Dienstag, 23. Juni 2015

Griechenland: Die größte Insolvenzverschleppung der Geschichte

Das Rettungsprogramm für Griechenland wurde verlängert. Ändern wird es nichts, das Land ist pleite. Eine Analyse.
Oops they did it again: Ein weiteres Mal wird das eigentlich schon bankrotte Griechenland vor der Pleite „gerettet“. In Anbetracht der desolaten wirtschaftlichen Lage ist mittlerweile auch dem Letzten klar, dass nicht wir die Griechen gerettet haben, und nun abermals retten, sondern unsere Banken, welche leichtfertig Geld an Griechenland verliehen haben.

Quelle: Euro: Da gab es doch einmal
eine eindeutige Erklärung
 (Konrad
Hausener, The Intelligence, 27.02.2014)
Hätte die Politik und die Bevölkerung in den besagten Ländern der sogenannten Rettungspolitik nicht zugestimmt, sähe die unsrige aber auch die Bankenlandschaft bei unseren Nachbarn in Frankreich etwas anders aus.


Bis dato hat Griechenland von den Euro-Mitgliedsländern und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) rund 226 Milliarden Euro erhalten. Jedoch flossen davon lediglich 15 Milliarden in den unmittelbaren Betrieb des Staates, wie beispielsweise in die Gehälter von Staatsangestellten und in Renten. Addiert man die indirekten Staatsausgaben hinzu, kommt man auf 27 Milliarden Euro – ungefähr elf Prozent der Gesamtsumme. 40 Milliarden Euro wurden für Zinszahlungen, 81 Milliarden Euro wurden zur Ablösung fälliger Kredite verwendet und 9 Milliarden Euro gingen an den IWF – summa summarum 132 Milliarden Euro flossen allein in den Schuldendienst. Das ist mehr als Hälfte der Griechenland-Hilfen. Der Schuldenschnitt 2012 schlug mit knapp 35 Milliarden Euro zu Buche und weitere 48 Milliarden Euro benötigte das Land, um seine maroden Banken am Leben zu halten. Wie wir sehen, ist das Geld also keinesfalls weg – es hat nur jemand anderes.

