Dienstag, 29. Januar 2019

Abschaffung der Meinungsfreiheit?

Die Meinungsfreiheit sei „schlechthin konstituierend für eine freiheitlich-demokratische Staatsordnung“ befand 1958 das Bundesverfassungsgericht. Während die Meinungsfreiheit in Deutschland ein Abwehrrecht jedes Menschen gegen Staatseingriffe ist, er muss nicht einmal Staatsbürger sein, geht die Garantie der „Pressefreiheit“ noch ein Stück weiter. Der Staat darf sich einerseits nicht in die Aktivitäten der Medien einmischen, aber er muss andererseits die Existenz der Institution „Freie Presse“ garantieren.

Ohne Meinungsfreiheit (besser ist der amerikanische Begriff Redefreiheit) keine Demokratie. Ohne funktionierende Medien kann die Meinungsfreiheit nicht zur gesellschaftlichen Realität werden. Der Meinungskampf, der Disput auf dem Marktplatz der Ideen ist darauf angelegt, andere zu überzeugen, Anhänger zu gewinnen, die Wirklichkeit zu gestalten.

Mit der Meinungsfreiheit ist es wie mit der Demokratie. Klingt gut, ist in Wahrheit aber aus der Sicht der Herrschenden viel zu gefährlich, als dass man sie ernsthaft in Erwägung ziehen würde. Da ist Informationsmanagement gefragt. Wenn jeder mitreden darf, warum sollten dann die 99% akzeptieren, dass 1% fast alles besitzen? Wenn jeder seine Meinung äußern darf, dann gibt es keine Kontrolle, wie sich die Gesellschaft entwickelt. Am Ende kommt dann das Wahlvieh noch auf die Idee, dass es keine Hirten braucht, sondern eigene Weidefläche. Und dann, Gott bewahre, taucht plötzlich beim Grasen in der Herde diese Idee von der Abschaffung der Schlachthöfe auf. Nicht auszudenken.

Da heißt es eingreifen. Zum Schutz der Herde vor sich selbst. Sagen die Hirten. Deswegen wird der Herde gebetsmühlenartig eingebleut, dass alle Entscheidungen von den Hirten getroffen werden müssen, weil die Herde damit überfordert sei. Die Herde darf nur auswählen, wie die Hirten heißen, die zum Schlachthof geleiten, wenn es um die Wurst geht.

Und damit keine aufrührerischen Ideen diskutiert werden, gibt es die realexistierenden Medien. Sie gehören Konzernen. Deren Hauptinteresse ist einerseits Geld und andererseits noch mehr Geld. Vielfalt der Ansichten, ein Meinungskampf, grundsätzliche Überlegungen sind da nicht so zielführend, es geht mehr um die Zementierung der bestehenden Verhältnisse. Die Bevölkerung erfährt: Die Verhältnisse sind wie sie sind: bestmöglich und alternativlos. Merkwürdig. Warum wurden ab dem 18. Jahrhundert in den Monarchien umstürzlerische Ideen diskutiert, die Wirkung hatten, aber seit dem Siegeszug der Demokratie nach dem 2. Weltkrieg nicht mehr in der Demokratie?

mehr:
- Tagesdosis 29.1.2019 – Die Abschaffung der Meinungsfreiheit ist alternativlos? (Podcast) (Kommentar von Dirk Pohlmann, KenFM, 29.01.2019)
siehe auch:
Medien und Selbstkritik: ein Widerspruch in sich? (Post, 25.01.2019)
Fake- und Ablenkungs-News (Post, 25.01.2019)
Der journalistische Bankrott der ARD (Post, 19.01.2019)
Über die Notwendigkeit des stetigen Rüttelns am Narrativ (Post, 15.01.2019)
Debatte um Meinungsfreiheit: Stefan Kretzschmar hat absolut (Un-)Recht (Post, 15.01.2019)
Die guten alten deutschen Werte, der Deutsche Journalistenverband und die Propaganda-Lizenz für RT Deutsch (Post, 15.01.2019)
- „Nachrichteninstitute wie die ‚Tagesschau‘ sind ein Herrschaftsinstrument“ (Post, 03.01.2019)
Desinformation über Desinformationskampagnen (Post, 10.10.2018)
Medien: intellektuelle Korruption in Konfliktzeiten (Post, 06.02.2016)

KenFM im Gespräch mit: Prof. Rainer Mausfeld ("Warum schweigen die Lämmer?") {1:38:19 – Start bei 41:14}

KenFM
Am 02.10.2018 veröffentlicht 
Dass Professor Rainer Mausfeld es im Alter von 68 Jahren mit seinen Vorträgen noch zu einem Millionenpublikum bringen würde, hätte er selbst vermutlich als Letzter vermutet. Doch ganz offensichtlich trifft er mit seinen Inhalten, verbildlicht durch die inzwischen weitläufig bekannte politische Metapher der „schweigenden Lämmer“, den Nerv der Zeit. Es ist, als hätten wir jahrelang eine dunkle Vermutung gehegt und endlich spricht sie einmal jemand aus – Unsere Demokratie ist bei weitem nicht so demokratisch, wie sie uns verkauft wird.
Nun ist der Kaiser also nackt. Dennoch hält sich die gesellschaftliche Empörung in Grenzen. Wie lässt sich das erklären? Professor Mausfeld ist überzeugt: Es liegt an der Beschaffenheit des Kaisers, der nicht mehr in schicker, feudaler Tenue, sondern in Form unpersönlicher, intransparenter und abstrakter Machtstrukturen daherkommt. Genannte Strukturen, man kann sie auch als Elitenetzwerke bezeichnen, bedienen sich des Begriffes der Demokratie, weil er sich für sie als ideale Revolutionsprophylaxe in Zeiten zunehmend feudal anmutender sozialer Ungleichheit herausgestellt hat. Da diese Verschleierungstaktik, bei der ideologisch aufgeladene Begriffe inhaltlich in ihr Gegenteil verkehrt werden, sich zu Indoktrinationszwecken als besonders effektiv erwiesen hat, kommt sie auch in aller Regelmäßigkeit zur Anwendung. So z.B. bei Wörtern wie „Globalisierung“ oder „freie Märkte“, welche der desorientierten Bevölkerung als naturgegebene Phänomene verkauft werden, um über das in ihrer neoliberalen Interpretation verankerte Recht des Stärkeren hinwegzutäuschen.
Hieraus ergibt sich die Aufgabe, die Kluft zwischen dem vorgegaukeltem und dem eigentlichen Wortsinn, zwischen PR und Realität, zu überwinden, mit dem Ziel sich dabei Schritt für Schritt an das Ideal demokratischer Verhältnisse im Sinne der Aufklärung anzunähern. Dafür bedarf es nicht nur der intellektuellen Bewaffnung und Bewusstwerdung über die subtilen Techniken der Meinungskontrolle des Einzelnen, sondern vor allem auch des Eingeständnisses, dass man einem gigantischen Betrug aufgesessen ist.
Professor Mausfelds Buch „Warum schweigen die Lämmer?“, welches die Inhalte des beliebten gleichnamigen Vortrages weiter vertieft, kann diesen kollektiven Aufwachprozess mit anschieben. Ins Handeln kommen müssen wir dann aber schon selber.
Inhaltsübersicht:
0:04:56 Der Kaiser ist nackt – wir wissen es alle
0:13:15 Der „Feind“ ist abstrakt
0:21:50 Aber wir haben doch eine Demokratie…
0:31:16 Wie wichtig ist Repräsentation in einer Demokratie?
0:40:43 Meinungsmanagement
0:57:29 Definition von Links und Rechts: ein „Haufen Spaghetti“
1:03:02 Chemnitz aktuell – Ablenken von den wahren Problemen
1:13:25 Programme zur Angst-Induktion
1:20:37 Für das Warten auf bessere Zeiten ist keine Zeit
1:34:08 Feedback aus der Bevölkerung
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Als Dreyfus-Affäre bezeichnet man die Verurteilung des französischen Artillerie-Hauptmanns Alfred Dreyfus 1894 durch ein Kriegsgericht in Paris wegen angeblichen Landesverrats zugunsten des Deutschen Kaiserreichs und die dadurch ausgelösten, sich über Jahre hinziehenden öffentlichen Auseinandersetzungen und weiteren Gerichtsverfahren. Die Verurteilung des aus dem Elsassstammenden jüdischen Offiziers basierte auf rechtswidrigen Beweisen und zweifelhaften Handschriftengutachten. Für die Wiederaufnahme des Verfahrens und den Freispruch Dreyfus’ setzten sich zunächst nur Familienmitglieder und einige wenige Personen ein, denen im Verlauf des Prozesses Zweifel an der Schuld des Angeklagten gekommen waren.
Der Justizirrtum weitete sich zum ganz Frankreich erschütternden Skandal aus. Höchste Kreise im Militär wollten die Rehabilitierung Dreyfus’ und die Verurteilung des tatsächlichen Verräters Major Ferdinand Walsin-Esterházy verhindern. Antisemitischeklerikale und monarchistische Zeitungen und Politiker hetzten Teile der Bevölkerung auf, während Menschen, die Dreyfus zu Hilfe kommen wollten, ihrerseits bedroht, verurteilt oder aus der Armee entlassen wurden. Der bedeutende naturalistische Schriftsteller und Journalist Émile Zola musste beispielsweise aus dem Land fliehen, um einer Haftstrafe zu entgehen. Er hatte 1898 mit seinem berühmt gewordenen Artikel J’accuse…! (Ich klage an …!) angeprangert, dass der eigentlich Schuldige freigesprochen wurde.
[Dreyfus-Affäre, Wikipedia, abgerufen am 03.02.2019]
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Mein Kommentar:
Ich bezweifle sehr, daß heutzutage in Deutschland so etwas wie die Dreyfus-Affäre noch zu einer großen öffentlichen Auseinandersetzung führen würde. 
Nach vier Jahren Beschäftigung mit der Ukaine-Krise bezweifle ich sehr, daß so etwas wie Zola’s J’accuse in der heutigen Zeit noch in einer größeren Zeitung veröffentlicht werden würde…

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