Donnerstag, 15. Oktober 2015

Syrienkonflikt: Putin über die Verweigerung der USA verärgert

Russlands Präsident Putin hat sich über die USA beschwert: Washington gebe im Syrienkonflikt wichtige Infos nicht heraus - werfe Moskau aber eine falsche Zielauswahl vor. Er spricht von "Grütze im Kopf".

Die russische Luftwaffe fliegt weiter Angriffe in Syrien - gleichzeitig fordert Präsident Wladimir Putin in Moskau eine politische Lösung für das Bürgerkriegsland. Allerdings sieht er bei den USA mangelnde Kooperationsbereitschaft. "Ich glaube, einige unserer Partner haben einfach Grütze im Kopf", sagte Putin am Dienstag.

Der Präsident berichtete, Russland habe die USA zunächst um eine Liste von Angriffszielen gebeten. Dies hätten die USA abgelehnt. "Dann haben wir noch mal nachgedacht und eine andere Frage gestellt: Dann sagt uns, wo wir nicht angreifen sollen." Auch darauf habe Moskau keine Antwort aus Washington erhalten.
"Wenn wir nicht nur einfach schießen oder Raketentreffer landen wollen, sondern eine politische Lösung finden wollen, dann sollten wir die Kräfte innerhalb des Landes zur Zusammenarbeit mit anderen Kräften auf dem Territorium Syriens bringen", sagte Putin. Dazu solle jede ausländische Macht auf diejenigen Syrer einwirken, auf die sie Einfluss habe.

Militärs beider Länder hatten sich bei einer Videokonferenz am Sonntag nur über Maßnahmen geeinigt, um Zwischenfälle im Luftraum über Syrien zu vermeiden. Eine US-geführte Koalition fliegt seit 2014 Luftangriffe gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien.

mehr:
- Syrienkonflikt: "Einige unserer Partner haben einfach Grütze im Kopf" (SPON, 13.10.2015)

siehe auch:
- „Deutschland steckt in einem Dilemma“ (Peter Scholl-Latour im Interview, Focus Online, 07.09.2013)
»Bisher gibt es keinerlei Beweise dafür, dass Assad Gas eingesetzt hat. Wohlgemerkt: Ich will das nicht ausschließen, aber bewiesen ist gar nichts. Giftgas könnten auch die Rebellen eingesetzt haben. Man muss ja immer fragen: Cui bono – also: Wem nützt es? Und momentan hätte Assad keinerlei Nutzen von einem Giftgas-Einsatz. Militärisch sind die Regierungstruppen derzeit im Vorteil. Warum sollte Assad eine „rote Linie“ überschreiten und einen Anlass für eine Intervention liefern? Ich kenne Assad persönlich: Er mag vieles sein, aber dumm ist er gewiss nicht.« […]

»Russland hat ein sehr enges Verhältnis zu Syrien und verfolgt dort auch eigene Interessen. Und die sind ja auch berechtigt: Das Land liegt ja viel näher an Russland als an den USA, und Russland will natürlich stabile Verhältnisse vor seiner Haustür. Schon heute sickern doch zahlreiche Salafisten nach Russland ein und sorgen dort für Unruhe – ein Problem, auf das übrigens auch Deutschland mehr achten sollte.«
- Peter Scholl-Latour zur Lage in Syrien "Assad wäre das kleinere Übel" (Interview mit Peter Scholl-Latour, Domradio, 21.01.2014)
»Ich kann das ganze Gerede von mehr Demokratie für den arabischen Raum nicht mehr hören. In der arabischen Staatenwelt gibt es wohl nur die Wahl zwischen einem islamischen Gottesstaat oder eine Militärdiktatur. Mir ist bei solchen Debatten zu viel Heuchelei im Spiel. Einer der wichtigsten deutschen Handelspartner im Nahen Osten ist Saudi-Arabien. Unter den Gesichtspunkten von Demokratie und Menschenrechten eine überaus schändliche Politik. Aber das scheint niemanden zu kümmern.«

