Die Justiz in Schweden lässt den seit 2010 bestehenden Vergewaltigungsvorwurf gegen WikiLeaks-Mitbegründer Julian Assange fallen. Die stellvertretende Direktorin der schwedischen Strafverfolgung, Eva-Marie Persson, erklärte, der Vorfall liege mittlerweile so lange zurück, dass sich die Beweislage deutlich abgeschwächt habe. Nach fast einem Jahrzehnt erinnerten sich die Zeugen nicht mehr genau. Trotzdem halte man die Klägerin für glaubhaft. Gegen die Entscheidung könne Widerspruch eingelegt werden.
Die schwedischen Ermittlungen waren 2017 schon einmal eingestellt worden, weil es nicht gelungen war, die Vorwürfe ausreichend zu untersuchen. Die Schuldfrage konnte damals nicht geklärt werden.
Im Mai 2019 hatte die schwedische Staatsanwaltschaft ihre Voruntersuchungen aber wiederaufgenommen und Haftbefehl beantragt, was das zuständige Gericht in Uppsala aber im Juni ablehnte. Die Strafverfolgung verzichtete darauf, dagegen in Berufung zu gehen.
mehr:
- Schwedens Staatsanwaltschaft: Vorwurf gegen Assange fallengelassen (Tagesschau, 19.11.2019)
Worüber die Tagesschau nicht berichtet:
1. Die Vergewaltigungsvorwürfe sind dummes Zeug:
Allerdings hat jede Frau sogar ein Kondom als Beweis vorgelegt. Das erste, angeblich von Assange getragen und zerrissen, enthüllte keinerlei DNA – weder seine, noch ihre oder die von jemand anderem. […] Das zweite, gebrauchte, aber intakte, sollte "ungeschützten" Geschlechtsverkehr beweisen.Die Untersuchungsergebnisse des Schwedischen Nationallabors für Forensik sind seit Anfang 2011 bekannt.
[Nils Melzer, UN-Sonderberichterstatter, zit. in Präzedenzfall WikiLeaks, Mathias Bröckers, Telepolis, 01.07.2019]
siehe dazu auch:
- Julian Assange – ein Vergewaltiger? (Post, 20.11.2019)
2. grundsätzlich zur Verurteilung Assanges in Großbritannien:
Die britischen Behörden behaupten weiterhin, Assange habe sich »freiwillig« in die ecuadorianische Botschaft begeben und sich damit der Justiz entzogen. Auf diesem Standpunkt beruht die Verurteilung von Assange nach seiner Festnahme in der ecuadorianischen Botschaft
Dabei blieb Assange gar keine andere Wahl:
Die schwedischen Behörden hatten einen Auslieferungsantrag an Großbritannien (wegen dieser obskuren Vergewaltigungsvorwürfe) gestellt und Assange nicht zusichern wollen, ihn nicht an die USA auszuliefern.
3. zum jetzigenGefängnisaufenthaltes Assanges:
Die Tagesschau schreibt in ihrem Artikel [s.o.]
Er verbüßt momentan in einem Londoner Gefängnis eine 50-Wochen-Haftstrafe wegen des Verstoßes gegen Kautionsauflagen.Das ist falsch:
Bezirksrichterin Vanessa Baraitser sagte am Freitag zu Assange, der per Video-Link erschien: “Sie wurden heute vorgeführt, weil ihre Haftstrafe kurz vor ihrem Ende steht. […] Wenn dies geschieht, ändert sich Ihr Haftzustand von einem büßenden Gefangenen zu dem einer Person, die einer Auslieferung entgegensieht.”3. Ausspionieren durch die CIA:
[Moritz Müller, Julian Assange auch nach Haftende weiter im Gefängnis und Gericht blockiert vollständige Information, NachDenkSeiten, 20.09.2019]
Die CIA hatte die spanische Firma Undercover Global SL beauftragt, die ecuadorianische Botschaft zu verwanzen, um Assange auszuspionieren, und diese hatte dabei Gespräche mit seinen Anwälten und Besuchern aufgenommen.
