Montag, 28. April 2008

KHK-Patienten und die Psyche

[KHK = koronare Herzkrankheit, bedeutet: ungenügende Versorgung des Herzmuskels mit Sauerstoff, meist durch arteriosklerotische Verengung der Herzkranzgefäße]

PLÖTZLICHER HERZTOD

KHK-Patienten sterben am Todestag der Eltern

Sich jährende Todestage von engen Verwandten können Herzpatienten gefährlich werden. Denn überzufällig häufig sterben sie am gleichen Tag wie ihre Eltern. Offenbar kann der psychosoziale Stress an solchen emotionalen Anlässen letale Arrhythmien auslösen.

Dies folgt aus einer Untersuchung südamerikanischer Autoren, die 102 Fälle von plötzlichem Herztod untersucht haben. 70% der Patienten hatten eine KHK. Sieben Patienten verstarben am Todestag des Vaters, fünf am Todestag der Mutter, einer starb am gleichen Tag, an dem beide Eltern zu Tode gekommen waren. Bemerkenswert: Zehn der 13 Personen waren Männer, und vier starben im selben Alter wie die Eltern.

• J. A. Marquez et al.: JACC, März 2008, Vol. 51; No. 10 (Suppl. A), Abstract 1029-100


Psychologische Betreuung halbiert Infarktrisiko

Eine psychologische Betreuung von KHK-Patienten, die Angst und Depression gezielt aufspürt und ggf. behandelt, reduziert das Herzinfarktrisiko dramatisch. Dies folgt aus einer prospektiven Kohortenstudie, in der bei 516 KHK-Patienten (Durchschnittsalter 68 Jahre, 80% Männer) über knapp 3,5 Jahre die mentale Gesundheit überwacht worden ist. Die Autoren forschten nach Symptomen von Depression und Angst. Patienten, bei denen diese Symptome im Beobachtungszeitraum nachgelassen hatten oder zumindest konstant geblieben waren, hatten ein um 60% bzw. 50% geringeres lnfarktrisiko als solche, deren mentale Symptomatik zugenommen hatte.

Chronische Angst erhöht den Sympathikotonus und reduziert die Herzfrequenzvariabilität sowie die Baroreflex-Reaktivität. Dies kann zu Thrombosen und Rhythmusstörungen führen. KHK-Patienten sollten deshalb nicht nur kardial, sondern auch psychologisch betreut werden.

• Quelle: Y. Young-Xu et al., Brookline, MA/USA: JACC, März 2008 Vol. 51; No. 10 (Suppl. A), Abstract 1035-229

aus MMW-Fortschr. Med. Nr. 16/2008


Donnerstag, 24. April 2008

Eine kleine VOGELPARADE

Vom Wattenmeer bis in die Alpen: Deutschland beherbergt eine Fülle ornithologischer Schätze. Wer genau hinschaut und zuhört, wird viele von ihnen entdecken.

VON WOLFGANG HASSENSTEIN UND KILLIAN MULLARNEY/DAN ZETTERSTRÖM (ILLUSTRATIONEN)

BLAUKEHLCHEN - Luscinia svecica
Manch Schönheit lebt im Verborgenen – wie das Blaukehlchen Ein ausnehmend hübscher Singvogel, in Deutschland heimisch, aber sehr scheu. Rund 4000 Paare brüten bundesweit, meist in Weidengebusch an Gewässern, und weil die Vögel derzeit auch Grabensysteme erobern, wächst ihre Zahl sogar. Blaukehlchen sieht man nicht oft – umso größer das Glücksgefühl, wenn es doch einmal gelingt.
Beobachtung: Die Vogel verraten sich durch ein trockenes „track“ oder singen Melodien aus klirrenden und knirschenden Tönen. Der „Stern“ im blauen Kehlfleck ist bei Vögeln in Mitteleuropa weiß, in Skandinavien und den Alpen rot (Bild).






ROTMILAN – Milvus milvus
Es gäbe gute Gründe dafür, den Bundesadler durch einen Rotmilan zu ersetzen. Denn mit rund 12.500 Paaren brüten mehr als die Hälfte aller Rotmilane der Welt in Deutschland – es ist die einzige Vogelart, die bei uns ihren Verbreitungsschwerpunkt hat. Somit tragen wir auch die Hauptverantwortung fur ihre Erhaltung. Aber allein zwischen 1991 und 1997 ging die Zahl der Brutpaare um 25 bis 30 Prozent zurück, und der Niedergang hält an, vor allem in der wichtigsten Brutregion nördlich des Harzes. Rotmilane brauchen abwechslungsreiche Landschaften mit Wäldern für den Nestbau und Feldern für die Jagd nach Nagetieren. Mit Flurbereinigungen und lntensivlandwirtschaft kommen sie nicht zurecht. „Birdlife international“ warnte kürzlich, der zunehmende Rapsanbau für Biodiesel gefährde die Art zusätzlich.
Beobachtung: Die auch Gabelweihe genannte Art ist durch den tief gegabelten, langen Schwanz gut zu erkennen.


KRANICH – Grus grus
Balzende Kraniche zeigen Luftsprünge, verbeugen sich voreinander und werfen Zweige in die Luft. Die Gruppentänze sind spektakulär – wie auch das Comeback der Kraniche als Brutvogel. Um 1960 gab es nur noch rund 370 Paare in der DDR und zwölf im Westen: doch 2004 brüteten – meist im Nordosten – wieder rund 5600 Paare. Schutzgebiete sowie eine gestiegene Toleranz gegenuber Menschen haben dies möglich gemacht.
Beobachtung: Ziehende Kraniche – am Formationsfiug und den ausgestreckten Hälsen zu erkennen – machen oft durch laute Trompetenrufe auf sich aufmerksam, im Herbst rasten Zehntausende Kraniche an der Ostseeküste und in Brandenburg. Sie lassen sich besonders im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft gut beobachten; die Balztänze finden im Frühling statt. Informationen unter www.kraniche.de


KAMPFLÄUFER – Philomachus pugriax
Kampfläufer-Mannchen sind üble Machos: Sie rangeln in stundenlangen Turnieren um die Gunst der Weibchen, sie prahlen mit ausladendem Federschmuck, kümmern sich nicht um den Nachwuchs – und haben tatsachlich mehr Hoden als Hirn. Die Weibchen, die selbst ganz unscheinbar daherkommen, fordern das Spektakel auch noch durch ihr Verhalten: Sie lassen sich bevorzugt von jenem Mannchen begatten, das den zentralen Platz in der Balzarena erobert hat, und widmen sich dann klaglos der Alleinerziehung ihrer Brut. Die bizarren Schaukämpfe sind in Deutschland aber nur noch selten zu sehen, denn Kampfläufer sind bei uns vom Aussterben bedroht. Ihre Bruthabitate – Sumpfe und Feuchtwiesen – wurden vernichtet, es gibt nur noch rund 100 Brutpaare.
Beobachtung: Bundesweit gibt es nur noch wenige Turnierplätze auf küstennahen Feucht- oder Salzwiesen. Größere Bestande – und bessere Beobachtungschancen – in Skandinavien.


REBHUHN – Perdix perdix
Das Rebhuhn ist ein treuer Familienvogel, ernährt sich meist vegetarisch und ist trotz seiner dicklichen Figur ein passabler Flieger also rundum sympathisch. Dem Menschen folgte es einst in die Kulturlandschaft, inzwischen aber ist es Opfer der Naturzerstörung. Denn die Vögel finden kaum noch geschützte Brutplätze, sterben durch Landmaschinen oder Pestizide, und Küken verhungern, weit sie kaum noch Nahrung finden. Zudem werden viele Rebhühner von Autos überfahren. Allein in den 90er-Jahren schrumpfte die Zahl der Brutpaare in Deutschland von mehr als 100.000 auf unter 40.000. Und obwohl die Art als „stark gefährdet“ gilt, darf sie noch immer gejagt werden: Im vergangenen Jahr schossen deutsche Jäger offiziell 13.181 Rehhühner – die Dunkelziffer dürfte noch darüber liegen.
Beobachtung: Rebhuhn-Gruppen scheucht man – auf Feldern oder Wiesen meist durch Zufall auf: Dicht vor den Füßen fliegen sie mit einem burrenden Flügelgerausch auf, gleiten bodennah eine kurze Strecke und landen wieder.


