Schwedens Mobilmachung von Militär und Gesellschaft
Fast zweieinhalb Jahre tüftelte eine parteiübergreifende "Verteidigungskommission" an einem Weißbuch, mit dem das Konzept der "Umfassenden Verteidigung" ("total defence") für den militärischen Bereich ausbuchstabiert werden sollte. Das gestern veröffentlichte Papier gilt als Grundlage für die Militärhaushalte der Jahre 2021 bis 2025, die massiv aufgestockt werden sollen. Zusammen mit seinem bereits vor einiger Zeit veröffentlichten "zivilen Pendant" seien beide als "zwei Teile eines einheitlichen Gesamtkonzepts zu verstehen".1
Die Folgen sind weitreichend: Hierüber wird nicht nur auf Basis äußerst schwammiger Annahmen einer Dämonisierung Russlands das Wort geredet und die Bevölkerung auf umfassende Maßnahmen sowie die daraus abgeleitete Rüstungsmaßnahmen einschwört. Noch schwerer wiegt, dass nahezu die gesamte schwedische Bevölkerung zur Teilnahme an der "Umfassenden Verteidigung" verpflichtet wird, deren ziviler Pfeiler wiederum systematisch auf die Zuarbeit zum militärischen Teil ausgerichtet wird. Nicht zuletzt dies dürfte der Grund sein, weshalb das Konzept hierzulande teils als vorbildlich bewertet wird, handelt es sich bei der "Umfassenden Verteidigung" doch im Wesentlichen um eine Blaupause für die großangelegte zivile und militärische Mobilmachung gegen Russland: "Letztlich erfordert die Umfassende Verteidigung Schwedens eine glaubwürdige Fähigkeit zur Kriegsführung, die sowohl militärischen wie auch zivilen Verteidigungskomponenten beinhaltet."
mehr:
- "Total Defence" (Jürgen Wagner, Telepolis, 15.05.2019)
siehe auch:
- Mainstream goes Propaganda (Post, 08.05.2019)
- "Der Westen und die NATO haben so viel Dreck am Stecken" Oberstleutnant a.D. Jürgen Rose (Post, 29.04.2019)
- Sipri: Rüstungskonjunktur läuft auf Hochtouren (Post, 29.04.2019)
- Foreign Policy: transatlantische Eliten mit Bedrohungsszenarien bei der Stange halten (Post, 21.03.2019)
- USA: Die verrückten Neocons (Post, 02.03.2019)
- Tiefer Staat (Post, 06.01.2019)
- Die US-imperiale Strategie, der »Zwang« Kriege führen zu müssen und die Manipulation der öffentlichen Meinung (Post, 16.12.2018)
- Ein neues U-Boot und mangelnde Medien-Selbstreflexion (Post, 10.07.2016)
2001 hatte der damalige Außenminister Colin Powell einen Brief an Bustani [Direktor der OPCW] gesandt, in dem er sich bei ihm für seine „sehr eindrucksvolle“ Arbeit bedankte. Im März 2002 jedoch kam Bolton — in seiner Eigenschaft als Staatssekretär für Rüstungskontrolle und Internationale Sicherheit — persönlich in den OPCW-Hauptsitz in Den Haag, um gegenüber dem Chef der Organisation eine Warnung auszusprechen. Und, laut Bustani, hat Bolton kein Blatt vor den Mund genommen. “Cheney will Sie”, sagte Bolton Bustani, sich auf den damaligen Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten [Dick Cheney] beziehend. “Wir können Ihr Führungsstil nicht akzeptieren.”
Laut Bustanis Erinnerungen fuhr Bolton fort: “Sie haben 24 Stunden, um die Organisation zu verlassen, und wenn Sie diese Entscheidung von Washington nicht erfüllen, haben wir Mittel, uns an Ihnen zu rächen.”
Es gab eine Pause.
“Wir wissen, wo Ihre Kinder leben. Sie haben zwei Söhne in New York.”
In 2001, then-Secretary of State Colin Powell had penned a letter to Bustani, thanking him for his “very impressive” work. By March 2002, however, Bolton — then serving as under secretary of state for Arms Control and International Security Affairs — arrived in person at the OPCW headquarters in the Hague to issue a warning to the organization’s chief. And, according to Bustani, Bolton didn’t mince words. “Cheney wants you out,” Bustani recalled Bolton saying, referring to the then-vice president of the United States. “We can’t accept your management style.”
