Seinebrücken, 1954 |
Keine Krippe, keine Hirten, keine Felder. Nein, die
Seinebrücken (1954) sind kein
Weihnachtsbild, jedenfalls nicht auf den
ersten Blick. Aber auf den zweiten Blick erschließen sie sich als ein
sehr zeitgemäßes Bild einer geweihten Nacht: Die Dinge ereignen sich über den Dächern
von Paris. Ein Kind – geboren aus der Liebe und Sehnsucht seiner Eltern, die in leuchtendes Blau getaucht die Basis
des Bildes legen – ist zur Welt gekommen. Auf dem Rücken eines
geheimnisvollen Phönix, dessen Unsterblichkeit gerade auch die jüdische Phantasie zu vielen Paradieslegenden anregte,
schwebt das Kind an der Brust und im Arm seiner Mutter wie ein feuriger
Lichtblick über dem Dunkel der modernen Metropole. Es ist ein Bild der alten
und immer frischen und erfrischenden Kraft
von Liebe und Leben. Im hintergründigen Strahlen von Chagalls Gemälde
leuchtet jene Geschichte nach, die davon erzählt, wie Gott Hand und Fuß bekommt
und zur Welt kommt, in dem kleinen Kind eines jungen Liebespaares.
Ein Lichtblick
es ist dunkel
manchmal ist unsere welt
gefährlich dunkel
da möchte man sich nicht mehr
auf die straße wagen
tödlich dunkel kann unsere weit sein
wer das nicht weiß
der weiß wenig
vor uns ein lichtblick
ein alter mann malt so
mare chagall
er ist ein prophet
er prophezeit
in bildern
in farben
er träumt
und hofft
und glaubt
und liebt
und malt
für diesen malenden propheten
ist das liebespaar
zum symbol
der zukunft
zum symbol einer neuen
menschenwürdigen welt
geworden
wir haben nichts mehr zu erwarten
von dieser welt
weder von der technik
noch von der wirtschaft
wir haben nur noch viel zu erwarten
von der phantasie der liebenden
aller liebenden
sie wird unserer tristen welt
neu farbe geben
aus der Phantasie der liebenden
entsprang immer schon der himmel
Wilhelm Willms
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