Vor der Sicherheitskontrolle am New Yorker Flughafen ist eine Frau mittleren Alters damit beschäftigt, hektisch ihre Flasche Saft auszutrinken. Auf dieser steht in großer schwarzer Schrift: „MILF“. Und daneben, etwas kleiner: „11 Dollar“. Die Frau – blond, modisch gekleidet – hat sich den Drink etwas kosten lassen. Anscheinend ist sie auf psychologisch raffiniertes Marketing reingefallen. Denn Milf bedeutet „Mother I’d Like to Fuck“, zu Deutsch ungefähr: „Mutter, mit der ich schlafen möchte“.
Zwei fröhliche Sicherheitsbeamtinnen beobachten die Frau: „Schau mal, wie der Drink heißt!“, feixt die eine. Beide kichern. „Passt zu der Milf, die ihn trinkt!“ In Amerika weiß jeder, was eine Milf ist. Längst gibt es dort ein Milf-Genre in der Pornoindustrie, Milf-Diäten und Milf-T-Shirts.
Statistiken des Online-Porno-Giganten Pornhub zufolge gehören „Teen“ und „Milf“ bei amerikanischen Nutzern der Seite zu den drei häufigsten Suchbegriffen – den dritten möchte ich Ihnen an dieser Stelle ersparen. Aber es ist doch bemerkenswert, dass sich zum Männerfantasie-Klassiker des Teenagermädchens nun auch deren sexy Mutter gesellt hat.
mehr:
- Der Siegeszug der MILF (Lena Bergmann, Cicero, 24.12.2014)
mein Kommentar:
Wenn der Franzose sagt: »Merde« oder der Amerikaner »shit« oder »fucking«, hat das ein anderes Gewicht, als wenn wir Deutsche »Scheiße« oder »fickend« sagen. Vielleicht ist »MILF« einfach nur ein (ehrliches) Kompliment. (Sie in der Art von »Wow, sieht die klasse aus!«) Etwas irritiert – wie ich Frau Bergmann unterstelle – gesteht sie, daß »in den USA sogar Mütter selbst [diesen Begriff verwenden], um sich Komplimente zu machen«. Und: »Paradox ist, dass im Zeitalter politischer Korrektheit niemand Anstoß an diesem doch recht anzüglichen ›Kompliment‹ zu nehmen scheint.« Na sowas! Sollte die political correctness in unserem Land die Kompliment-Kultur doch noch nicht in die Zwangsjacke verfrachtet haben? Wie kann das sein, daß solch fragwürdige Sprachkonstrukte noch verwendet werden? Sollten die Menschen – sowohl Männer wie auch Frauen (oh Gott, der Untergang der abendländischen Kultur droht!) – das Ganze nicht ganz so tragisch wörtlich sehen?
Zum Begriff »Paradox« empfehle ich den Genuß der Laudatio von Jack Nicholson für Bob Dylan 1991 anläßlich der Grammy-Verleihung für dessen Lebenswerk (BOB DYLAN with CESAR DIAZ Masters Of War February 20, 1991, Heute vor 20 Jahren – Bob Dylan: »Masters of War« bei der Grammy-Verleihung, Post, 20.02.2011, Video ab 1:32)
»It means a statement seemingly self-contradictory, but in reality possibly expressing the truth.«Vor 20 Jahren beklagten sich Frauen, sie müßten immer perfekt aussehen, um begehrenswert zu sein. Wenn jetzt auch Frauen mit positivem Bleistifttest begehrenswert sind, gibt’s was anderes zu beklagen: den Objektstatus. Die Aussage »Gnädige Frau, sie sehen heute abend wieder bezaubernd aus« hat natürlich überhaupt nichts mit einem Objekt-Blick zu tun und ist sozial vollendet formuliert und akzeptiert. (»Dinner for One steht uns ja wenige Tage bevor: »You’re looking younger than ever.«) Wenn ich eins in den letzten 20 Jahren gelernt habe, dann, daß Frauen genauso imstande sind, Männer als Objekt zu sehen, wie das Männer umgekehrt tun. Die Brillen, durch die die Geschlechter gucken, sind einfach nur unterschiedlich Objekt-gefärbt.
Aber es ist natürlich verführerisch, über das Begehren des Mannes einen Problem-Pariser drüber zu ziehen. Männer sind halt Schweine, egal, aus welcher Richtung man sich das ansieht. Wie sagt Volker Pispers so schön: »Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag Struktur!« Also zurücklehnen und abwarten, was als nächstes kommt. Lena Bergmann ist ihrer Verwirrung in dem Artikel wohl noch nicht ganz Herr geworden, hat aber versprochen, sie bleibt dran. Ich vertraue ihr und drücke ihr die Daumen!
Judith Holofernes - M.I.L.F. [3:51] Text
Veröffentlicht am 23.06.2014
Das Video zu "M.I.L.F." von meinem Album "Ein leichtes Schwert."
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- Sie war eine Heldin und kämpft nun mit Drachen und Krokohund. (Sven Kabelitz, 07.02.2014)
- Laut.de-Biographie – Judith Holofernes (Laut.de, 2013)
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