Die "Mitte-Studie" konstatiert die Zunahme rechtspopulistischer Einstellungen und die Attraktion von Verschwörungstheorien
Die "Mitte-Studie", die von Mitarbeitern des Bielefelder Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung im Auftrag der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde, macht klar, dass Antworten auf Umfragen kein klares Weltbild liefern, weil die Menschen selbst zerrissen sind und durchaus Widersprüchliches äußern. Die Mehrheit kann also durchaus die Demokratie und die Vielfalt der Gesellschaft begrüßen und gleichzeitig "antidemokratische und antipluralistische Überzeugungen" haben.
Ob man deswegen schon ableiten muss, dass "die Mitte ihren festen Boden und ihre demokratische Orientierung" verliert, wie dies die Studienautoren machen, darf hinterfragt werden. Dahinter könnte ein falsches Menschenbild stecken, das politische Zerrissenheit oder kognitive Dissonanzen als solche als bedrohlich einstuft. Letztlich würde der "feste Boden" auch bedeuten, dass die Menschen sich alle in der Mitte versammeln, die sich damit ebenso auflösen würde wie die Vielfalt der Gesellschaft. Es dürfte eher darauf ankommen, wie allgemeine Orientierung und einzelne Positionen austariert werden.
Ideologie der Ungleichwertigkeit
Zuletzt wurde die Befragung 2016 ausgeführt. Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Sozialdarwinismus blieben in etwa gleich. Festhalten muss man aber, dass alle drei Kategorien seit 2014 deutlich zurückgegangen sind, besonders stark die Fremdenfeindlichkeit, die bis 2012 noch ein Viertel der Deutschen pflegten, jetzt aber nur noch 8,9 Prozent. Auch der Rassismus ist ebenso wie der Antisemitismus zurückgegangen, nicht aber der "israelbezogene" Antisemitismus. Das ist ein schwieriges Thema, zumal in Deutschland, inwieweit Kritik der israelischen Politik Antisemitismus oder von diesem durchtränkt ist.
Besonders abgelehnt werden Sinti und Roma, danach Muslime. Was die "Menschenfeindlichkeit" bzw. die "Ideologie der Ungleichwertigkeit" betrifft, wenig verwunderlich am meisten vorhanden bei Anhängern der AfD, so sind Sexismus, Vorurteile gegen Obdachlose und Menschen mit Behinderung gesunken. Gegenüber Asylsuchenden haben aber 54 Prozent eine negative Meinung, obgleich diese deutlich weniger wurden, während dies 2016 noch bei 50 Prozent der Fall war. Leicht gestiegen ist die "Menschenfeindlichkeit" bei der jüngeren Generation.
Eigentlich könnte man zumindest teilweise beruhigt sein, da im Vergleich zu 2002, als die Umfrage erstmals durchgeführt wurde, auch rechtsextreme Einstellungen wie die Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus und die Verharmlosung des Nationalsozialismus trotz der Bemühungen von Gauland oder Höcke geringer wurden. Auch hier ist zwischen den Umfragen 2012 und 2014 irgendetwas in der Befindlichkeit geschehen.
Was nach der Studie gestiegen ist, sind rechtspopulistische Einstellungen, stärker im Osten als im Westen ausgeprägt: "Rechtspopulistische Einstellungen werden durch Misstrauen in die Demokratie (unter 59% der Befragten verbreitet) und Zustimmung zu einem Law-and-Order-Autoritarismus (geteilt von 62% der Befragten) erhoben, zum anderen über die Abwertung von Eingewanderten, Muslim_innen, Asylsuchenden sowie Sinti und Roma." Sie finden sich am geringsten bei den Grünen und sind am stärksten bei den AfD-Sympathisanten ausgeprägt, stark auch bei den Nicht-Wählern.
mehr:
- Hat die Mitte ihren "festen Boden" verloren? (Florian Rötzer, Telepolis, 26.04.2019)
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