Porträt Hermann Theisen ist radikaler Gegner von Atomwaffen – und wandert dafür immer wieder ins Gefängnis
Wie oft Hermann Theisen schon vor Gericht stand, weiß er selbst gar nicht so genau. „Angeklagt war ich vielleicht 15- bis 20-mal“, schätzt der 52-Jährige. Durchgekommen seien aber „nur vier oder fünf“ der Klagen. Dreimal saß er die Strafe im Gefängnis ab. Hermann Theisen ist allerdings nicht etwa Kleinkrimineller oder etwa notorischer Schwarzfahrer. Der Heidelberger ist Aktivist und kämpft seit mehr als 30 Jahren gegen die Atomwaffen auf deutschem Grund.
„Ich wurde in den 1980er Jahren politisiert, als überall in Deutschland Atomwaffen stationiert waren“, sagt der Waffengegner. „Das Lebensgefühl meiner Generation war von der atomaren Bedrohung geprägt.“ Er fing an mit Sitzblockaden vor Atomwaffenlagern, mit dem Stürmen von Militärgeländen. Wenn Theisen darüber spricht, klingt es wie das Normalste der Welt. Andere erzählen im gleichen Tonfall, dass sie gern lesen, ins Kino gehen oder Minigolf spielen.
Theisen wurde 1964 geboren. Er studierte soziale Arbeit. Die ist sein zweites Steckenpferd. Heute arbeitet er im Sozialdienst eines Krankenhauses. Von einem ruhigen Leben hält er nicht viel. Theisen will sich weiterbilden, wo es geht. Er ging noch einmal an die Hochschule, um seinen Diplomabschluss noch mit einem Master zu ergänzen. Derzeit steckt er in einer berufsbegleitenden Fortbildung zur gewaltfreien Konfliktbewältigung.
Ganz normales Familienleben
In den vergangenen drei Jahrzehnten hat er sich das aufgebaut, was viele als „ganz normal“ bezeichnen würden. Er hat geheiratet, Kinder bekommen. Ein Zwillingspaar, das mittlerweile 20 Jahre alt ist. „Ich habe ein ganz normales Familienleben – nur den Aktivismus mache ich eben auch“, erzählt Theisen.
„Ich bin immer an den Atomwaffen drangeblieben, ich bin ein sehr beharrlicher Mensch“, meint Theisen. Die meisten Bürger wüssten überhaupt nicht, dass es in Deutschland immer noch Atomwaffen gebe. Natürlich sehe er auch andere gesellschaftliche Probleme, bei denen die Zivilgesellschaft gefragt sei – „Umwelt, Globalisierung, Flüchtlingshilfe“.
„Jetzt sollen die verbliebenen Atomwaffen in Deutschland nicht nur nicht abgeschafft, sondern auch noch modernisiert werden“, sagt Theisen. In Rage redet er sich nicht, sein Tonfall bleibt sachlich und ruhig. „Für mich und viele andere ist klar: Das Vorhaben ist völkerrechtswidrig.“ Deutschland darf nämlich keine eigenen Atomwaffen haben – im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel lagern dennoch 20 Bomben des Typs B61. Offiziell handelt es sich dabei gar nicht um deutsche Waffen. Es sind US-Bomben, die sich durch die NATO-Atomwaffenpolitik in der Bundesrepublik befinden – und im Zweifelsfall von deutschen Soldaten bedient werden sollen. Die USA wollen ihre Atombomben modernisieren, damit sie bis 2050 einsatzbereit bleiben.
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Die Nuklearwaffen-Nervensäge (Susanne Schwarz, ZEIT Online, 29.02.2016)
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