KUCKUCK – Cuculus canorus
Nach menschlichen Maßstäben ist der Brutparasitismus des Kuckucks skrupellos. Dennoch mögen wir diesen Vogel, denn er ruft so nett seinen eigenen Namen, wenn er im Mai an seinem Winterquartier in Afrika zurückkommt. Kuckucke sind Trans-Sahara-Zieher, was sie zu potenziellen Opfern des Klimawandels macht. Denn durch die Ausbreitung der Wüsten gehen wichtige Rastplätze verloren. Und wenn sie am Brutplatz ankommen, haben sich im warmeren Klima Nahrungsinsekten schon früher entwickelt. Oder die Jungen der Wirtsvogel sind schon geschlüpft, sodass die Kuckuckweibchen ihre Eier nicht mehr in deren Nester legen können. In Deutschland gibt es noch rund 90.000 Brutpaare, der Bestand schrumpft.
Beobachtung: Am zweisilbigen Reviergesang leicht zu erkennen und zur Brutzeit auch häufig zu sehen.


BASSTÖLPEL – Morus bassanus
Es ist eines der spektakulärsten Naturschauspiele Deutschlands, wenn ein Basstölpel beim Fischfang wie ein Pfeil ins Meer schießt. Sobald der mächtige Vogel (Spannweite 1,80 Meter) eine lohnende Beute sichtet, legt er die Flügel an und saust hinab – mit bis zu 100 Stundenkilometern. Oft jagen Basstölpel in Gruppen, das Durcheinander beim Eintauchen verwirrt die Beutefische. Seit sich 1991 die ersten Basstölpel auf Helgoland niederließen, stieg ihre Zahl stetig auf inzwischen 294 Brutpaare. Die bunten Nester auf den Felsvorsprungen, in denen die grauen, wuscheligen Jungvogel sitzen, sind ein kurioser Anblick: Sie bestehen großenteils aus Fischernetzen und Plastikabfällen. Alljährlich verheddern sich darin einige Jungvogel und bleiben hilflos in der Klippe hängen – ein Symbol für die Folgen der Meeresverschmutzung.
Beobachtung: In Deutschland nur auf Helgoland möglich, Frühjahr bis Sommer, am besten Ende Mai bis Juli. Auch andere Hochseearten wie Trottellummen und Eissturmvögel kann man hier beobachten.





HAUSSPERLING – Passer domesticus
Er gilt als Allerweltsvogel schlechthin – ein typischer Kulturfolger, in Dörfern und Städten auf allen Kontinenten wohlbekannt. Und dennoch steht der Haussperling – oder Spatz in Deutschland auf der „Vorwarnliste“ der bedrohten Arten. Obwohl er heute kaum noch als Schädling verfolgt wird, geht sein Bestand zurück, und vielerorts ist er bereits verschwunden. Vermutlich behagen ihm die zunehmend aufgeräumten Siedlungen nicht – und für den Körner- und Krümeifresser fällt dort immer weniger Nahrung an. Bezeichnend ist seine Vorliebe für bestimmte Städte: „Berlin ist auch Hauptstadt der Spatzen“, meldet der Nabu. 120.003 Brutpaare gibt es dort trotz leichter Einbußen nach der neuesten Hochrechnung noch – pro Hektar viermal mehr als zum Beispiel im geleckten Hamburg.
Beobachtung: Trotz Bestandsrückgang zählt der Spatz noch zu den häufigsten Stadtvögeln. Bei der Berliner Zahlung fanden sich die meisten Spatzen – im Zoo. Oft verrät sich ein Schwarm auch durch den Larm, der aus einer Hecke dringt und etwa so klingt: „tschilp tschef tschilp tschelp tschurp …“


BIENENFRESSER – Merops apiaster
Die tropisch anmutenden Bienenfresser breiten sich von Jahr zu Jahr weiter aus – und machen als Boten des Klimawandels das Vordringen mediterraner Verhältnisse nach Mitteleuropa fur jedermann sichtbar. Noch Anfang der 90er-Jahre brüteten nur einzelne Paare in Deutschland, 2007 sind es bereits rund 500, hauptsachlich im südbadischen Kaiserstuhl und im Saaletal in Sachsen-Anhalt. Bienenfresser tragen ihren Namen übrigens zu Recht: Die Vögel erbeuten Wespen, Hummeln und Bienen, berauben sie, indem sie diese gegen ihren Sitzast schlagen, und drücken dann das Gift heraus.
Beobachtung: Im Kaiserstuhl, dem Mini-Gebirge bei Freiburg im Breisgau, kommen bereits so viele Bienenfresser auf kleinem Raum vor, dass sie in Frühling und Sommer leicht zu finden sind. Gerne sitzen sie auf Leitungen oder Masten – Fernglas nicht vergessen!

























MAUERLÄUFER – Tichodroma murarla

Einer der schönsten Brutvogel Deutschlands lebt ausgerechnet im Hochgebirge, meist in 1000 bis 3000 Metern Höhe. In ihrem alpinen Lebensraum sind Mauerläufer zwar weit verbreitet, aber selten. Gerade mal 200 Brutpaare soll es im deutschen Teil der Alpen geben. An unzugänglichen, feuchten Felswänden jagen die Vogel Insekten und Spinnen, wobei sie rastlos umherflattern. Disziplin herrscht im Nest, das in Felsritzen gebaut wird und zwei Öffnungen besitzt: Manche Paare nutzen die eine als Eingang und die andere als Ausgang, bei anderen sind sie jeweils dem Weibchen beziehungsweise dem Männchen vorbehalten. Der Bestand ist vermutlich stabil, eine Gefahr stellt der zunehmende Bergtourismus dar.
Beobachtung: Mauerläufer zu entdecken ist Wanderern und Bergsteigern vorbehalten, und auch die brauchen Glück, denn die Vögel sind trotz prächtiger Flügelfärbung leicht zu übersehen. Also ab und zu den Blick über eine Felswand schweifen lassen, vor allem in der Nähe von Wasserfällen – und beim Bergsteigen Rücksicht nehmen.



GROSSTRAPPE – Otis tarda
Schon gewusst, dass einer der schwersten flugfahigen Vogel der Welt in Brandenburg lebt? Männliche Großtrappen wiegen bis zu 16 Kilo und heben dennoch ab! Faszinierend ist die Gruppenbalz, bei der sie sich in wogende Schneebälle verwandeln. Früher waren Großtrappen weit verbreitet, heute sind sie fast überall in Deutschland ausgestorben. Mitte der 90er-Jahre drohte infolge der Intensivierung der Landwirtschaft auch der ostdeutsche Bestand zu erlöschen. Inzwischen hat sich die Zahl wieder mehr als verdoppelt, auf knapp über 100 Tiere. Der Erfolg ist Vogelschützern zu verdanken, die vor Ort eine Extensivierung der Landwirtschaft erreichten – und handaufgezogene Jungtrappen aussetzen.
Beobachtung: Um die Balz (April bis Mai) zu sehen, sind Fernglas, Geduld und Glück nötig. Bester Ort ist das Havelländische Luch bei Rathenow. Tipps unter www.grosstrappe.de



KLEIBER – Sitta europaea
Gute Nachrichten vom Akrobaten der Wälder: Seit den 90er Jahren wächst die deutsche Kleiber-Population um durchschnittlich 0,8 Prozent pro Jahr – bei insgesamt etwa einer Million Brutpaaren kommen also jährlich rund 16.000 Vögel hinzu. Möglicherweise ist der Zuwachs die Folge der naturnäheren Waldbewirtschaftung, denn Kleiber lieben große Laubbäume und brüten gerne in verlassenen Spechthöhlen. Vögelschutzer fürchten aber, dass sich der Trend bald umkehren konnte, da der Holzeinschlag stark zugenommen hat.
Beobachtung: In Wäldern, Parks und großen Gärten, auch im Winter. Unverkennbar ist der Kletterstil: Nur Kleiber können kopfüber einen Stamm hinunter laufen. Der Gesang setzt sich aus lauten Pfiffen oder Trillern zusammen: die Warnrufe – „twett“ oder „tschuitt“, oft zu schnellen Folgen aneinandergereiht, zahlen zu den typischen Waldgerauschen.