mehr:
- Die größte Insolvenzverschleppung der Geschichte (Marc Friedrich, The European, 02.03.2015)
siehe auch:
- "Die Griechen wollen 'schlemmen'? Das ist Zynismus" (Felix Simon, Die Welt, 23.06.2015)
- Euro: Da gab es doch einmal eine eindeutige Erklärung (Konrad Hausener, The Intelligence, 27.02.2014)
siehe auch:
- Griechenland: Was läuft hier eigentlich? (Post, 27.10.2011)
»Griechenland wird nicht zahlen, nie.« (ein französischer Freund, Herbst 2011)
- Nichtbeistands-Klausel (Wikipedia) 
Die Nichtbeistands-Klausel war konzipiert worden, um EU-Staaten zur Haushaltsdisziplin zu bewegen. Sie sollten nicht darauf hoffen können, bei unsolider Haushaltsführung später durch andere Mitgliedstaaten unterstützt zu werden (siehe auch Moral Hazard). Die Klausel ergänzt die im Stabilitäts- und Wachstumspakt festgeschriebenen Verschuldungsgrenzen, die ebenfalls eine unsolide Haushaltsführung verhindern sollen. Andererseits wird kritisiert, dass der Nichtbeistand bei einem Notfall nur schwer durchsetzbar sein würde, weil die politischen und wirtschaftlichen Kosten der Alternativen noch höher sein könnten (siehe auch Too Big to Fail).
 - Vertrag von Maastricht (Wikipedia)
Im Zentrum des Vertrages stehen Änderungen des EG-Vertrages, in den insbesondere die Bestimmungen zur Schaffung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion in drei Stufen eingefügt werden. Laut Vertragstext sollte frühestens zum 1. Januar 1997, spätestens zum 1. Januar 1999 in der EU eine gemeinsame Währung (Euro) eingeführt werden. Damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen kann, muss es bestimmte wirtschaftliche Kriterien (die EU-Konvergenzkriterien, auch als Maastricht-Kriterien bezeichnet) erfüllen, durch die die Stabilität der gemeinsamen Währung gesichert werden soll. Dabei handelt es sich um Kriterien, die Haushalts-, Preisniveau-, Zinssatz- und Wechselkursstabilität gewährleisten sollen. Das Kriterium der Haushaltsstabilität (Defizitquote unter 3 % und Schuldenstandsquoteunter 60 % des BIP) wurde als dauerhaftes Kriterium ausgelegt (Stabilitäts- und Wachstumspakt), die anderen Kriterien müssen Mitgliedstaaten nur vor der Euro-Einführung erfüllen.
Im Vertrag war festgelegt, dass Länder, die die Konvergenzkriterien erfüllen (worüber der Ministerrat zu entscheiden hat), dem Euro nach dieser Zeit beitreten müssen. Lediglich Großbritannien und Dänemark behielten sich das Recht vor, selbst über den Beitritt zur Währungsunion zu entscheiden (sog. opting out).
- Euro-Krise: Mythos vom faulen Südeuropäer (Sven Böll, David Böcking, SPIEGEL Online, 18.05.2011)
- Schuldenstreit: Die Mär vom griechischen Luxusrentner (Florian Diekmann, SPIEGEL, 18.05.2011)
- Griechenland-Krise: Zu großzügig oder sozial? Das griechische Rentensystem ist der Knackpunkt der Krise (Finanzen100, 12.06.2015)
- Tsipras lehnt Rentenkürzung ab (Gerd Höhler, Frankfurter Rundschau, 19.05.2015)
- Griechenland-Hatz: Die Rentner ( Kommentar von Michael Schlecht, MdB, wirtschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE , DIE LINKE,  Kreisveband Traunstein, 20.06.2015)
- Das griechische Renteneintrittsalter liegt nicht bei 56 Jahren (Stefan Niggemeier, 14.06.2015) Zitat:
Bei „Günther Jauch“ diskutieren sie gerade mal wieder über Griechenland und den „Grexit“. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach sagt, Griechenland lebe auf Kosten anderer Staaten, und illustriert das mit zwei besonders eindrucksvollen Zahlen:
„Der Griechische Ministerpräsident hat jetzt angeboten, das reale Renteneintrittsalter in Griechenland, das bei uns bei fast 64 Jahren liegt, auf 56 Jahre anzuheben.“
Das ist falsch, aber das ist vermutlich nie wieder aus der Welt zu kriegen. […]
Spricht man den „Bild“-Mann Dirk Hoeren auf die Zahl an, verweist der u.a. höhnisch auf die FAZ. Ich habe auch bei der FAZ nachgefragt, auch in Mails an mehrere Wirtschaftsredakteure. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie das korrigieren wird — mei, die griechische Regierung, die ist eh chronisch unzuverlässig. Und Bosbach, naja. Hätte etwa Jauch ihm widersprechen sollen? Jauch?

- Average annual hours actually worked per worker (OECD, StatExtracts)


»Wenn man Äpfel mit Äpfeln vergleicht, dann gehen nach den OECD-Zahlen die Griechen im Durchschnitt rund 14 Wochen früher in Rente als Deutsche – nachdem sie vorher ein Berufsleben lang jedes Jahr 30 Prozent mehr Stunden gearbeitet haben als Deutsche. Es bleibt dabei: Wenn mangelnder Fleiß das Problem wäre, dann hätten wir es in Deutschland, nicht in Südeuropa.« (aus einem Kommentar zum Artikel von Stefan Niggemeier)

»Mal ein Gedanke zur Nacht: Wenn in Griechenland die Arbeitenden die Bezüge der Rentner und Pensionäre erwirtschaften müssen, so wie in Deutschland auch, ist es dann eine kluge Idee der Troika, den letzten Rest funktionierender Wirtschaft so zu ruinieren, dass mehr als 15% der arbeitsfähigen Bevölkerung wegen Langzeitarbeitslosigkeit gar kein Einkommen mehr hat (nochmal: In Griechenland gibt es ab dem 13. Monat kein Arbeitslosengeld!) und stattdessen von den Renten und Pensionen von Eltern und Großeltern leben müssen, so wie 60% der Schulabgänger mit und ohne Abschluss?

Und nochmal was von den Regionalflughäfen: Wo wird Fraport wohl die Betriebsgewinne versteuern? Kleiner Tipp: Nicht in Griechenland. Aber der griechische Fiskus wird von den 1,2 Milliarden Euro Konzessionssumme etwa 23% des nächsten IWF-Kredits begleichen können — und dann in Milliardenhöhe Verpflichtungen für die Infrastruktur-Instandhaltung rund um die Flughäfen haben, die ein Staat normalerweise aus den im Betrieb anfallenden Steuern begleichen kann — würde die nicht der deutsche Fiskus von Fraport erhalten…

So saniert man also Pleite-Haushalte…«

(aus einem Kommentar zum Artikel von Stefan Niggemeier, Hervorhebung von mir)


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