Bolton continued, according to Bustani’s recollections: “You have 24 hours to leave the organization, and if you don’t comply with this decision by Washington, we have ways to retaliate against you.”
There was a pause.
“We know where your kids live. You have two sons in New York.”
[“WE KNOW WHERE YOUR KIDS LIVE”: HOW JOHN BOLTON ONCE THREATENED AN INTERNATIONAL OFFICIAL, Mehdi Hasan, The Intercept, 29.03.2018 – Übersetzung von mir]mehr dazu:
Die USA manipulieren internationale Institutionen nach ihrem gusto (Post, 15.05.2019)
Gruppe42
Am 16.05.2018 veröffentlicht
Am 16.05.2018 veröffentlicht
"Der Staat - das klingt in unseren Ohren nicht unbedingt freundlich, aber es klingt nach Recht und Ordnung. In der Schule und an der Universität erfahren wir von den ehernen Regeln der Demokratie. Gewaltenteilung, Rechtsstaat, Wahlen, parlamentarische Repräsentanz, alles scheint altehrwürdig und wohlgeregelt im Staats und Verfassungsrecht. Bis in die Details und bis in die letzten Winkel ist festgelegt, wer nach welchen Regeln für was zuständig und verantworlich ist. Dass daran nicht gerüttelt wird, dafür sorgt die Demokratie, sie bezeichnet sich selbst gerne als „wehrhaft“.
Da ist ein Begriff wie „Deep State“ oder „Dualer Staat“ störend. Er legt nahe, dass es neben dem bekannten, demokratisch legitimierten Staat noch einen anderen gibt, der nicht gewählt wird, der sich selbst ermächtig, der eingreift, wann es passt. Aber wann? Wer bildet ihn? Was tut er? Wann tötet er? Warum liest man darüber so wenig? Und warum beschäftigen sich „seriöse“ Medien damit eigentlich überhaupt nicht? Medien, Politiker und Universitätslehrer verweisen den Begriff des „parallelen Staates" gerne in den Bereich der „Verschwörungstheorien“.
Und doch ist er real. In allen Staatsformen, aber insbesondere in der Demokratie, gibt es im Unterschied zum normativen Ideal die realpolitische Existenz eines „Machtstaates“ oder „Maßnahmenstaates“, des "Deep State". Auch akademische Politologen und Rechtswissenschaftler haben sich damit beschäftigt, ausnahmslos Personen, die sich mit dem Widerspruch zwischen Realpolitik einerseits und der Idee des liberalen Rechtsstaates andererseits beschäftigt haben. Sie haben erkannt: Der „Deep State" hängt mit den Erfordernissen der Hegemonialmacht im „Grossraum“ zusammen.
Dementsprechend gibt es Länder, in denen der „Tiefe Staat“ Alltagswissen ist, z.B. die Türkei oder Italien. Dort ist die Realität des parallelen Staates so unübersehbar zutage getreten, dass auch Staatspräsidenten von ihm reden - müssen. Und es gibt Länder, in denen man in öffentlichen Ämtern nicht von ihm sprechen kann, ohne Reputation und Karriere zu riskieren.
Die staatstragenden Kräfte vieler Länder blenden diese Realität deshalb weiter aus. Oder sie versuchen es zumindest. Aber auch in diesen Ländern ist der „Deep State“ aktiv geworden. Nicht nur in Vasallenstaaten, sondern auch im Zentralreich des Hegemons selbst.
Anhand praktischer Beispiele legt der Journalist Dirk Pohlmann praktisch und theoretisch dar, was es mit dem "Deep State“ auf sich hat. Sein Vortrag ist eine Mischung aus staatsrechtlicher Analyse und Bericht, wann und wo der Deep State sichtbar geworden ist. Ein spannendes Thema, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Es ist besser, darüber Bescheid zu wissen, als nur die Konsequenzen verständnislos erleben zu müssen.v https://gruppe42.com/
Da ist ein Begriff wie „Deep State“ oder „Dualer Staat“ störend. Er legt nahe, dass es neben dem bekannten, demokratisch legitimierten Staat noch einen anderen gibt, der nicht gewählt wird, der sich selbst ermächtig, der eingreift, wann es passt. Aber wann? Wer bildet ihn? Was tut er? Wann tötet er? Warum liest man darüber so wenig? Und warum beschäftigen sich „seriöse“ Medien damit eigentlich überhaupt nicht? Medien, Politiker und Universitätslehrer verweisen den Begriff des „parallelen Staates" gerne in den Bereich der „Verschwörungstheorien“.
Und doch ist er real. In allen Staatsformen, aber insbesondere in der Demokratie, gibt es im Unterschied zum normativen Ideal die realpolitische Existenz eines „Machtstaates“ oder „Maßnahmenstaates“, des "Deep State". Auch akademische Politologen und Rechtswissenschaftler haben sich damit beschäftigt, ausnahmslos Personen, die sich mit dem Widerspruch zwischen Realpolitik einerseits und der Idee des liberalen Rechtsstaates andererseits beschäftigt haben. Sie haben erkannt: Der „Deep State" hängt mit den Erfordernissen der Hegemonialmacht im „Grossraum“ zusammen.
Dementsprechend gibt es Länder, in denen der „Tiefe Staat“ Alltagswissen ist, z.B. die Türkei oder Italien. Dort ist die Realität des parallelen Staates so unübersehbar zutage getreten, dass auch Staatspräsidenten von ihm reden - müssen. Und es gibt Länder, in denen man in öffentlichen Ämtern nicht von ihm sprechen kann, ohne Reputation und Karriere zu riskieren.
Die staatstragenden Kräfte vieler Länder blenden diese Realität deshalb weiter aus. Oder sie versuchen es zumindest. Aber auch in diesen Ländern ist der „Deep State“ aktiv geworden. Nicht nur in Vasallenstaaten, sondern auch im Zentralreich des Hegemons selbst.
Anhand praktischer Beispiele legt der Journalist Dirk Pohlmann praktisch und theoretisch dar, was es mit dem "Deep State“ auf sich hat. Sein Vortrag ist eine Mischung aus staatsrechtlicher Analyse und Bericht, wann und wo der Deep State sichtbar geworden ist. Ein spannendes Thema, dessen Bedeutung kaum überschätzt werden kann. Es ist besser, darüber Bescheid zu wissen, als nur die Konsequenzen verständnislos erleben zu müssen.v https://gruppe42.com/
Die Bush-Administration hat das US-Militär in eine globale Propaganda-Maschine verwandelt. Tom Curley, Chef der amerikanischen Nachrichtenagentur AP, kann dazu nicht mehr länger schweigen. Am Wochenende referierte er an der Universität von Kansas vor Journalisten über den Druck des US-Verteidigungsministeriums auf seine Berichterstatter in Kriegsgebieten wie Irak oder Afghanistan. Sein Fazit: «Es wird langsam unerträglich.» Hohe Generäle hätten gedroht, dass man die AP und ihn ruinieren werde, wenn die Reporter weiterhin auf ihren journalistischen Prinzipien beharren würden. Seit 2003 wurden bereits elf Journalisten der AP im Irak für mehr als 24 Stunden verhaftet. […]
Eine für den Informationskrieg zuständige Dienststelle namens «Joint Hometown News Service» befindet sich nach AP-Informationen auf einem früheren Luftwaffen-Stützpunkt in San Antonio, Texas. Dort würden Wort- oder Bildberichte produziert, die man unter falscher Quellenangabe den Medien zuspielt.
Für 2009 sei die Herausgabe von 5400 Pressemitteilungen, 3000 Fernsehspots und 1600 Rundfunkinterviews geplant – doppelt so viel wie noch vor zwei Jahren. Dieser Service ist nur ein kleiner Ausschnitt des ständig wachsenden Pentagon-Medienimperiums. Schon jetzt ist es grösser als die allermeisten Pressekonzerne der USA.
AP-Chef Tom Curley plädiert für neue klare Regeln im investigativen Journalismus. «Denn wir sind die einzige Kraft, welche die Regierung zu überprüfen vermag.»
[27'000 PR-Berater polieren Image der USA, Marc Brupbacher, Tagesanzeiger.ch/Newsnet, 12.02.2009 – Hervorhebungen von mir]
Mein Vorschlag:
Als nächstes drehen wir mal den ganzen Friedensforschungs-Institutionen den Hahn zu. Dann wird unser Bildzeitungs- und Dschungelcamp-Publikum nicht durch Zahlen über Rüstungsausgaben verunsichert. (s.o.: SIPRI)
siehe dazu:
- Medien: intellektuelle Korrumpierbarkeit in Konfliktzeiten (Post, 31.12.2002)
Und als nächstes gucken wir mal, ob dieser Pohlmann nicht irgendwas mit Kinderpornographie auf seiner Festplatte hat! – Wär’ doch gelacht!
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