WALDSCHNEPFE – Scolopax rusticola
Meist führen Waldschnepfen ein heimliches Waldleben, leichtsinnig werden die Männchen wie so viele Vogel nur bei der Balz: Dann fliegen sie abends an Waldrändern ihre Runden und geben Grunzlaute mit einem explosiven Abschluss von sich, etwa so:" „oart-oart-oart-PISSP!“ Dieser „Schnepfenstrich“ fasziniert die Weibchen, auf dem Waldboden kommt es daraufhin zum One-Night-Stand. Übrigens: Deutsche Jäger schossen im Jahr 2006 genau 15.612 Waldschnepfen, meist Zugvögel. Diese Praxis unterscheidet sich durch nichts von der heftig kritisierten Singvogeljagd in Italien.
Beobachtung: Im Wald scheucht man die gut getarnten Vögel allenfalls zufällig auf. Bessere Sichtungschancen bei der Balz (April bis Mai).


STEINKAUZ – Athene noctua
Auch die kleine Eule mit dem strengen Blick ist ein Opfer der industriellen Landwirtschaft. Das einst geschlossene Verbreitungsgebiet zerfällt zunehmend, es gibt noch rund 7400 Brutpaare, meist in Nordrhein-Westfalen und Hessen. In den östlichen Bundeslandern dagegen kollabierte der Bestand: 1980 brüteten dort noch rund 740 Paare, heute nur noch 40. Denn die Art liebt offene, aber strukturreiche Landschaften mit kleinen Bauernhöfen und Obstgärten. Wo aber Viehweiden in Acker verwandelt werden und Obstwiesen in Neubaugebiete, verschwinden auch die Steinkauze. Also: Apfelsaft aus Streuobst kaufen!
Beobachtung: Weil sie teilweise tagaktiv sind und gerne von exponierter Warte nach Insekten, kleinen Vogeln oder Amphibien spähen, sind Steinkäuze relativ häufig zu sehen. Der wellenförmige Flug ähnelt dem von Spechten.



KIEBITZ – Vanellus vanellus
Der Kiebitz steht hier stellvertretend für eine Reihe von Wiesenvögeln, deren Populationen dramatisch abnehmen. Vielerorts ist die Art verschollen, nur in Gebieten mit intensivem Naturschutz sowie an der Küste konnten sich größere Bestände halten (bundesweit rund 85.000 Brutpaare). Nach der Trockenlegung der Niedermoore, ihres ursprünglichen Lebensraumes, besiedelten die Kiebitze im 19. Jahrhundert das Kulturland aber mit der industriellen Landwirtschaft von heute kommen sie nicht klar. Der Kiebitz-Schwund kann gestoppt werden, indem man Auen renaturiert und trockengelegte Feuchtwiesen „wiedervernässt“. Zudem brauchen die Vögel ungestörte Ruhezonen.
Beobachtung: Kiebitze kehren schon im März aus Südeuropa zuruck und zählen so zu den ersten Frühlingsboten. Es lohnt sich, balzende Kiebitze mit dem Fernglas zu beobachten: Sie fliegen wilde Manöver bis hin zu Loopings und lassen dabei lustige Quak- und Quietschlaute ertönen.



ROHRDOMMEL – Botaurus stellaris
Diese bizarren Reiher leben in ausgedehnten Schilfbeständen und beherrschen eine perfekte Camouflage: Bei Gefahr recken sie Hals und Kopf kerzengrade empor, sodass ihr gestreiftes Gefieder optisch mit den Halmen verschmilzt, und lassen sich in dieser „Pfahlstellung“ wie im Wind hin und her schwingen. Allerdings sind geeignete Schilfgebiete in denen die Vogel ihr Nest bauen und Fische, Frosche und Insekten jagen – selten geworden: zudem werden Rohrdommeln oft durch Freizeitaktivitäten gestört. In Deutschland brüten nur noch rund 500 Paare, die Art ist vom Aussterben bedroht.
Beobachtung: An schilfigen Ufern, etwa in Mecklenburg-Vorpommern, kann man im Frühling den dumpfen Balzruf kilometerweit hören. Die Männchen geben, mehrfach wiederholt, ein nebelhornartiges „whuump“ von sich – einen der tiefsten Laute im Vogelreich.

aus greenpeace magazin 5.07

Montag, 21. April 2008

Fernseh- bzw. Filmtips

Es gibt Filme, die sind so rund, daß man danach keine große Lust hat, drüber zu sprechen. Was "Wie im Himmel" fürs Herz, das ist "Die Invasion der Barbaren" (kam gestern, Sonntag, auf 3sat) für die intellektuelle Seele.

Und da ja gerade die 68er wieder in sind: Wer die Gelegenheit hat, sollte sich irgendwann mal "Flashback" ansehen.

Am nächsten Freitag, 25.4., läuft auf dem Vierten "Halbblut". Der Sender nennt es einen Ethnokrimi. Der von Robert De Niro co-produzierte Krimi basiert auf Vorfällen, die sich von 1971 bis 1978 im Pine Ridge Reservat ereigneten.

Donnerstag, 10. April 2008

Gen-Scheiß – Gäähn

Langsam werde ich müde, mich immer wieder mit dem Irak-Krieg, Tibet, Gen-Technik oder sonst welchem Wahnsinn zu beschäftigen, der einem die Galle überlaufen läßt, aber ansonsten zieht die Heuschrecken-Karawane des vernetzten und globalisierten Großkapitals weiter.

Also auf ein Neues! Wer noch nicht genug hat, für den habe ich hier einige Links, in denen entweder auf aktuelle Entwicklungen von Freiland-Versuchen in Gießen Bezug genommen wird oder das globale Tun von Monsanto (immer wieder) eindrucksvoll zusammengefaßt wird. Dabei fällt mir eine Diskussion nach dem 11. September ein. Es gab einige Aufgeregtheiten, weil irgendjemand den Crash der beiden Passagiermaschinen als »perverse Ästhetik« oder »perverse Schönheit« bezeichnet hatte und sich mal wieder ein paar Aufgeregte darauf stürzten und das ganz furchtbar fanden, daß hier jemand die Unverschämtheit besitzt, in Bezug auf diese Katastrophe den Begriff »Schönheit« zu verwenden (in unserer SMS-Zeit besteht natürlich die Gefahr, Adjektive unter den Tisch fallen zu lassen).
Was ich damit sagen wollte ist: Wie sich Monsanto in die Welt hineinfrißt, hat ebenfalls eine perverse Schönheit. Die Unaufhaltsamkeit, mit der sich diese Scheiße ausbreitet und die perverse Logik, nach der dann die »GenDreckWegger« (also die, die widerrechtlich Felder von Gen-Pflanzen befreien) vor Gericht kommen, ist sehr beeindruckend. Also, hier die Links (Danke an konfusius):

Leserbrief im Gießener Anzeiger
Golfer gegen Gendreck (Eugen Pletsch, Cybergolf, 05.12.2010)
Gen-Kritik (Helmut Höge, taz.blogs, 16.03.2008)

