Als am vergangenen Samstag die Hubschrauber über der Corona-Demonstration kreisten, haben sie sicherlich auch eines jener schlauen optischen Geräte an Bord gehabt, die Gesichter erkennen und damit die Größe einer Menschenmenge recht zuverlässig ermitteln können. Den verantwortlichen Politikern dürfte die Kopfzahl der Demonstranten mittlerweile bekannt sein. Und sie wird ihnen nicht gefallen. Aber es ist nicht nur die schiere Masse der Menschen, die ihnen Kopfzerbrechen bereiten müsste, sondern auch ihre Zusammensetzung.
Vor ihren Augen entsteht hier etwas Neues und etwas Merkwürdiges, das man mit dem bisherigen Mittel der Stigmatisierung auf Dauer nicht aufhalten wird. Wenn sich innerhalb des Parlamentes keine schlagkräftige Opposition mehr artikulieren kann, wird dies eben außerhalb des Parlamentes geschehen. Und da man offenbar nicht bereit ist, diesen politischen Kardinalfehler zu korrigieren, wird man den Weg bis zum bitteren Ende gehen müssen.
So ähnlich wie ein Fluss, den man aufstaut, sich einen neuen Weg sucht, wird sich auch die Unzufriedenheit mit der gegenwärtigen Politik mäandernd durchs Land bewegen und unterwegs immer mehr an Momentum gewinnen. Die Entmachtung des Parlamentes, die von den gegenwärtigen Repräsentanten der Parteien vorangetrieben wurde, erhält ein spiegelbildliches Pendant, das kein Vertrauen mehr in Parlamentarismus, staatliche Strukturen und Medien hat. Was da am Ende rauskommen wird, kann niemand ernsthaft voraussehen. Eine alte Weisheit gemahnt aber zur Vorsicht: Das Gegenteil von schlecht muss nicht unbedingt gut sein, es kann auch noch schlechter sein.
Die Demonstration „Querdenken“ war eine Zurschaustellung politischer Widersprüchlichkeiten, die nicht die Demonstranten, sondern die Politik aufzulösen bereit sein muss. Sie ist eine Warnung an eine Politik, die ihre Altersschwäche nicht erkennen will. Obwohl Widerspruch aus der Gesellschaft eine demokratische Selbstverständlichkeit ist, reagiert die Politik immer häufiger mit Schaum vor dem Mund und wird ausfällig wie ein vom Leben enttäuschter Greis.
mehr:
- Es geht nicht um die Maske, es geht um die Lüge (Fabian Nicolay und Dirk Maxeiner, AchGut, 01.09.2020)
siehe auch:
- Corona: Was war los am WE in Berlin? Über die Gleichschaltung der Medien (Post, 31.08.2020)
x
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen