Sonntag, 7. Dezember 2014

Ex-Mossad-Chef: Zum ersten Mal fürchte ich für die Zukunft des Zionismus

Seit dem Beginn des Zionismus im späten 19. Jahrhundert wird die jüdische Nation im Land Israel demografisch und territorial immer umfangreicher, dem anhaltenden Konflikt mit den Palästinensern zum Trotz. Das ist uns gelungen, weil wir weise und strategisch klug gehandelt und uns nicht mit dem törichten Versuch aufgehalten haben, unsere Feinde davon zu überzeugen, dass wir im Recht sind.

Seit ich mir eine eigene Meinung bilden kann, mache ich mir heute zum ersten Mal Sorgen über die Zukunft des zionistischen Projekts. Ich mache mir einerseits über die kritische Masse der Drohungen gegen uns und andererseits über die Blindheit und politische und strategische Lähmung der Regierung Sorgen. Obwohl der Staat Israel von den Vereinigten Staaten abhängt, haben die Beziehungen zwischen den beiden Ländern einen Tiefpunkt erreicht, den sie nie zuvor hatten. Unser größter Markt Europa ist unser müde geworden und ist dabei, uns Sanktionen aufzuerlegen. Für China ist Israel ein attraktives High-tech-Projekt und wir verkaufen dem Land unsere nationalen Güter, um Profit zu machen. Russland wendet sich allmählich gegen uns, unterstützt unsere Feinde und geht ihnen zur Hand.

Antisemitismus und Hass gegen Israel haben ein Ausmaß erreicht, das bis zur Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg unbekannt war. Unsere öffentliche Diplomatie und Öffentlichkeitsarbeit haben kläglich versagt, während die der Palästinenser viele wichtige Erfolge in der Welt erzielt haben. Universitätsgelände im Westen, besonders in den USA, sind Orte, an denen sich die künftige Führungsschicht ihrer Länder besonders gut entwickelt.

Wir verlieren den Kampf um die Unterstützung Israels in der akademischen Welt. Immer mehr jüdische Studenten kehren Israel den Rücken. Die globale BDS-Bewegung (boycott, devestment, sanctions / Boykott, Kapitalabzug, Sanktionen) gegen Israel, die zunehmend Israels Delegitimierung betreibt, hat an Größe zugenommen und ziemlich viele ihrer Mitglieder sind Juden.

mehr:
- Israel galoppiert blind in Richtung Bar Kochbas (Schabtai Schavit, Neue Rheinische Zeitung, 07.12.2014)
Der Autor (*1939) war von 1989 bis 1996 Generaldirektor des Mossad, des für weltweite Nachrichtenbeschaffung, Geheimaktionen und Terrorismusbekämpfung zuständigen israelischen Geheimdienstes. Er hat diesen Artikel am 24. November in der Zeitung Haaretz veröffentlicht. http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.628038. Mehr Informationen über ihn unter http://en.wikipedia.org/wiki/Shabtai_Shavit Wir danken der Schriftstellerin Ingrid von Heiseler dafür, dass sie uns auf diesen Kommentar aufmerksam gemacht und ihn für uns übersetzt hat.

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