ältere Posts von mir
Gen-Scheiß, die nächsten drei (Post, 03.04.2008)
Gen-Scheiß, die nächsten drei von allen (Post, 31.03.2008)
Bush und Monsanto (Post, 13.03.2008)
Monsanto, mit Gift und Genen (Post, 12.03.2008)

Mittwoch, 9. April 2008

Botschaft Seiner Heiligkeit des Dalai Lama an alle Tibeter

Ich entbiete allen Tibetern in Tibet meine herzlichsten Grüße und möchte hier einige meiner Überlegungen mit ihnen teilen:

1. Seit dem 10. März dieses Jahres sind wir Zeuge von Protesten und Demonstrationen in fast allen Teilen Tibets geworden, sogar in einigen Städten in China protestierten Studenten – all das ist der Ausbruch der seit langem angestauten äußeren und inneren Qualen der Tibeter und ihres Gefühls tiefer Verbitterung aufgrund der Unterdrückung der Rechte des tibetischen Volks, dem Mangel an religiöser Freiheit und des Versuchs, die Wahrheit bei jeder nur möglichen Gelegenheit zu entstellen: Dazu gehört z.B. die Aussage, die Tibeter blickten nun auf die Kommunistische Partei Chinas wie auf einen „Lebenden Buddha“. Dies ist eine ultralinke Behauptung, die von Han-Chauvinismus zeugt. Ich bin tief betrübt und besorgt über den Einsatz von Waffen und Gewalt bei der Unterdrückung der friedlich vorgebrachten Sehnsüchte des tibetischen Volkes, die Unruhen in ganz Tibet zur Folge hatten mit zahlreichen Toten, vielen weiteren Opfern, Festnahmen und Verletzungen. Eine solche Unterdrückung und solches Leid sind so verhängnisvoll und tragisch, dass jeder mitfühlende Mensch zu Tränen gerührt wird. Angesichts dieser tragischen Ereignisse fühle ich mich gänzlich hilflos.

2. Ich bete für alle Tibeter und auch für alle Chinesen, die in der jetzigen Krisenzeit ihr Leben verloren haben.

3. Die jüngsten Proteste in ganz Tibet widerlegen nicht nur die Propaganda der Volksrepublik China, dass, abgesehen von einigen wenigen „Reaktionären“ die Mehrheit der Tibeter zufrieden sei und ein Leben in Wohlstand führe, sondern führt sie ad absurdum. Diese Proteste haben ganz klar gezeigt, dass die Tibeter in den drei Provinzen Tibets, in U-tsang, in Kham und in Amdo, dieselben Hoffnungen und Sehnsüchte hegen. Diese Proteste sind eine Botschaft an die Welt, dass das Tibet-Problem nicht länger vernachlässigt werden darf. Diese Proteste zeigen, wie dringend notwendig es ist, das Problem auf dem Wege der „Wahrheitsfindung durch Fakten“ zu lösen. Der Mut und die Entschlossenheit jener Tibeter, die um der höheren Interessen des tibetischen Volkes willen ihrem bitteren Schmerz und ihrer Hoffnung Ausdruck verliehen und dabei alles aufs Spiel setzten, verdienen große Bewunderung, was die Weltgemeinschaft auch anerkannte und die Beweggründe dieser Tibeter unterstützte.

4. Ich schätze ganz besonders das Verhalten von vielen tibetischen Regierungsangestellten und von führenden Mitgliedern der Kommunistischen Partei, die, ohne ihre tibetische Identität aufzugeben, mit Entschlossenheit und Vernunft in der gegenwärtigen Krise das Richtige getan haben. Für die Zukunft bitte ich daher alle tibetischen Parteikader und Regierungsangestellten, nicht immer nur auf ihren persönlichen Vorteil zu achten, sondern sich für die Wahrung der eigentlichen Interessen Tibets einzusetzen, indem sie ihren Vorgesetzten in der Partei die tatsächlichen Gefühle des tibetischen Volkes vermitteln und versuchen sollten, dem tibetischen Volk eine unvoreingenommene Führung zu geben.

5. Präsidenten, Ministerpräsidenten, Außenminister, Nobelpreisträger, Parlamentarier und besorgte Bürger aus allen Teilen der Welt wandten sich mit klaren und deutlichen Worten an die chinesische Führung, von ihrem gegenwärtigen harten Vorgehen gegen das tibetische Volk Abstand zu nehmen. Sie alle legten der chinesischen Regierung nahe, einen Weg einzuschlagen, auf dem eine für beide Seiten nutzbringende Lösung gefunden werden könnte. Wir sollten uns nun eine Möglichkeit dafür schaffen, dass ihre Bemühungen positive Ergebnisse hervorbringen können. Ich bin mir dessen bewusst, daß Ihr Euch in jeder Hinsicht herausgefordert fühlt, aber es ist wichtig, dass wir uns an unserer gewaltfreien Praxis festhalten.

6. Die chinesische Regierung hat die falschen Anschuldigungen gegen mich und die Tibetische Zentralverwaltung erhoben, wir hätten die jüngsten Ereignisse in Tibet angestiftet und gelenkt. Derartige Vorwürfe entbehren jeglichen Wahrheitsgehaltes. Ich habe wiederholt vorgeschlagen, dass ein unabhängiges und renommiertes internationales Gremium eine vollständige Untersuchung der Angelegenheit vornehmen soll. Ich bin überzeugt, dass ein solches unabhängiges Gremium die Wahrheit aufdecken wird. Wenn die Volksrepublik China auch nur die geringste Grundlage für ihre Anschuldigungen hat und Beweise dafür beibringen kann, dann möge sie diese vor der Welt offenlegen. Es reicht nicht, bloße Behauptungen aufzustellen.

7. Was die Zukunft Tibets betrifft, so habe ich beschlossen, eine Lösung innerhalb des Rahmens der Volksrepublik China zu finden. Seit 1974 habe ich mich unermüdlich für den beiderseits vorteilhaften Mittleren Weg eingesetzt. Das weiß die ganze Welt. Der Vorschlag des Mittleren Weges bedeutet, dass alle Tibeter einer gleichen Verwaltung unterstehen, die eine substantielle nationale regionale Autonomie genießt mit allem, was damit zusammenhängt, also mit Selbstverwaltung und voller Entscheidungsbefugnis, ausgenommen in Angelegenheiten der Außenpolitik und der nationalen Verteidigung. Ich habe aber von Anfang an gesagt, dass die Tibeter in Tibet das Recht haben, die endgültige Entscheidung über die Zukunft Tibets zu treffen.

8. Die Austragung der Olympischen Spiele in diesem Jahr ist etwas, worauf das 1,2 Milliarden zählende chinesische Volk sehr stolz ist. Von Anfang an habe ich mich für die Austragung der Spiele in Peking eingesetzt. Meine Position in dieser Hinsicht bleibt unverändert. Ich meine, dass die Tibeter die Spiele nicht behindern sollten. Einerseits ist es das legitime Recht eines jeden Tibeters, für seine Freiheit und seine Rechte zu kämpfen. Andererseits wäre es zwecklos und würde niemandem nützen, wenn wir etwas täten, was die Chinesen mit Hass erfüllte. Im Gegenteil, wir müssen Vertrauen und Achtung in unseren Herzen hegen, um eine harmonische Gesellschaft zu schaffen – denn diese kann nicht erbaut werden auf der Basis von Gewalt und Einschüchterung

9. Unser Kampf gilt nur einigen wenigen in der Führungsspitze der Volksrepublik China, aber nicht dem chinesischen Volk. Daher sollten wir versuchen, niemals Missverständnisse entstehen zu lassen oder etwas zu tun, was das chinesische Volk verletzen könnte. Selbst in dieser schwierigen Lage haben uns viele chinesische Intellektuelle, Schriftsteller und Rechtsanwälte in China selbst und in anderen Teilen der Welt ihrer Sympathie versichert und ihre Solidarität mit uns bekundet, indem sie Erklärungen abgaben, Artikel verfassten und uns ihre Unterstützung zusicherten, was einfach überwältigend ist. Ich habe kürzlich, am 28. März, einen Appell an das chinesische Volk auf der ganzen Welt gerichtet, von dem ich hoffe, daß Ihr ihn hören und lesen werdet.