Syrien war der einzige säkulare Staat in der arabischen Welt, und wir haben ihn kaputtgemacht. An der Grenze zwischen Syrien und Israel hat es seit dem Jom-Kippur-Krieg von 1973 keinen Zwischenfall mehr gegeben. Wenn da aber erstmal radikale Islamisten stehen, dürfte es für Israel ungemütlich werden.
- Scholl-Latour: Iran könnte ISIS im Irak angreifen (Peter Scholl-Latour im Interview, Merkur, 10.03.2015)
Der Westen und auch die Türkei haben den Wahnsinn begangen, vorschnell die Aufständischen in Syrien zu unterstützen. Die Amerikaner wollten die relativ liberale Freie syrische Armee aufrüsten. Sie bedachten nicht, dass islamistischere Kräfte, die ihre Kampferfahrung auch in Afghanistan und im Kaukasus gesammelt hatten, diese „Freie Armee“ an die Wand drücken und ihr die Waffen abnehmen könnte. Wir erleben das jetzt wieder in Mossul, wo von den USA an die irakische Regierungsarmee gelieferte Waffen nun den Dschihadisten in die Arme fallen.

Woher kommen die Kämpfer des Isis?
Scholl-Latour: Al Bagdadi verfügt über etwa 15.000 Männer, von denen nur ein geringer Teil aus dem Irak und aus Syrien stammt. Es handelt sich überwiegend um zugewanderte Dschihadisten aus dem Kaukasus, aus Ägypten, Pakistan und vielen anderen Ländern der arabischen Welt. Auch aus Saudi-Arabien, das mit vielen dieser radikalen Gruppen konform geht und mehrfach verhindert hat, dass moderatere Formen des Islam zum Zuge kommen.

Wer finanziert die Isis-Terroristen?
Scholl-Latour: Die Emirate am Persischen Golf und die Petro-Staaten, die ja vom Westen so sehr gehätschelt werden.
- Warum der Westen im Nahen Osten immer scheitert (Wolfgang Schneider über Peter Scholl-Latours letztes Buch »Der Fluch der bösen Tat«, Die Welt, 23.10.2014)
Selbst im hohen Alter keine Beschwerlichkeit der Reise scheuend, trifft er sich in Hinterzimmern mit Militärs (übergelaufen), Geheimdienstlern (pensioniert), Konsuln (in Ungnade gefallen) und anderen inoffiziellen Wahrheitsquellen jenseits der "angelsächsischen Desinformationskampagnen".

"Noch herrscht Ruhe in Baschkortostan" – das ist dieser schicksalsdräuende Scholl-Latour-Sound, der in theorieverliebten Zeiten auf viele so unzeitgemäß wirkte und heute aktueller erscheint denn je, wo sich die Büchsen der Pandora dutzendfach öffnen und der Glauben an den gelingenden Export unserer demokratischen Prinzipien stündlich schwindet. Überlegenheit westlicher Werte?

Seit je eine Spottmelodie für Scholl-Latour, der sich am Ende durch die Wiederkehr des siebten Jahrhunderts in Gestalt des modernen Gotteskriegertums bestätigt fühlen durfte in seinen düsteren Prophezeiungen. Wie kaum ein anderer Welterklärer hat er die religiösen Antriebskräfte und die mythischen Abgründe der "Völkerseelen" in Rechnung gestellt.

Die Vereinigten Staaten dagegen hätten seit dem Zweiten Weltkrieg nur noch Rückschläge und Blamagen erlitten, von Korea bis Syrien, wo erst der "Stellvertreterkrieg" den "Horden des islamischen Terrorismus" den Zugang zum Nahen und Mittleren Osten eröffnete. Angesichts des IS-Terrors drohe der zum Abschuss freigegebene Assad unversehens wieder zum Hoffnungsträger zu werden.

Die Amerikaner verfügten zwar über eine perfektionierte Überwachungstechnologie, seien aber unfähig, aus ihrer Omnipräsenz und Allwissenheit auch nur halbwegs gültige Analysen und Synthesen zu entwickeln. Es fehle an "psychologischem Einfühlungsvermögen" in die Mentalität und die Wertvorstellungen fremder Kulturen – eben an einer gehörigen Portion Scholl-Latour.

Er mischt politische Analyse und persönlich erlebte Anekdoten, trägt viel Lokalkolorit auf, erzählt die wechselvolle Geschichte der Türkei und des Osmanischen Reiches, rekapituliert die Chronik der Verschwörungen in Ägypten, Syrien, Libyen und dem Iran und spart zwischendrin nicht an weltgeschichtlichen Betrachtungen in gemeißelten Formulierungen – viel Hintergrundwissen zu den aktuellen Gemetzeln.

Seine Empörung gilt der Türkei

Mit voller Zustimmung Ankaras werden "unter Missachtung der elementarsten internationalen Vereinbarungen" die Waffenarsenale der Salafisten über die türkisch-syrische Grenze in die Kampfgebiete geschleust. Im Vorwort nimmt sich Scholl-Latour außerdem die Freiheit, das "Scheitern des Westens" auch in der Ukraine-Frage harsch zu kommentieren.

Mit offenen Karten - Syrien: Die Ursprünge der Krise (1/2) [12:06]

Veröffentlicht am 16.09.2012

MIT OFFENEN KARTEN - Syrien: Regionale Auswirkungen der Krise (2/2) [11:50]

Veröffentlicht am 22.09.2012
MIT OFFENEN KARTEN - Syrien: Die Ursprünge der Krise (1/2)  

Putin: USA weigern sich, uns die IS-Ziele für Luftschläge in Syrien zu geben [1:14]

Veröffentlicht am 12.10.2015
Russischer Staatspräsident Wladimir Putin sagte im Interview, die USA und ihre westlichen Partner weigern sich, Russland die Orte der IS-Stellungen in Syrien zu nennen, obwohl sie Russland beschuldigen, Russland bombardiere nicht den IS, sondern die "moderaten Rebellen". 11 Oktober 2015. Ein Ausschnitt.

Assad-Interview komplett: "Syrien ist im völligen Kriegszustand mit dem Terrorismus" [40:19]

Veröffentlicht am 22.09.2015
In einem Interview, das Bashar al-Assad kürzlich russischen Medien, darunter RT, gab hat sich der syrische Präsident zur globalen und regionalen Bedrohung durch den Terrorismus geäußert, sowie den Bedarf einer vereinten Front gegen den Dschihadismus angesprochen. Auch sprach al-Assad über westliche Propaganda, die Flüchtlingskrise und Wege, wie man Frieden in sein vom Krieg gezeichnetes Land bringen kann. RT Deutsch präsentiert das Interview in voller Länge und deutscher Übersetzung. 
Mehr auf unserer Webseite: http://rtdeutsch.com

Folge uns auf Facebook: https://www.facebook.com/rtdeutsch
Folge uns auf Twitter: https://twitter.com/RT_Deutsch
Folge uns auf Google+: https://plus.google.com/1068940314550...
RT Deutsch nimmt die Herausforderung an, die etablierte deutsche Medienlandschaft aufzurütteln und mit einer alternativen Berichterstattung etablierte Meinungen zu hinterfragen. Wir zeigen und schreiben das, was sonst verschwiegen oder weggeschnitten wird. RT - Der fehlende Part.

