Der Spätkapitalismus im Hightech-Zeitalter wankt. Das beklagen selbst immer mehr Superreiche. In der Washington Post philosophierten kürzlich Milliardäre aus dem Silicon Valley darüber, wie man mit denen verfahren könne, die der allseits geheiligte, für die Profitmaschine unabdingbare Arbeitsmarkt ausgespuckt hat (1). Es werden mehr. In den Ex-Kolonien ist es längst dramatisch. Kapitalismus produziert Arme genauso wie Superreiche. Er zwingt immer größere Massen zur Migration. Doch soweit denkt das Gros der deutschen Untertanen nicht. Ungeachtet der globalen Verhältnisse verteidigen sie verbissen ihr Privileg, ihren Herren in einem der wirtschaftlich stärksten Imperien dienen zu dürfen. Und ihre Aufseher spornen sie an.
Und das funktioniert so: Seit 1993 stampft die Bundesregierung das Asylrecht immer weiter ein. Sie reagierte damals damit auf die Ausschreitungen „deutscher Patrioten“ – die in brutalen Übergriffen, Brandstiftungen und Morden mündeten. Rostock, Mölln, Solingen und Hoyerswerda seien dazu nur als Beispiele genannt. Das ging so weit, dass der Staat Flüchtlingen im Jahr 2012 weniger als zwei Drittel der Hartz-IV-Leistungen zubilligte und ihnen verbot, den Landkreis zu verlassen. Jeder weiß, dass schon Hartz IV kaum reicht.
Dann schritt das Bundesverfassungsgericht ein. Es erklärte die willkürliche Schlechterstellung von Asylsuchenden zum Verstoß gegen die Menschenwürde. Zwar hob die Bundesregierung die Leistungen danach widerwillig an, während Springer und Co. mit Begriffen wie Sozialschmarotzer – wer schon mal mit Hartz IV leben musste, kennt das Wort aus eigener Erfahrung – um sich warfen. Doch das hielt nicht lange an. Entgegen aller Propaganda stagnieren die Leistungen seit 2016. Heute bekommt ein alleinstehender Flüchtling 70 Euro weniger als ein Hartz-IV-Bezieher zugestanden – zum Teil als Sachleistung. Für Paare gibt es 128 Euro weniger, bei Kindern liegt die Differenz zwischen 31 und 60 Euro.
Und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter SPD-Minister Hubertus Heil legt nun nach: Trotz massiv gestiegener Lebenshaltungskosten senkt es die Asylbewerberleistungen weiter. Laut seinem neuen Gesetzesentwurf – bejubelt von der Union, der FDP und der AfD – erhält ein alleinstehender Flüchtling ab 2020 nur noch 344 statt 354 Euro (2). Auch für Paare und für Kleinkinder soll es weniger geben. Darüber hinaus will die Bundesregierung die Repressionen verschärfen. Noch einfacher als bisher soll es Ausländerbehörden möglich sein, die Existenzsicherung Betroffener auf null zu kürzen.
Damit nicht genug: Die Bundesregierung verkauft die Kürzungen gar als Erhöhung, und zwar mit einem fiesen Trick: Sie splittet, anders als bei Hartz IV, die Leistung in einen notwendigen und persönlichen Bedarf. Ersteres ist das physische Minimum, also Nahrung, Kleidung, Medizin. Letzteres nennt sie – und die Presse schreibt es dankbar ab – zynischer Weise „Taschengeld“.
mehr:- Tagesdosis 27.4.2019 – Kollektive Hysterie, kollektive Trance, kollektive Lügen (Podcast) (Kommentar von Susan Bonath, KenFM, 27.04.2019)
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