10. Wenn die gegenwärtige Lage in Tibet anhält, dann mache ich mir sehr große Sorgen, dass die chinesische Regierung mit noch mehr Gewalt vorgehen und die Unterdrückung des tibetischen Volkes verstärken wird. Angesichts meiner moralischen Verpflichtung und meiner Verantwortung gegenüber dem tibetischen Volk habe ich die zuständigen Führer der VR China aufgefordert, ihre Unterdrückungspolitik in allen Teilen Tibets unverzüglich einzustellen und ihre bewaffneten Polizeieinheiten und Truppen abzuziehen. Wenn dies Gehör fände, würde ich die Tibeter bitten, von allen weiteren Protesten Abstand zu nehmen.

11. Ich möchte meine tibetischen Landsleute, die außerhalb Tibets in Freiheit leben, bitten, außerordentliche Umsicht walten zulassen, wenn sie ihre Empfindungen über die Entwicklung in Tibet zum Ausdruck bringen. Wir sollten uns auf keine Aktivitäten einlassen, die auch nur entfernt als gewalttätig interpretiert werden könnten. Selbst in einer so provokanten Situation wie dieser dürfen wir nicht zulassen, dass unsere kostbarsten und sorgsam gehüteten Werte kompromittiert werden. Ich bin fest davon überzeugt, dass unser gewaltfreier Weg zum Erfolg führen wird. Wir sollten uns bemühen zu verstehen, woher die beispiellose Sympathie und Unterstützung für unsere Sache rührt.

12. Da Tibet derzeit praktisch abgeriegelt ist und internationalen Medien kein Zugang gewährt wird, hege ich Zweifel, ob meine Botschaft die Tibeter in Tibet erreichen wird. Ab er ich hoffe, dass sie durch die Medien und durch Mundpropaganda die Mehrheit von Euch erreichen wird.

13. Zum Schluß möchte ich noch ein weiteres Mal alle Tibeter dazu aufrufen, Gewaltlosigkeit zu üben und auf keinen Fall von diesem Weg abzuweichen, wie ernst die Lage auch sein möge.

Der Dalai Lama
Dharamsala, 6. April 2008

Übersetzung: Adelheid Dönges, Revision: Angelika Mensching, MoKa
*************************************************************
* Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
* Arbeitsgruppe München

Dienstag, 8. April 2008

Olympisches Ringen


Ein Link zu Reporter ohne Grenzen.

Dazu ein paar Aussprüche von Albert Camus:

Die größte Versuchung für den Menschen unseres Schlages besteht darin,
auf die Gewalt zu verzichten, zu bereuen, den inneren Frieden zu finden.
Die Versuchungen Gottes waren allezeit gefährlicher für die Menschheit als die Satans.

Für einen Menschen ohne Scheuklappen gibt es kein schöneres Schauspiel
als die Intelligenz im Kampf mit einer ihr überlegenen Wirklichkeit.
Das Schauspiel des menschliches Stolzes ist unvergleichlich.

Die Freiheit besteht in erster Linie nicht aus Privilegien, sondern aus Pflichten.

Die einzige Art, gegen die Pest zu kämpfen, ist die Ehrlichkeit.

Verblüffend: Hand an Fuß hilft Knie

Studie belegt: Fußreflexzonen-Therapie bessert Gonarthrose deutlich

Wissenschaftler am Kompetenzzentrum Naturheilverfahren des Universitätsklinikums Jena haben nachgewiesen: Die Fußreflexzonentherapie ist mehr als eine einfache Massage.


Im Rahmen einer Doktorarbeit untersuchte Catharina Güttner bei 30 Patienten mit leichter his mittelschwerer Kniegelenk-Arthrose die Wirksamkeit der Fußreflexzonen-Therapie auf Schmerzempfinden und Beweglichkeit des erkrankten Gelenks.

Über einen Zeitraum von sechs Wochen erhielten die Studienteilnehmer jeweils zwölf Behandlungen, also zweimal wöchentlich eine therapeutische Massage der dem Kniegelenk assoziierten Fußreflexzonen. „Beide Füße wurden dabei jeweils 30 Minuten lang im Fersen- und Achillessehnen-Bereich massiert“, erklärt Prof. Christine Uhlemann, Betreuerin der Arbeit. Zur Überprüfung der Wirksamkeit wurden in der Studie als Vergleichszeiträume auch sechs Wochen vor Behandlung und acht Wochen danach erfasst. Dabei wurde sowohl das subjektive Urteil der Patienten zu ihrem jeweiligen Schmerzempfinden erfragt als auch die Schmerzintensität anhand mehrerer Erbebungsverfahren gemessen. Gleichzeitig wurde die Beweglichkeit des arthrotischen Knies geprüft und verglichen.

Ergebnis der Untersuchung: In beiden Aspekten zeigten sich währen während und nach der Fußreflexzonen-Therapie deutliche Verbesserungen. Die Schmerzintensität ging um mehr als zwei Drittel zurück, und die Beweglichkeit (Beugung) des Kniegelenks konnte um zwölf Grad verbessert werden. 92 Prozent der Studienteilnehmer gaben nach der Therapieserie an, dass sich ihr Zustand gebessert habe.

Wirksamkeit geht über Placebo-Effekt hinaus


Die Studienergebnisse legen nahe, dass die Wirksamkeit der Fußreflexzonen-Therapie über einen Placebo-Effekt hinausgeht: An Referenzpunkten, also an nicht durch die Fußreflexzonen -Therapie stimulierten Bereichen, waren keine Veränderungen der Schmerzintensität zu beobachten. Dies zeige, dass die Therapie tatsächlich nur den betroffenen Bereich, das erkrankte Knie, beeinflusst habe, so Uhlemann.

„Die Fußreflexzonen-Therapie stellt eine regulative Behandlung gestörter Körperfunktionen dar“, erklärt Uhlemann. „Sie zeigt auch bei anderen Krankheitsbildern denselben Nutzen“, fährt die Medizinerin fort. Zwar habe man keinen Follow-up der Studie unternommen, „doch der Effekt der Therapie hält bei der Behandlung der Kniearthrose bestimmt mindestens vier Wochen an.“ Die Kosten der Therapie belaufen sich auf etwa 18 Euro pro Behandlung. AP

aus ärztliche Praxis special • 5/2008

Montag, 7. April 2008

In Kliniken staut sich Frust

Mehr Patienten, weniger Personal: Niedersachsens Krankenhäuser schlagen Alarm

Von Margit Kautenburger und Gabriele Schulte

Hannover. Die Form des Protestes ist ungewöhnlich. Mehr als die Hälfte der insgesamt 195 niedersächsischen Krankenhäuser machen in einer halbseitigen Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ ihrem Unmut Luft. „Aufruhr der niedersächsischen Krankenhäuser“ ist dort zu lesen. Geschäftsführer und Betriebsräte beklagen gemeinsam die sich zuspitzende Finanzmisere der Kliniken. Ihre Kritik richtet sich an Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD): „Der Deckel muss weg!“, lautet ihre Forderung. Angeprangert wird damit das Krankenhausfinanzierungssystem mit gedeckelten Budgets und Fallpauschalen, das immer mehr Krankenhäuser in die roten Zahlen, ja sogar in den Ruin treibe.
„In den Kliniken hat sich eine Wahnsinnswut angestaut“, berichtet Rudolf Mintrop, Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg, das die Kampagne organisiert hat. Aber das ignoriere man in Berlin. „Daher versuchen wir, mit der Anzeige öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen“, erklärt der Geschäftsführer. Die Krankenhäuser hätten viel zu lange stillgehalten und stumm gelitten, bis hin zur Insolvenz. „Aber dieser Aufschrei kann nicht mehr überhört werden.“
Für den 10. April planen die Krankenhäuser einen niedersachsenweiten Aktionstag. „Wir machen Druck, damit das Finanzierungssystem der Krankenhäuser endlich verändert wird“, sagt Mintrop. Es herrsche quasi Planwirtschaft, die Häuser hätten immer höhere Ausgaben, könnten aber ihre Einnahmen nicht erhöhen.
Im Bundesgesundheitsministerium kann man die Aufregung nicht verstehen. „Jeder weiß, was die Aufhebung der Budgetierung bedeutet“, sagt eine Sprecherin. „Die Krankenkassenbeiträge steigen auf Kosten der Versicherten, und das wollen wir nicht.“ Die Kliniken müssten wirtschaftlich arbeiten, und das gelinge auch vielen.
Die Kritiker bestreiten dies. In den vergangenen zehn Jahren seien zehn Prozent der Kliniken verschwunden, die Zahl der Häuser, die rote Zahlen schrieben, sei auf 50 Prozent angewachsen. „Dieser Prozess wird sich noch beschleunigen, wenn von 2009 an fünf Prozent mehr Gehalt bezahlt werden müssen“, rechnet Mintrop vor.
„Die Pflegekräfte stehen an der Grenze der Belastbarkeit“, warnt eine Sprecherin des Städtischen Klinikums Braunschweig. Das mit 1400 Betten eines der größten niedersächsischen Krankenhäuser unterstützt die Kampagne ebenso wie die Medizinische Hochschule Hannover.
Ärzte des Allgemeinen Krankenhauses Celle hatten ihre Klinik sogar wegen Personalmangels und Überlastung angezeigt. Das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt bestätigte gestern, dass es Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz gab. „Bei der Auswertung der ersten sechs Stichproben sind wir auf deutliche Überschreitungen der zulässigen Zeiten gestoßen“, teilte Behördenleiter Andreas Aplowski mit. Die Verantwortlichen müssten mit Bußgeldverfahren rechnen.
aus der HAZ vom 5.4.2008 (Hervorhebung von mir)

Ärzte, die ihre eigene Klinik anzeigen, Geschäftsführer und Betriebsräte, die gemeinsam eine überregionale Anzeige schalten, es wird bunt!
Ob Gebührenziffern stillschweigend verschwinden und anderen Leistungen zugerechnet werden oder mit zunehmender Bürokratisierung Sand ins Getriebe geschüttet wird oder Pflegekräfte quasi verordnet mit einem Bein vor dem Kadi stehen (zwei Pflegekräfte sind in einer Schicht, aber Umgebettet werden darf nur zu dritt), die Standortsicherung Deutschland wird auf dem Rücken der im Gesundheitswesen Beschäftigten ausgetragen. Die Amerikanisierung und Aldisierung unserer Gesellschaft schreitet fort. Gestern berichtete der Weltspiegel, daß in den USA zahnärztliche Leistungen nicht im Leistungskatalog für Rentner enthalten sind. Und noch ein Schmankerl, auch aus dem Weltspiegel: Hillary Clinton, die sich als sozial ausgerichtete Reformerin des amerikanischen Gesundheitswesens zu profilieren versucht, hat aus Kostengründen die Krankenversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter nicht mehr bezahlt. So’n Pech!

Wie ich meinen Patienten immer sage: Nicht-Verstehen ist eine Macht, und für’s Verstehen wird man bestraft. Wo der Weg hingeht, deutet ein Artikel aus Publik-Forum (Nr. 6•2008) an:


Dagmar Ziegler, SPD-Gesundheitsministerm in Brandenburg, will dem Ärztemangel in Ostdeutschland künftig unter anderem durch jüdische Einwanderer und Spätaussiedler aus Osteuropa abhelfen.
Die Landesregierung startete ein nach eigenen Angaben bundesweit einzigartiges Modellprojekt, das zugewanderte Mediziner mit langjähriger Berufserfahrung an Kliniken und Arztpraxen vermitteln soll. »Wir dürfen angesichts des steigenden Fachkräftebedarfs nicht auf gut ausgebildete Einwanderer verzichten«, sagte die Politikerin in Potsdam. Nach der Bundesärzteordnung müssen ausländische Ärzte in Deutschland eine Prüfung ablegen, damit ihr Berufsabschluss aus dem Heimatland anerkannt wird. Das in Brandenburg ins Leben gerufene Qualifizierungsprojekt soll dabei Hilfe bieten.

Sonntag, 6. April 2008

Ist der Papst ein Häretiker …

… oder handeln manche Journalisten unverantwortlich?

In einem Artikel der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 1.4.08 ist zu lesen:
»Das Kirchenrecht schreibt normalerweise eine Fünfjahresfrist zwischen dem Tod und dem Auftakt des Verfahrens vor. Inzwischen suchen die Anhänger Karol Wojtylas nach untrüglichen Zeichen, dass er ein Heiliger gewesen sei – was bisweilen auch zu bizarren Diskussionen führt. Der Erzbischof von Krakau, Kardinal Dziwisz, hat jüngst über neue Wunder berichtet, die angeblich von Papst Johannes Paul II. gewirkt wurden. So sei ein unheilbar an Krebs erkrankter Mann geheilt worden, nachdem ihm der Papst das Abendmahl überreicht hatte. Das Problem: Der Mann war Jude. In gewissen Kreisen der Gläubigen ist das ein Skandal, da es verboten sei, das Abendmahl an Ungläubige auszuteilen. Also schreibt ein strenggläubiger Katholik, dieses „Wunder“ bezeuge nur, dass Johannes Paul II. kein Heiliger, sondern ein Häretiker gewesen sei.«

Kreuz.net hatte den Kardinal Dziwisz am 20. März 2008, also zwölf Tage vorher, etwas ausführlicher zu Wort kommen lassen:
»Als der Papst noch in seiner vollen körperlichen Form war, bat mich ein Freund, einen älteren Amerikaner, der im Endstadium an Krebs litt, zur päpstlichen Morgenmesse zuzulassen.
Wir taten dem Freund den Gefallen. Dieser ältere Herr kam während der Kommunion nach vorne, nahm die Hostie aus der Hand des Papstes und steckte sie sich in den Mund.“
„Nach dem Ende der Messe, näherte sich mir ein anwesender Prälat und erklärte mir, daß der Herr ein Jude war. Ich war verwirrt.
Nach einigen Wochen, rief mich der Freund wieder an. Er sagte mir, daß der ältere Jude auf wundersame Art von seinem Krebs geheilt worden war. Seine Ärzte, die ihn aufgegeben hatten, waren darüber höchst erstaunt.
Ich erzählte diese Begebenheit dem Heiligen Vater, aber er schien nicht überrascht zu sein. Er lächelte und sagte mir, daß Gott seine Söhne liebe, zu welcher Religion sie sich auch bekennen würden.«

Wo ist jetzt das Problem?

Wenn Kurt Beck die Hostie ausgeteilt hätte: Müßte er dann aus der SPD austreten oder wäre seine Kanzlerkandidatur gesichert?

