslehre wird (Marcus Klöckner, NachDenkSeiten, 25.10.2019)

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Eine komplexe und kritische Beschäftigung mit dem Thema Weltanschauung stellt Martin Heideggers Vortrag Die Zeit des Weltbildes von 1938 dar. Heidegger hatte sich noch 1933/34 entschieden für die Nationalsozialisten engagiert, während ab 1936 – u. a. anhand der Beschäftigung mit Nietzsche und dem Nihilismus – seine Haltung distanzierter wurde. Heideggers Kritik am Nationalsozialismus ist keine politische Kritik, sondern eine Kritik, die die gesamte abendländische Metaphysik trifft.
Für Heidegger stellt das Weltbild ein Mittel der technisch-wissenschaftlichen Zurichtung der Welt in der Neuzeit dar, auf welche die abendländische Metaphysik letztlich hinausliefe. Damit wird für Heidegger die Vor-stellung von der Welt gerade zum Symptom der Vergegenständlichung des Seins ausschließlich als bloß Seiendes (siehe auch Ontologische Differenz) und damit zur Abkehr von einer wie auch immer gedachten Besinnung:
„Daß die Welt zum Bild wird, ist ein und derselbe Vorgang mit dem, daß der Mensch innerhalb des Seienden zum Subjectum wird.“ [und] „Sobald die Welt zum Bilde wird, begreift sich die Stellung des Menschen als Weltanschauung […]. Dies bedeutet: Das Seiende gilt erst als seiend, sofern es und soweit es in dieses Leben ein- und zurückbezogen, d. h. er-lebt und Er-lebnis wird.“[16]
Somit macht sich der Mensch zum absoluten Maß und zur Richtschnur alles Seienden:
„Weil diese Stellung sich als Weltanschauung sichert, gliedert und ausspricht, wird das neuzeitliche Verhältnis zum Seienden in seiner entscheidenden Entfaltung zur Auseinandersetzung von Weltanschauungen […]. Für diesen Kampf der Weltanschauungen setzt der Mensch die uneingeschränkte Gewalt der Berechnung, der Planung und der Züchtung aller Dinge ins Spiel.“[16]
[Weltanschauung, Kritik, Wikipedia, abgerufen am 27.10.2019]
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siehe auch:
Pressefreiheit, Whistleblowing und Julian Assange – Podiumsdiskussion bei den Buchkomplizen (Post, 21.10.2019)
Wichtige Medien wie die Süddeutsche Zeitung haben ihren Standort in Richtung Manipulation verschoben (Post, 24.09.2019)
Die Süddeutsche übt Bumerang-Werfen… (Post, 16.09.2019)
Gleiwitz 2.0 – transatlantischer Kleber übt schon mal öffentlich für den Ernstfall (Post, 07.04.2019)
Nachtrag zur Unglaubwürdigkeit der Tagesschau und zur erkennbaren Gleichrichtung vieler Medien. Wer steuert Medien und Politik? (Post, 05.10.2018)
Der Presserat ist Teil des Systems (Post, 05.06.2018)
Putin 3 – Die Gleichschaltung der westlichen Medien (Post, 26.02.2016)
Beispiel Kosovo-Krieg: Anteil der Medien an der Vorbereitung, Begleitung und Auswertung der NATO-Angriffe (Post, 03.03.2015)
Forschungsarbeit: Meinungsmanipulationsstrategien in Frieden und Krieg (Jens Wernicke, Institut für Medienverantwortung, Juli 2009?)

ZAPP: Vertrauen in Medien ist gesunken {13:46 – Start bei 1:41}

Newskritik Archiv
Am 22.12.2014 veröffentlicht 
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Kein Wunder sinkt das Vertrauen der Leute in die Medien. Es wird überall manipuliert, unkontrolliert abkopiert, Nachrichten von Agenturen abgekauft, usw.
Inzwischen weiss ein jeder, dass man den Massenmedien nicht bei Allem glauben sollte. Daran sind die Massenmedien vielfach selber Schuld.

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