Donnerstag, 8. Oktober 2020

"Die OPCW hat noch die Möglichkeit, sich selbst zu korrigieren"

Verhinderte Rede des ersten Generaldirektors der OPCW, José Bustani, über die Politisierung der Arbeit, Chemiewaffen in Syrien und einen Appell an seinen Nachfolger

Im UN-Sicherheitsrat haben die USA, Großbritannien, Frankreich und ihnen nahestehenden Mitgliedsstaaten am Dienstag eine Intervention von José Bustani, dem ersten Generaldirektor der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPVW), zu einem umstrittenen Bericht über einen mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien verhindert.

José Bustani sollte vor dem Sicherheitsrat zu einem mutmaßlich manipulierten Bericht (Der OPCW-Abschlussbericht und der angebliche Giftgasangriff in Duma) über einen Zwischenfall in der syrischen Stadt Duma am 7. April 2018 sprechen. Eine folgende Untersuchung der OPCW sorgt für anhaltende Konflikte in der Organisation. Autoren der Untersuchung werfen der OPCW-Leitung vor, die Aussagen so manipuliert zu haben, dass die syrische Luftwaffe verantwortlich gemacht werden konnte. Dafür seien eine Reihe von Erkenntnissen der Untersuchungsmission vor Ort beiseitegeschoben worden. Zahlreiche Leaks aus der OPCW haben die These inzwischen bestätigt.

Brisant ist die Debatte in der OPCW auch, weil die USA, Großbritannien und Frankreich nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff umgehend Ziele in Syrien bombardiert hatten. Die OPCW-Inspektoren fanden später Beweise, die gegen eine Täterschaft der syrischen Luftwaffe sprachen. Ihre Erkenntnisse wurden auf Druck der Organisationsleitung und der USA jedoch zensiert.

Vor dem UN-Sicherheitsrat stellte sich Bustani nun vor die OPCW-Inspekteure, die nach den Geschehnissen in Duma vor Ort waren. Zugleich drängte er den amtierenden Generaldirektor Fernando Arias die bislang zensierten Erkenntnisse öffentlich zu machen. Kritisiert worden war vor allem, dass der Bericht der OPCW über den mutmaßlichen Giftgasangriff in Duma im April 2018 von einem fast komplett neuen Autorenteam verfasst wurde, nachdem alle Mitglieder der Vor-Ort-Mission abgezogen worden waren. Nachdem diese Mitarbeiter mit ihrer Kritik intern nicht durchdrangen (Ex-OPCW-Inspekteur kritisiert Abschlussbericht über den Duma-Vorfall), kam es zu Leaks mehrerer interner Dokumente.

"Unter großem Risiko für sich selbst haben es (die Inspekteure) gewagt, sich gegen ein mögliches irreguläres Verhalten in Ihrer Organisation auszusprechen, und es liegt zweifellos in Ihrem, im Interesse der Organisation und im Interesse der Welt, dass Sie sie anhören", so Bustani zu Arias. "Unabhängig davon, ob die Bedenken, die im Zusammenhang mit dem Verhalten der OPCW bei der Duma-Untersuchung geäußert wurden, stichhaltig sind oder nicht, wäre es ein wichtiger erster Schritt zur Behebung des Imageschadens, den die Organisation erlitten hat, wenn Sie sich anhören würden, was Ihre eigenen Inspektoren zu sagen haben. Diese Inspektoren behaupten nicht, Recht zu haben, aber sie wollen eine faire Anhörung erhalten".
mehr:
siehe auch:
ZAPP Studie: Vertrauen in Medien ist gesunken (Annette Leiterer, NDR/ZAPP, 17.12.2014)
Anmerkung:
Ab Min. 1:00 des in dem ZAPP-Artikel eingebetteten Videos erfährt man den Titel der Bröckers-Lesung: »Wir sind die Guten«

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