Freitag, 4. April 2008

Armut senkt IQ

Kinder in armen Familien sind durch streitende Eltern, ständige Geldsorgen der Familie, Misshandlungen oder Vernachlässigung einem dauerhaften Stress ausgesetzt, der ihre geistigen Fähigkeiten beschädigt. US-Forscher konnten jetzt in Studien nachweisen, dass solcher Stress den Aufbau von Nervenverbindungen stört und das Immunsystem schädigen kann. Folge: Lebenslange Lern-, Konzentrations- und Gesundheitsprobleme sowie Verhaltensauffälligkeiten und psychische Krankheiten. Bei einer vergleichenden Untersuchung von Kindergartenkindern unterschiedlicher sozialer Klassen stellten die Wissenschaftler fest, dass Kinder aus armen Familien im Vergleich zu Mittelklassekindern eine deutlich schlechtere Sprachfähigkeit und ein schlechteres Arbeitsgedächtnis haben und dass sie sich schlechter konzentrieren können. Auch Probleme mit Immun- und Herzkreislaufsystem und mit Hautkrankheiten sind bei Kindern aus armen Familien häufiger. Die Ergebnisse wurden auf der Jahrestagung 2008 des Wissenschaftsverbandes AAAS in Boston vorgestellt. www.aaas.org

aus Der Allgemeinarzt Nr 5, 2008

Donnerstag, 3. April 2008

Gen-Scheiß, die nächsten drei

Felder sind von genverändertem Raps kaum mehr zu befreien

Florian Rötzer 03.04.2008

Auch 10 Jahre nach der letzten Aussaat und intensiver Behandlung wachsen aus im Boden verbliebenen Samen weiter Pflanzen

Mindestens 10 Jahre können Samen zumindest mancher genveränderter Pflanzen im Boden überdauern. Für Gegner von Freilandversuchen mit genveränderten Pflanzen ist die Studie von schwedischen Wissenschaftlern der Lund-Universität und der TU Dänemark das gefundene Fressen. Befürworter, die von der Unbedenklichkeit ausgehen, dürften es künftig schwerer haben, dies zu begründen.

Weiter bei Telepolis

Das US-Landwirtschaftsministerium hat schon einige Feldversuche mit genveränderten Pflanzen, die medizinische Wirkstoffe enthalten, zugelassen

Weiter bei Telepolis

In zehn oder zwanzig Jahren, nachdem sich noch ein paar Tausend indische Baumwollfarmer aufgehängt haben, wenn es dann »unvorhersehbarerweise« Rosen mit Antibiotika-geschwängerten Blüten, Bienen mit Pflanzenschutz-Honig und Gen-Mais-Wahnsinn-Pflegeheime, einen Gen-Reis-assoziierten Morbus Crohn und irgendwelche neuen Gen-Raps-Biosprit-induzierte Asthma-Formen gibt und sich Bundesregierung und Pharmaindustrie darüber streiten, wer an der letzten resistenzbedingten Krankenhausepidemie schuld ist und die Kosten zu übernehmen hat und die Erben der jetzigen Vorstandsmitglieder mit ihren Jachten über die um 50 cm gestiegenen Weltmeere zu ihren Bioplantagen auf Neu-Guinea oder sonstwohin segeln, werden wir dann sowas zu sehen und zu hören bekommen:


Da paßt auch die Meldung des Umweltinstituts München gut zu:

Geplantes Freisetzungsexperiment in Ostdeutschland:
Gen-Weizen noch riskanter als befürchtet
Umweltinstitut München warnt vor einer Kontamination der Nahrungskette


München, 29. Februar – Das für dieses Frühjahr von der Universität Rostock geplante Freisetzungsexperiment mit genmanipuliertem Weizen erweist sich als immer riskanter. Kanadische Wissenschaftler haben jetzt herausgefunden, dass Weizen über deutlich größere Entfernungen auskreuzen kann als bislang bekannt. Das Umweltinstitut München warnt daher vor einer Kontamination der Nahrungskette mit transgenem Material.

Wem jetzt noch nicht schlecht ist, der schaue mal bei aliasinfo vorbei.


Es knirscht in der Reformwerkstatt

Es knirscht in der Werkstatt der Gesundheitspolitiker. Seit Monaten sind Bundesgesundheitsministerium, Bundesversicherungsamt sowie Gesundheitsexperten fieberhaft mit den Vorbereitungen für den Gesundheitsfonds beschäftigt.

Dabei geht es um sehr viel Geld für die Krankenkassen - und um ihr wirtschaftliches Überleben. Entladen haben sich die Spannungen nun im Rücktritt des Wissenschafts-Beirats, der einen zentralen Baustein formen sollte, ohne den der Gesundheitsfonds nicht funktionieren kann: den morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA). Wichtige Vorarbeiten werden dort auch geleistet für die künftige, an der Morbidität orientierte Vergütung der niedergelassenen Ärzte.

Mein Essen zahle ich selbst

Gerade hatte ich mir einen Ruck gegeben und aufgeräumt. Aus vier Vereinen war ich ausgetreten, drei Zeitschriften-Abonnements hatte ich gekündigt und mir fest vorgenommen, jetzt keinem Verein mehr beizutreten, keine weitere Zeitschrift mehr zu abonnieren. Und doch ist es wieder passiert. Ich konnte nicht widerstehen: Ich bin Mitglied bei Mezis geworden. Als ich das neulich in einer Kollegenrunde erzählte, reichte die Reaktion von Gekicher bis zu brüllendem Gelächter. Der Verein heißt "Mein Essen zahle ich selbst".

Mezis gibt es erstaunlicherweise erst seit einem Jahr. Und von mehr als 125 000 niedergelassenen Ärzten haben sich bislang nicht einmal 100 Ärzte bei Mezis eingeschrieben: 0,8 Promille. Das Problem ist aber uralt. Das Problem heißt: Unabhängigkeit.

Zwanzig Millionen Mal besuchen die rund 15 000 Pharmavertreter in Deutschland Arztpraxen und Krankenhäuser im Jahr. Sie haben Produktinformationen bei sich, kleine Werbegeschenke, Ärztemuster. Sie wollen erreichen, dass ihre Medikamente verschrieben werden, nicht die der Konkurrenz. Man kann die Software von Arztpraxen sponsern: Will man ein Medikament verschreiben, so erscheint dort als erstes das des Sponsors auf dem Bildschirm. Man kann Ärzte zu "Anwendungsbeobachtungen" verleiten. Nicht nur mögen sie dieses und kein anderes Medikament verschreiben, sondern auch dessen Anwendung auf einem mitgelieferten Bogen kontrollieren. Dafür gibt es bares Geld pro Fall.
mehr:
- Diagnose: Mezis (Bernd Hontschik, 28.03.2008, ursprünglich auf FR-Online, inzwischen auf seiner Hompage, PDF)
- MEZIS (Wikpedia, beachte die externen Links!)

siehe auch:
„Es kocht in der Ärzteschaft!“ (Claus-Jürgen Göpfert, 29.09.2015)

Die verlorene Kunst der Chirurgie (Bernd Hontschik, FR-Online, 16.03.2013)
Ärzte-Korruption: Bestechung straffrei? (Tim Szent-Ivanyi, FR-Online, 02.01.2013)
- Diagnose: Grippegeschäft (Bernd Hontschik, FR-Online, 22.08.2009)


Georg Schramm - Döschen auf, Pille rein…… {4:55}
Deepskies
Hochgeladen am 04.07.2007
...lasst uns froh und munter sein....
Georg Schramm als Pharmareferent in der Kabarett-Sendung "Neues aus der Anstalt".
Großartige Bloßstellung des Systems einmal in der Rolle des Täters... naja, eines "Bimbo-Täters". Der wahre Abschaum ist sich zum Klinkenputzen sicherlich zu Schade...
http://www.georg-schramm.de
http://anstalt.zdf.de
http://barakas-netzgefluester.de
Weitere Links:
http://www.neue-mediz.in
http://www.nicolasbarro.de
http://www.faktor-l.de
http://www.klein-klein-verlag.de
http://www.klein-klein-aktion.de
http://www.agenda-leben.de
http://www.neue-medizin.de
http://www.faktuell.de
Bürgerinitiative Neue Medizin:
http://www.nm-aktion.de

aktualisiert am 16.02.2016

Vater, Mutter, Macht

Manchmal bereitet ihr das Bauchschmerzen: Ute Kuleisa-Binge (53) vertritt Kinder in Sorgerechtsverfahren

Neulich musste ich lachen, als sich ein Siebenjähriger vor mir aufbaute und fragte: »Wie viele Fälle hast du gewonnen?« Ich habe ihm geantwortet, dass es nicht ums Gewinnen gehe, sondern darum herauszufinden, was das Beste für ihn sei.