UC Global SL hat Assange für die CIA ausspioniert, wie aus Zeugenaussagen und Dokumenten hervorgeht, die von dieser Zeitung veröffentlicht wurden. Angeblich hat Morales dem Geheimdienst Audio- und Videomaterial zu den Treffen des Cyberaktivisten mit seinen Anwälten und Mitarbeitern in der Botschaft zur Verfügung gestellt. Nach den Enthüllungen dieser Zeitung erklärte sich Richter José de la Mata vom spanischen Obersten Gerichtshof, die Audiencia Nacional, damit einverstanden, eine Strafanzeige von Assange gegen Morales zu prüfen, der festgenommen wurde und nun Gegenstand einer Untersuchung wegen mutmaßlicher Verstöße gegen die Privatsphäre und den Anwalt von Assange ist -Kundenprivilegien sowie Veruntreuung, Bestechung, Geldwäsche und illegaler Waffenbesitz.Gegen den Chef der Firma, David Morales, wird zur Zeit in Spanien ermittelt. Der spanische Richter bat per Europäischer Ermittlungsanordnung um eine Videoschaltung mit Assange.
[José María Irujo, Die US-Spur des Mannes, dessen Sicherheitsfirma Julian Assange ausspioniert hat, El País (Google-Übersetzer), 08.11.2019 – Original]
Richter Jose de la Mata hat um ein Interview mit Assange per Videolink gebeten und eine Europäische Ermittlungsanordnung (European Investigation Order, EIO) erlassen. Der Fall betrifft die Rolle von David Morales, Direktor der Sicherheitsfirma, der beschuldigt wird, Überwachungsmaterial, einschließlich der Überwachung der vertraulichen Treffen von Assange mit seinen Anwälten, direkt an die CIA weitergeleitet zu haben.Dieser Antrag wurde abgelehnt:
[Nina Cross, Der britische Missbrauch von Assange geht weiter: Blockierung spanischer Ermittlungen, Anpassung an US-amerikanische Forderungen, Google-Übersetzer: 21stcenturywire.com, 05.11.2019 – Original]
Einige der angeblichen Gründe für die Weigerung der britischen Behörden zur Zusammenarbeit sind, dass die britische Polizei diese Art von Befragungen durchführt, dass keine Videokonferenzen zur Verfügung stehen, um Zeugenaussagen anzuhören, und dass die Gerichtsbarkeit unklar ist. El Pais weist darauf hin, dass die britische Antwort in solchen Anfragen nach einer standardmäßigen justiziellen Zusammenarbeit beispiellos ist.[ebda]- Britischer Missbrauch von Assange geht weiter: Blockierung spanischer Ermittlungen, Anpassung an US-amerikanische Forderungen (Post, 05.11.2019)
4. Das Ignorieren des Melzer-Berichts:
Da niemand auf seinen Bericht regiert hatte und alle betroffenen Regierungen die Vorwürfe des UN-Sonderermittlers Nils Melzer rundweg abstritten, schrieb dieser einen Artikel, in welchem er die Verfolgung von Assange nochmals zusammenfasste. Keine Mainstream-Zeitung wollte den angebotenen Arikel drucken:
- Präzedenzfall WikiLeaks (Mathias Bröckers, Telepolis, 01.07.2019)
- UN-Ermittler kritisiert Umgang mit Assange (Post, 31.05.2019)
- UN-Ermittler kritisiert Umgang mit Assange (Post, 31.05.2019)
- UN-Arbeitsgruppe: Festsetzung von Assange willkürlich (Post, 05.02.2016)
siehe auch:
- Causa Assange: Die USA auf dem Weg zur Pax americana (Post, 12.11.2019)
- Der Lynchmord an einem charismatischen Sonderling (Post, 11.11.2019)
- Assange, der Zorn der Mächtigen, Menschenrechte, Folter und das dröhnende Schweigen des Mainstream (Post, 04.11.2019)
- 9 Jahre lang Vergewaltigungsvorwürfe gegen Julian Assange am Köcheln halten: Alle Achtung! (Post, 05.11.2019)
- Assange vor Gericht (Post, 22.10.2019)- Die Tagesschau in transatlantischer Solidarität: Hexenjagd auf Julian Assange (Post, 25.07.2019)
5. Die britische Justiz verweigerte Assange Zugang zu seinen Unterlagen, schränkte die Besuchsmöglichkeiten für seine Anwälte ein und verlegte die Verhandlung über seine Auslieferung an die USA ins abgelegene Woolwich, wo weniger als ein halbes Dutzend Plätze für die Öffentlichkeit bereitstehen.
