An hiesigen Hochschulen und Forschungseinrichtungen ist das Gros des akademischen Mittelbaus nur befristet angestellt. Verschärft hat die Misere ein seit 13 Jahren geltendes Gesetz, das 2016 wegen seiner Verwerfungen „nachgebessert“ wurde. Eine aktuelle Studie stellt die Novelle auf den Prüfstand. Ergebnis: Die Lage hat sich allenfalls ein kleines „bisschen“ entspannt, bleibt aber wie gehabt dramatisch. Für eine rasche Reform der Reform ist es deshalb höchste Eisenbahn. Die Bundesregierung setzt lieber auf Schneckentempo. Von Ralf Wurzbacher.
Wer etwas über unsichere Beschäftigungsverhältnisse, lückenhafte Erwerbsbiografien, verkorkste Lebens- und Familienplanungen, Unterbezahlung und unentgeltliche Mehrarbeit wissen will, ist an einer deutschen Universität goldrichtig. An der altehrwürdigen Alma Mater hat das Prekariat sein Hauptquartier. Hier unterrichten angehende Professoren jahrelang für lau, verdingen sich studentische Hilfskräfte zum Hungerlohn und hangeln sich Nachwuchswissenschaftler von einer Kurzzeitanstellung zum nächsten. Das freie Unternehmertum kann von derlei Zuständen nur träumen. Brauchten Turbokapitalisten noch Anschauungsunterricht in puncto Personalausschlachtung – an Deutschlands höchsten Lehranstalten lernten sie ihre Lektion.
Vorneweg, der sogenannte akademische Mittelbau dient den Hochschulrektoren seit langem als Melkkuh Nummer eins. Zuletzt waren im Bundesschnitt 90 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter nur befristet beschäftigt, davon nahezu jeder zweite auf einer Teilzeitstelle. Fast die Hälfte der Doktoranden und Postdocs hatte in der ersten Qualifikationsphase einen Arbeitsvertrag, der kürzer als zwölf Monate lief. Von den rund 146.000 im Jahr 2009 hauptberuflich tätigen Kräften standen 83 Prozent in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis. Zum Vergleich: In der Privatwirtschaft wurden zuletzt sieben Prozent Jobs mit zeitlicher Beschränkung gezählt, im gesamten öffentlichen Dienst waren es 9,5 Prozent.
mehr:
- Prekär von Staats wegen. An Deutschlands Unis ist Selbstausbeutung die Hauptbeschäftigung. (Ralf Wurzbacher, NachDenkSeiten, 13.03.2020)
siehe auch:
- Die Neoliberalisierung der Universität (Post, 24.08.2016)
- Heute vor 262 Jahren – 6. Mai 1754: Dorothea Erxleben wird geboren (Post, 06.05.2016)
- Heute vor 52 Jahren: 1. Oktober 1962: Schwarzer Student an der Universität von Mississippi (Post, 01.10.2014)
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Freitag, 13. März 2020
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