General a.D. Harald Kujat und Gabriele Krone-Schmalz über Syrien-Konflikt [31:46]

Veröffentlicht am 15.02.2016
Der Krieg ijn Syrien spitzt sich zu. Die syrischen Regierungstruppen umzingeln mit der militärischen Hilfe Russlands Aleppo und den sogenannten Rebellen droht eine Niederlage. Aber-Tausenden von "Rebellen" befinden sich in Aleppo. General a.D. Harald Kujat und Gabriele Krone-Schmalz sprechen darüber bei Anne Will.

siehe auch:
- Syrien: Assad ist das kleinere Übel (Heinz Theisen, Cicero, 14.10.2015)
Die späte Einsicht etwa von Angela Merkel, dass um des Friedens willen mit den Machtakteuren wie dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verhandelt werden muss, kommt mehr als 250.000 Tote zu spät. Schon 2012 waren Verhandlungen mit dem Ziel einer Übergangsregierung angesetzt gewesen, aber Barack Obama und Hillary Clinton wollten nicht „mit dem Diktator“ reden, eine angesichts der sonstigen Freundschaften der USA im Nahen Osten tragikomische Doppelmoral.

In Syrien bevorzugen manche Minderheiten Assad

Angesichts der vielen ethnischen und religiösen Minderheiten in Syrien – der Kurden, Armenier, Assyrer, Jesiden, Drusen, Alawiten, Christen und Schiiten – würde eine Demokratisierung wie in Afghanistan, Irak und Libyen dauerhafte Anarchie und Islamismus bedeuten. Manchen Minderheiten Syriens war die Unterdrückung durch das säkulare Assad-Regime immer noch lieber als die durch totalitäre Islamisten, die ein positives Bekenntnis zu ihrer Glaubenslehre verlangen.

Bei „Realpolitik“ handelt es sich um einen Begriff aus dem 19. Jahrhundert, als sich die Liberalen nach der gescheiterten Revolution 1848 mit den Machtverhältnissen der Preußen arrangierten. Das Wort ist heute in den angelsächsischen Sprachgebrauch übergegangen und gewinnt nach den strategischen Verirrungen des Westens neue Bedeutung.

Die Unterscheidung zwischen kleineren und größeren Übeln gehört zum Minimum jeder Realitätsbewältigung. In der westlichen Außenpolitik ist diese Kunst durch den überbordenden unilateralen Machtanspruch und durch den moralischen Imperialismus verloren gegangen. Beide vereinen sich zu einem politischen Universalismus, dessen tiefere Ursachen in einem Säkularisierungsprozess zu verorten sind, der im Westen die Politik immer von neuem zur Ersatzreligion zu machen droht.

Der Zwei-Fronten-Krieg der USA

Hinter dem westlichen Universalismus verbirgt sich sowohl die Verabsolutierung weltlicher Machtziele als auch des christlichen Liebesuniversalismus, allerdings in einer profanierten, verkitschten Form ohne Erbsünde, ohne irdisches Jammertal. Solche Direktübertragungen des Himmels auf die Erde gehen immer schlecht aus, weil sie Absolutes mit Relativem und Unendliches mit Endlichem verwechseln. […]

Autoritäre Regime sind als kleinere Übel gegenüber totalitären islamistischen Bewegungen in Ruhe zu lassen. Auch zwischen der EU und Russland wäre eine Partnerschaft möglich: Sofern Moskau dem derzeitigen Waffenstillstand in der Ostukraine Dauer verleiht, sollten beide Seiten gegen den Islamismus kämpfen.

Die Legitimität nichtdemokratischer Mächte leitet sich in einer aus den Fugen geratenden Welt zunehmend aus der Stabilität selbst ab. Dies gilt auch für Mächte wie Iran oder China. Die Anerkennung dieser Legitimation durch den Westen würde den Übergang von der scheiternden unipolar-westlichen zur multipolaren Weltordnung ermöglichen.

Die Reihenfolge zwischen Realismus und Idealismus sollte daher in Zukunft lauten: erst Stabilität, dann Entwicklung.
(Hervorhebung von mir)
(Heinz Theisen ist Lehrstuhlinhaber für Politikwissenschaften einschließlich Sozialpolitik an der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen Köln. Seit 2005 ist er Gastprofessor an der Universität Bethlehem. 2015 erschien sein Buch „Der Westen und sein Naher Osten. Vom Kampf der Kulturen zum Kampf um die Zivilisation“ bei Reinbek ) 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen