Samstag, 9. Mai 2015

Ein General begeht Suizid

Als der zwölfte und letzte Prozeß in Nürnberg gegen 13 Generale und einen Admiral eröffnet werden sollte, blieb ein Platz leer. Die Angeklagten waren erregt und blaß. Der Gerichtsmarschall erläuterte dem Gericht, einer der Angeklagten liege im Krankenhaus. Um 9.20 Uhr eröffnete der Präsident das Gericht. Um 11 Uhr wurde bekannt, Generaloberst Johannes Blaskowitz habe um 7.30 Uhr einen Selbstmordversuch unternommen und sei um 10.20 Uhr verstorben. 

An diesem Morgen waren die Häftlinge nach dem Kaffee wie immer im Gänsemarsch zu ihren Zellen zurückgeleitet worden, als der 64jährige Blaskowitz plötzlich aus der Reihe sprang, mit Hilfe einer Leiter, die ein Maler aufgestellt hatte, das 2,50 m hohe Schutzgitter überstieg und sich in den zentralen Lichthof des Nürnberger Gerichtsgefängnisses stürzte.
mehr:
- In den Lichtschacht – Um Schlimmeres zu verhindern (SPIEGEL, 14.02.1948)
Siehe auch:
- Johannes Blaskowitz (Wikipedia):
Am 27. September 1939 nahm Blaskowitz die Kapitulation Warschaus entgegen. Nach dem Ende der Kampfhandlungen wurde er von Hitler zum Generaloberst befördert und als einer der ersten deutschen Soldaten mit dem Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet.[5] Kurze Zeit später wurde er Oberbefehlshaber des deutschen Besatzungsheeres in Polen. Blaskowitz protestierte im Herbst 1939 und Winter 1939/40 mehrfach gegen die radikale Umsetzung der von Hitler angeordneten „völkischen Flurbereinigung“, also gegen die zwangsweise Vertreibung sehr vieler Polen aus dem annektierten Wartheland und dem Reichsgau Danzig-Westpreußen. Er war verärgert über Anmaßungen selbstständiger Polizeikräfte, sorgte sich um die Disziplin der Truppe und nannte auch moralische Argumente.[6]
„Eine ganz besonders und stetig wachsende Beunruhigung des Landes bringt die Umsiedlung mit sich. Es liegt auf der Hand, daß die darbende und um ihre Existenz und ihr Leben ringende Bevölkerung nur mit größter Sorge die völlig mittellos, über Nacht aus ihren Häusern gerissen[en], sozusagen nackt und hungernd bei ihr unterkriechenden Massen der Umgesiedelten betrachten muß. Dass diese Gefühle durch die zahlreichen verhungerten, toten Kinder jedes Transportes und die Waggons voller erfrorener Menschen zu maßlosem Haß gesteigert werden, ist nur zu erklärlich. Die Ansicht, man könne das polnische Volk mit Terror einschüchtern und am Boden halten, wird sich bestimmt als falsch erweisen.“
– Johannes Blaskowitz: Memorandum November 1939[7]

Blaskowitz protestierte mehrfach gegen die Misshandlung und Ermordung von jüdischen und nichtjüdischen Polen durch SS-Einsatzgruppen und Polizeieinheiten.[8] Er verhängte auch Todesurteile gegen SS-Angehörige wegen Verbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung, welche aber von Hitler aufgehoben wurden.[9] In einem Bericht vom 27. November 1939 schrieb er, dass die „Verbindung zu den Organen der Sicherheits- und Ordnungspolizei ... ziemlich gestört“ sei und dass die „Truppe es ablehnt, mit den Greuelhandlungen der Sicherheitspolizei identifiziert zu werden und von sich aus jedes Zusammengehen mit diesen fast ausschließlich als Exekutionskommandos arbeitenden Einsatzgruppen“ verweigere. Infolge der Gewalttaten schwanke „die Einstellung der Truppe zu SS und Polizei ... zwischen Abscheu und Haß“.[10]
„Der schlimmste Schaden jedoch, der dem deutschen Volkskörper aus den augenblicklichen Zuständen erwachsen wird, ist die maßlose Verrohung und sittliche Verkommenheit, die sich in kürzester Zeit unter wertvollem deutschen Menschenmaterial wie eine Seuche ausbreiten wird. Wenn hohe Amtspersonen der SS und Polizei Gewalttaten verlangen und sie in der Öffentlichkeit belobigen, dann regiert in kürzester Zeit nur noch der Gewalttätige. Überraschend schnell finden sich Gleichgesinnte und charakterlich Angekränkelte zusammen, um, wie es in Polen der Fall ist, ihre tierischen und pathologischen Instinkte auszutoben. Es besteht kaum noch Möglichkeit, sie im Zaum zu halten, denn sie müssen sich mit Recht von Amtswegen autorisiert und zu jeder Grausamkeit berechtigt fühlen.“
– Johannes Blaskowitz: Denkschrift zur militärpolitischen Lage vom 6. Februar 1940[11]
Zumindest seine ersten beiden Berichte zogen weite Kreise, obwohl sie von der Führung ignoriert wurden: der Abwehroffizier Helmuth Groscurthinformierte am 18. Dezember 1939 die Stäbe der drei Heeresgruppen an der Westfront anhand der Blaskowitz-Berichte von den Vorkommnissen in Polen. Besonders der zweite Bericht wurde vielfach kopiert und verteilt; er löste massive Empörung aus – besonders deshalb, weil die berichteten Sachverhalte ungesühnt bleiben sollten.[10]

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Im März 1940 protestierte er neben Generaloberst Johannes Blaskowitz, dem Oberbefehlshaber des deutschen Besatzungsheers in Polen, gegen die Gewalttaten der SS und der Polizeitruppen im besetzten Polen und verlangte kategorisch deren Ablösung:[1]... die sich häufenden Gewalttaten der polizeilichen Kräfte zeigen einen ganz unbegreiflichen Mangel menschlichen und sittlichen Empfindens, so daß man geradezu von Vertierung sprechen kann“. Ulex wurde kurze Zeit später seines Postens enthoben.
[…]
Ulex stand auch aufgrund seiner christlichen Weltanschauung (er war Sympathisant der Bekennenden Kirche und wurde deswegen von Heinrich Himmler als „unbelehrbarer Vertreter der Bekenntnisfront“ eingestuft[1]) dem nationalsozialistischen Regime kritisch gegenüber. [Wilhelm Ulex, Wikpedia]

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