Seit 13 Jahren arbeite ich als Verfahrenspflegerin. Als »Anwältin des Kindes« begleite ich die Kinder durch Gerichtsverfahren beim Familiengericht. Ich vertrete ihre Position, wenn Eltern sich um das Sorgerecht streiten oder sich nicht über den Umgang mit ihren Kindern einigen können.

Im Moment betreue ich 56 Fälle – Kinder aller sozialen Schichten, verschiedener Kulturen und jeden Alters. Vor Kurzem sogar ein Ungeborenes, dessen Mutter auf der Straße lebte. Zwei ihrer Kinder lebten bereits in Pflegefamilien. Sie konnte ihren Säugling behalten und lebt jetzt in einem Mutter-Kind-Heim.

Verfahren vor dem Familiengericht sind hoch emotional. Man muss viel miteinander reden, sonst können sich die Betroffenen das Urteil an die Wand hängen, aber die Entscheidung war umsonst. Gefühle kann man nicht in Paragrafen fassen.

Ich hatte schon immer eine Vorliebe für die Juristerei. Gelernt habe ich Erzieherin. Nach der Ausbildung wollte ich zur Polizei gehen, zum Jugendschutz. Doch dann geriet ich in eine Schlägerei, da war ich 16. Ich zitterte vor Angst und gab meinen Berufswunsch auf. Daneben wurde mir klar, dass sich Schichtdienst nicht mit einem Familienleben vereinbaren lassen würde.

Meine erste Ehe zerbrach leider nach 23 Jahren, und so wurden meine Kinder im Alter von 16 und 14 Jahren selbst zu »Scheidungskindern«. Allerdings war das Sorgerecht zwischen mir und meinem Ex-Mann nie ein Streitpunkt. Heute weiß ich: Jeder Mensch hat eine andere Vorstellung von Familie, und jede einzelne ist grundsätzlich weder besser oder schlechter – bis zu einem gewissen Punkt natürlich.

Einmal kam ein 14-Jähriger zu mir, der sich ans Jugendamt gewandt hatte, weil er sehr darunter litt, dass seine Eltern tranken. Er zog in ein Montessori-Heim, das ich wunderschön fand. Doch für ihn war es wie ein anderer Planet. Zu Hause war den ganzen Tag der Fernseher gelaufen, und er hatte Computer gespielt. Jetzt nichts mehr von alledem, Idylle pur. Nach eineinhalb Jahren konnte er es nicht erwarten zurückzuziehen.

Wenn ich ein Kind das erste Mal besuche oder es zu mir kommt, achte ich nicht darauf, welche Kleidung es trägt oder in welchem Zustand sein Zimmer ist. Ich blende das Materielle aus und achte auf das Zwischenmenschliche, etwa ob sich das Kind auf den Schoß der Mutter setzt oder wie sein Vater mit ihm redet.

Je gebildeter Eltern sind, desto subtiler nehmen sie Einfluss, und umso schwieriger ist es, hinter ihre Fassade zu schauen. In manchen Fällen haben sie intensiv mit dem Kind geredet. Es kennt dann alle wunden Punkte und steht in einem Loyalitätskonflikt. Oder sie geben sich bereit mitzuarbeiten. Doch im Hintergrund spielen andere Dinge eine Rolle: Wer das Haus bekommt oder das Aktienpaket.

Kinder aus einfacheren Verhältnissen reden eher mal frei von der Leber weg. Sie wissen oft gar nicht, wo sie Gefühle verletzen könnten, weil niemand sie auf wunde Punkte hingewiesen hat. Fast alle Mädchen und Jungen, die ich begleite, wollen ihre Eltern befrieden, Es berührt mich manchmal sehr, wie abgeklärt sie sind – und darin ihren Altersgenossen weit voraus.

Es braucht Zeit, bis das Kind sagen kann, was es will. Wir treffen uns in unserem Büro oder im Café und reden. Zwei bis drei Mal vor einer Anhörung. Bei manchen ist das Verfahren nach einem halben Jahr abgeschlossen, bei anderen zieht es sich über Jahre. Manchmal steht der Wunsch des Kindes gegen sein Wohl. Zum Beispiel, wenn erwiesen ist, dass Mutter oder Vater es schlagen – es aber partout wieder dort hinwill, Ich sage ihm dann, dass ich Bauchschmerzen mit seiner Entscheidung habe. Vor Gericht gebe ich seinen Wunsch weiter, ohne ihn ausdrücklich zu unterstützen.

Derjenige, bei dem die Kinder leben, sieht sich meist in einer Machtposition. Und der andere kämpft zuweilen mit allen Mitteln. Einmal erzählten mir Mädchen nach einem Wochenende bei der Mutter, dass ihr Vater Kokain schnupfe, und erzählten bis ins Kleinste, wie er das mache. Ich setzte alles daran herauszufinden, ob das stimmte: Das Familiengericht ordnete sogar einen Haartest an, den der Vater allerdings ablehnte. Doch wie es schien, hatte die Mutter die Kinder beeinflußt. Sie verlor das Interesse, als sie merkte, dass sie ihre Kinder nicht so schnell zurückbekam, wie sie gehofft hatte.

Manchmal fühle ich mich ohnmächtig: Wenn sich ein Verfahren hinzieht oder Behörden nicht so schnell reagieren, wie es für das Kind gut wäre. Ich habe aber den Eindruck, dass sich die Richter und Richterinnen in Hamburg sehr viel Mühe geben, das Wohl des Kindes zu erkennen. Die Entscheidung macht sich keiner leicht. • Protokoll: Sabine Henning

aus Publik-Forum Nr. 3•2008

Hohe Kosten helfen heilen

RANDNOTIZ
Sunna Gieseke

Die Erwartungshaltung bestimmt die Wirkung – dieser Placeboeffekt ist der Wissenschaft lange bekannt. Nun fanden Forscher zudem heraus, dass sich auch der Preis eines Medikaments auf den Erfolg der Therapie auswirkt. Abhängig davon, für wie kostspielig Patienten die Behandlung halten, reagieren sie unterschiedlich auf ein Präparat. Wenn die Patienten also meinen, die Behandlung sei teuer, lassen die Schmerzen schneller nach. Erhalten sie billigere Medikamente, lässt der Behandlungserfolg demnach länger auf sich warten.

Dies ergab eine Studie von Wissenschaftlern des US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (JAMA 2008; 299:1016). Patienten erwarten also von ihrem Arzt, dass Behandlungen vor allem teuer sind. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, warum einige Menschen davon überzeugt sind, dass Generika bei ihnen nicht so gut wirken wie das Originalpräparat – obwohl sie denselben Wirkstoff enthalten.

Anscheinend müssen die Medikamente noch nicht einmal wirklich teuer sein. Die Wissenschaftler mussten in ihren Versuchen nur vorgeben, es handele sich um kostspielige Arzneien. Es muss sich auch nicht einmal um richtige Arzneimittel handeln, wurden in dem Versuch doch Zuckerstückchen verabreicht.

Nach Aussagen der Wissenschaftler ist es aber keine Lösung, die Preise rabattierter Präparate einfach wieder anzuheben. Vielmehr müsse sich etwas in der Arzt-Patienten-Beziehung ändern. Einmal mehr lautet die Patentlösung: Der Arzt soll sich mehr Zeit für die Patienten nehmen und Wirkungsweisen von Medikamenen besser erklären. Leider ist die sprechende Medizin nach wie vor unterbezahlt.
aus dem Deutschen Ärzteblatt Nr. 13. vom 28. März 2008