In einem letzten rachsüchtigen Schritt erklärte Baraitser, das einwöchige Anhörungsverfahren zu Assanges Auslieferung im nächsten Jahr werde im Amtsgericht Woolwich neben dem Gefängnis Belmarsh stattfinden. Die Zuschauer reagierten auf diese Ankündigung mit hörbar entsetztem Atmen. Im Zuschauerbereich des Gerichtsgebäudes neben Belmarsh gibt es nur drei Sitze, so dass eine öffentliche Kontrolle ausgeschlossen wird und voreingenommene Medien selektiv Desinformationen und Lügen über den Prozess verbreiten können.
Summers legte sofort Einspruch gegen Baraitsers Entscheidung ein. Das Gerichtsgebäude ist nicht nur schwer zu erreichen und erschwert damit den ohnehin schon unmöglichen Zeitplan und die Arbeitsbelastung des Anwälteteams, die Ausstattung ist auch deutlich minderwertiger als die in Westminster. Es gibt dort nicht einmal Konferenzräume, die für vertrauliche juristische Diskussionen von entscheidender Bedeutung sind. Seine Bedenken wurden jedoch zurückgewiesen.
[Laura Tiernan, Britische Richterin lehnt Aufschub von Assanges Auslieferungsverfahren ab, WSWS, 23.10.2019]
Wozu das Ganze?
Update vom 3. Mai 2019: UN-Menschenrechtsexperten haben die Verurteilung des Wikileaks-Gründers Julien Assange zu 50 Wochen Haft in Großbritannien kritisiert. Assange war wegen Verstoßes gegen Kautionsauflagen verurteilt worden. Das sei eine unverhältnismäßige Strafe für ein unbedeutendes Vergehen, befand die Arbeitsgruppe zu willkürlichen Inhaftierungen. Sie verlangte am Freitag in Genf die Freilassung von Assange.[…]
Wikileaks-Gründer Julian Assange hat sich nach Angaben eines ehemaligen Diplomaten während seines Exils in der ecuadorianischen Botschaft in London nicht – wie mehrfach behauptet – daneben benommen. Es stimme einfach nicht, dass Assange nicht reinlich gewesen sei, sich nicht um seine Katze gekümmert oder gar Exkremente an die Wände geschmiert habe, sagte der frühere Konsul der Landesvertretung, Fidel Narvaez, am Samstag dem britischen Nachrichtensender Sky News.
Assanges Verhältnis zu allen Angestellten der Botschaft sei respektvoll gewesen, sagte der Ex-Diplomat weiter. Der gebürtige Australier habe auch nicht in Schmutz gelebt. Narvaez: „Hat er das Geschirr in den Geschirrspüler gestellt? Wahrscheinlich nicht an den Wochenenden. Ist das ein Verbrechen?“ Zuletzt sei der Aufenthalt in der Botschaft aber „die Hölle“ für Assange gewesen, der Internet- und Besuchsverbote bekam. „Die Strategie war klar: ihn zu brechen.“
Update vom 23. Mai 2019: Die US-Justiz hat ihre Anklage gegen den Wikileaks-Gründer Julian Assange erheblich verschärft. Assange ist nun auch angeklagt, durch die Veröffentlichung von vertraulichen diplomatischen und militärischen Dokumenten der USA gegen Anti-Spionage-Gesetze verstoßen zu haben, wie das Justizministerium in Washington am Donnerstag mitteilte.
Die Erweiterung der Anklage bedeutet, dass dem in Großbritannien inhaftierten Assange in den USA eine deutlich längere Haftstrafe droht als bislang. Die neuen Anklagepunkte kommen zu der bereits zuvor von der US-Bundesanwaltschaft erhobenen Anschuldigung gegen den Wikileaks-Gründer wegen Verschwörung zum Angriff auf Regierungscomputer hinzu. Für diesen bisherigen Anklagepunkt allein drohten Assange bereits bis zu fünf Jahre Gefängnis.
[Assange:Unerwartete Wende bei Vergewaltigungs-Vorwürfen in Schweden, FR, 19.11.2019 – Hervorhebungen von mir]
mein Kommentar:
Jetzt hat sich Schweden sauber aus der Verschwörung zurückgezogen…
Justiz in den USA:
»Stehenbleiben, Du hast falsch geparkt!«
zwei Monate später:
»… und ermordet hast Du auch noch wen!«
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