Freitag, 12. Februar 2016

Die Nato und der Neoliberalismus – Jugoslawien war nur der Anfang

Wolf im Schafspelz: Mit dem Fall der Berliner Mauer 1989, pünktlich zum Jahrestag der Reichskristallnacht, nach fragwürdiger Fasson und Symbolik auch als „Wende“ bezeichnet, zieht die sowjetische Soldateska zügig aus Deutschland ab. Moskau verabschiedet sich würdevoll, mit einem klaren Njet zum Kalten Krieg. Die Bitburg-Kontroverse von 1985 scheint vergeben und vergessen. Die englischen und amerikanischen Besatzer indessen bleiben zurück, oh Yes, freilich nur als Verbündete. Petitionen zum Abzug ausländischer Truppen werden seitdem vom Bundestag vorab verweigert, neuerdings mit einer Begründung wie aus dem Wahrsagerzelt, wörtlich: weil derlei „nicht den gewünschten Erfolg haben wird“. Der vorauseilende diplomatische Gehorsam, bezahlt aus deutschen Steuermitteln, kostet die Bundesrepublik allein seit 2003 ungefähr eine Milliarde Euro.

Und es wäre, abgesehen von den Kosten alles nicht so schlimm, wenn wirklich Bedarf bestünde. Ein unmittelbares Bedrohungsszenario zum Beispiel. Die diplomatische Pflichterfüllung wäre weniger verwunderlich, wenn nicht gerade wieder einmal – bis hin zur Kanzlerin Merkel – deutsche Staatsbürger über ein Jahrzehnt lang durch die NSA abgehört oder – wie etwa Khaled al-Masri 2003 – vom CIA entführt und in Geheimgefängnissen Polens, Rumäniens oder des Kosovos verhört und gefoltert werden würden. Welcher Bedarf besteht denn danach? In einer Demokratie keiner. Das Kavaliersdelikt, das keines ist, heißt hier Folter, durchgeführt auf 386 Hektar Sperrgebiet hinter den Mauern von Camp Bondsteel, im Wald des Schreckens bei Stare Kiejkuty, oder im Keller eines Bukarester Sicherheitsdienstgebäudes von ORNISS. Politisch-erotisch ganz angetan, laufen bei der bloßen Erwähnung Washingtons schon Berlins und Brüssels Wangen schamhaft rötlich an. Ein Abklingen der Anbiederung ist nicht in Sicht.

Während der Warschauer Pakt mitsamt der Sowjetunion auseinandergeht, hat sich der Nordatlantikpakt (Nato) zum selbsternannten Globalgendarmen aufgeschwungen. Für Wall Street und Square Mile erweist er sich als griffiges Werkzeug fürs Grobe. Am Horn von Afrika sichert er Handelswege für Containerschiffe, in der Wüste Iraks und Libyens das lukrative Ölgeschäft, in den Bergen Afghanistans womöglich seinen Anteil am internationalen Opiumhandel. Letzteres sei dahingestellt. Fest steht, dass seit den neunziger Jahren die militärischen Ausflüge der NATO auf dem Globus merklich zunehmen. Man darf dies nicht einfach kleinreden. Menschen in der Ferne erleben nicht nur Krieg; sie sterben in ihm tatsächlich. Berühmtheit erreichen bei der selbstherrlichen Missachtung von Menschenrechten die üblichen Verdächtigen: Zum Beispiel die USA und die Türkei, die durch ihr Außenpolitik andere Völker und Länder im staatlichen Durcheinander oder in Trümmern zurücklassen. Wo ihre Stiefel und Drohnen hingehen, wächst kein Gras mehr. Souveränität ist ihnen ein Fremdwort, Rechtsstaatlichkeit manchmal nicht mehr als ein Gerücht.

mehr:
- Die Nato und der Neoliberalismus – Jugoslawien war nur der Anfang (Mladen Savić, Balkan21, Freiheitsliebe, 17.01.2016)

siehe auch:
- Europas Militärapparat (Jürgen Wagner, Hintergrund, 28.01.2016)
Forschungsarbeit: Meinungsmanipulationsstrategien in Frieden und Krieg (Jens Wernicke, Institut für Medienverantwortung, Juli 2009?)
Frieden muss gestiftet werden (Post, 24.11.2014)
Der Gründungsvater der Friedensforschung, der Norweger Johan Galtung, nannte als wirklichen Kriegsgrund die Disziplinierung des „Fremdkörpers“ Serbien als letztes mit Russland und China verbundenem Land in Europa, das sich der neoliberalen Globalisierung widersetzt. Solche Erklärungen hatten keine Chance, gehört zu werden, für eine weitgehende Gleichschaltung der öffentlichen Meinung war gesorgt. (Daniela Dahn, zit. in Frieden muss gestiftet werden – Europas Sündenfall: der Kosovo-Krieg, Post, 24.11.2014)
Medien: intellektuelle Korruption in Konfliktzeiten (Post, 06.02.2016)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen