Nach fast drei Wochen Aufenthalt auf der Krim im Frühling dieses Jahres und sechs Berichten auf infosperber.ch zu verschiedenen Themen – siehe am Ende dieses Artikels die Links – möchte ich noch einige abschliessende Bemerkungen machen: Erkenntnisse, Lebenserfahrungen, Bewertungen – und alles betont persönlich.
Wohin auch immer man reist in der Absicht, unsere Welt besser verstehen zu lernen: die Menschen, denen man begegnet und mit denen man ins persönliche Gespräch kommt, sind das wichtigste.
Die Menschen auf der Krim sind freundlich, hilfsbereit und ehrlich. Zwei Beispiele:
Hilfsbereit: Meine Frau und ich kommen um 18 Uhr zurück ins Hotel in Jalta, von einem langen Reisetag ziemlich erschöpft. Unterwegs habe ich mir eine Flasche Rotwein – Cabernet von der Krim – gekauft und möchte sie nach dem Abendessen im Hotelzimmer trinken. Das Hotel aber hat nur einen Korkenzieher und braucht diesen im Restaurant, meine (russisch sprechende) Frau ihrerseits möchte aber nicht mehr zum Einkaufen in die nahe Einkaufsstrasse gehen. Also zeichne ich einen Korkenzieher auf ein Stück Papier, um mich verständlich zu machen, was ich brauche, schreibe russisch где (wo?) hinein und gehe allein in die Stadt.
Im Supermarket finde ich trotz Hilfe des Verkaufspersonals keinen Korkenzieher, frage aber an der Kasse nochmals danach, den Zettel zeigend. Die Kassierin schüttelt den Kopf. Neben mir aber steht eine uniformierte Polizistin und sagt mir in gebrochenem Englisch, sie wisse ein Geschäft, wo so ein Korkenzieher wohl zu erhalten sei, und sie fordert mich auf, ihr zu folgen. In etwa einem halben Kilometer Distanz nimmt sie mich mit in ein Haushaltgeschäft – leider erfolglos. Es gibt da keinen Korkenzieher. Erneut darf ich ihr folgen, in ein anderes Geschäft – und wieder vergebens. Schon macht sie ein ratloses Gesicht, beginnt aber plötzlich wieder zu strahlen. Und tatsächlich, im dritten Geschäft, in einem Souvenirladen, kann ich ein Outdoor-Besteck erstehen – mit einem Korkenzieher. Das Multitool kostet mich – umgerechnet – 7 Schweizer Franken, und die Polizistin ist total glücklich, dass sie mir helfen konnte. (Überflüssig zu sagen: Der Cabernet von der Krim im Hotelzimmer hat hervorragend geschmeckt.)
mehr:
- Krim VII: Persönliche Erfahrungen und Einschätzungen (Christian Müller, Info-Sperber, 21.10.2019)
siehe auch:
- Die Krim, ein Kommentar und einige Antworten (Post, 10.02.2019)
- Krim: „Es hat sich nicht um eine Annexion gehandelt!“ (Post, 14.01.2018)
- Dauerbrenner »Krim-Annexion« (Post, 21.06.2018)
- Annexion – Sprache: So wird Realität hergestellt (Post, 14.02.2015)
- Ukraine-Krise – Platzeck fordert Anerkennung der Krim-Annexion (Post, 18.11.2014)
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Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
[Ludwig Wittgenstein, Tractatus logico-philosophicus Satz 5.6 (1922)]
Die Philosophie ist ein Kampf gegen die Verhexung unseres Verstandes durch die Mittel unserer Sprache.
[Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen §109 (1953, posthum)]
Die Ergebnisse der Philosophie sind die Entdeckung irgendeines schlichten Unsinns und die Beulen, die sich der Verstand beim Anrennen an die Grenze der Sprache geholt hat. Sie, die Beulen, lassen uns den Wert jener Entdeckung erkennen.
[Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen §119 (1953, posthum)]==========
Wenn einzelne Gruppen oder Personen über die Macht verfügen, Worte und Begriffe zu prägen oder zu ächten und auf diese Weise ihre Ansichten bzw. Ideologien massenmedial durchzusetzen verstehen, dann wird damit Herrschaft ausgeübt. Schon Nietzsche[wp] erkannte, dass in Zukunft die Herrschaft durch Sprache ausgeübt wird. Günter Rohrmoser[wp] paraphrasierte Nietzsches Ansichten wie folgt:
"In Zukunft, also im 20. Jahrhundert, werden diejenigen in einer Gesellschaft die eigentliche Macht ausüben, die fähig sind, ihre Sprachregelung in der Gesellschaft durchzusetzen. Dann ist die Wahl der Begriffe und der Sprache kein Nebenkriegsschauplatz, sondern dann wird der Kampf um die Sprache zur entscheidenden Schlacht." [2]Für Rohrmoser bedeutet dies:
"Eine Strategie der Veränderung der Gesellschaft über die Veränderung des Bewusstseins muss im Kern ein Kampf um die Sprache der Gesellschaft sein." [2]Victor Klemperer[wp] analysierte in seinem Notizbuch eines Philologen[3] die Sprache des Dritten Reiches und beschreibt wie totalitäre Systeme die Psyche der Untertanen über deren Sprache zu beherrschen versuchen. So sei der verordnete Duktus "ganz darauf gerichtet, den Einzelnen um sein individuelles Wesen zu bringen, ihn als Persönlichkeit zu betäuben, ihn zum gedanken- und willenlosen Stück einer in bestimmter Richtung getriebenen und gehetzten Herde zu machen":
"Alles, was in Deutschland gedruckt und geredet wurde, war [...] genormt; was irgendwie von der einen zugelassenen Form abwich, drang nicht an die Öffentlichkeit; Buch und Zeitung der Behördenzuschrift und Formulare einer Dienststelle - alles schwamm in derselben braunen Soße, und aus dieser absoluten Einheitlichkeit der Schriftsprache erklärte sich denn auch die Gleichheit aller Redeform. Die stärkste Wirkung wurde nicht durch Einzelreden ausgeübt, auch nicht durch Artikel oder Flugblätter, durch Plakate oder Fahnen, sie wurde durch nichts erzielt, was man mit bewusstem Denken oder bewusstem Fühlen in sich aufnehmen mußte. Der Nazismus[wp] glitt in Fleisch und Blut der Menge über durch die Einzelworte, die Redewendungen, die Satzformen, die er ihr in millionenfachen Wiederholungen aufzwang, und die mechanisch und unbewusst übernommen wurden. [...] Fraglos waren alle, Anhänger und Gegner, Nutznießer und Opfer, von denselben Vorbildern geleitet." [4]Zitat:
Totalitäre Systeme und Gruppierungen entwickeln außer einer Kampfsprache - als verbale Angriffswaffe und zur Stimulierung der eigenen "Truppen" - auch eine Schmusesprache zur Irritierung und Desinformation der Bekämpften sowie zur Gewinnung von leichtgläubigen oder korrupten "Bündnis"-Partnern. Helmut Bärwald skizziert die Entwicklungen und Anwendungen einer solchen Schmusesprache als Mittel der von Linksextremisten in Deutschland betriebenen politisch-psychologischen Offensiven im vergangenen halben Jahrhundert.[6]
«[Die Schlagworte und Begriffsungetüme] wollen keinen Inhalt vermittelt. Vielmehr geht es ihnen darum, einen Affekt auszulösen. Leser und Zuhörer sollen mit Begriffen zu positiven oder negativen Affekten manipuliert werden. Rassismus, Sexismus, Diskriminierung, sie alle werden genutzt, um in Verbindung mit bestimmten Objekten Affekte auszulösen, z. B. negative in Verbindung mit Männern und positive in Verbindung mit Frauen. Es ist mehr als eine These zu sagen, dass der gesamte Staatsfeminismus auf einem affektiven Gebäude basiert, das sofort zusammenfällt, wenn man nach der empirischen Gültigkeit dieses affektiven Gebäudes fragt, wenn man fragt, ob Frauen tatsächlichbenachteiligt sind, an welchen konkreten Bedingungen sich dies ablesen lässt und welche negativen Konsequenzen die vermeintliche Benachteiligung für konkrete Frauen hat.» - Michael Klein[5]
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