Sonntag, 31. August 2014

Heute vor 117 Jahren – 31. August 1897: In Basel tagt der Erste Zionistische Weltkongress

Die Vision vom Judenstaat 

»Der Zionismus erstrebt die Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina für diejenigen Juden, die sich nicht anderswo assimilieren können oder wollen.« So lautet die zentrale Passage des Programms, das am 31. August 1897 auf dem Ersten Zionistischen Kongress in Basel von 204 Abgesandten jüdischer Gemeinden aus aller Welt verabschiedet wurde. Führender Kopf und treibende Kraft des modernen Zionismus war der österreichisch-ungarische Jurist und Journalist Theodor Herzl
Theodor Herzl, Begründer der zionistischen Bewegung,
auf dem Basler Kongress, August 1897
Herzl hatte 1896 vor dem Hintergrund des sich manifestierenden Antisemitismus seine programmatische Schrift »Der Judenstaat« veröffentlicht und auch die Einberufung des Basler Kongresses vorangetrieben. Herzl plädierte für einen »Abzug« der großen Masse der Juden aus Europa und bewies in seiner Begründung für die Notwendigkeit der Schaffung einer »nationalen Heimstätte« in Palästina eine geradezu prophetische Weitsicht: »Frieden den Juden, Sieg den Christen. Wir müssen den Frieden schließen, weil wir nicht länger kämpfen können, weil wir uns später unter ungünstigeren Bedingungen ergeben müssten.« 

Theodor Herzl (1860-1904) 
▪︎ entstammte dem assimilierten Budapester Judentum 
▪︎ Korrespondent der Wiener »Neuen Freien Presse« 
▪︎ Präsident der Zionistischen Weltorganisation 
 Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014

Samstag, 30. August 2014

The Alan Parsons Project - Don't let it show

Alan Parsons Project - Don't let it show [4:55, I Robot, 1977, Cover von Hipgnosis] Text, Übersetzung
Hochgeladen am 19.06.2011 
Kauf – Don't Let It Show (Google PlayiTuneseMusic)
Künstler – Alan Parsons
und noch mehr: khantazi

Freitag, 29. August 2014

Die Bekämpfung des sogenannten „Islamischen Staates“ liegt allein in der Hand der betroffenen Staaten

Das ist ein Beitrag von Mohssen Massarrat. Wie zu erwarten hat dieser deutsch-iranische-Experte für internationale Beziehungen und den mittleren Osten eine andere als allgemein übliche Sicht der Dinge. Als Anstoß zum Nachdenken auf jeden Fall lesenswert. Das würde auch für den deutschen Außenminister, die Kanzlerin und den Innenminister gelten. Die enthaltenen Anmerkungen zu Israel und Palästina könnte man auch „ausgewogener“ formulieren. Dies richtig einzuordnen überlassen wir unseren Leserinnen und Lesern. Albrecht Müller
mehr:

Ukraine 19 – Die Ukraine, korrupter Journalismus und der Glaube der Atlantiker

- Höchstgericht ignoriert: CDU und SPD festigen staatliche Kontrolle des ZDF (DeutscheWirtschaftsNachrichten, 15.10.2014)
Politiker aus CDU und SPD haben beschlossen, den Spruch des Bundesverfassungsgerichts glatt zu ignorieren und die Rundfunkräte des ZDF weiter mehrheitlich unter staatlicher Kontrolle zu halten. Dies ist ein schwerer Schlag gegen die innere Pressefreiheit im ZDF und widerspricht der vom Höchstgericht geforderten Staatsferne der öffentlich-rechtlichen Sender.

- Der Krieg um die Köpfe (Georg Rammer, Kritisches Netzwerk, 14.10.2014)
Erinnerung als subjektive Wahrheit ist Teil der Identität. Beim staatlichen Gedenken geht es aber nicht um historische Wahrheitssuche. Die Erinnerung soll gelenkt und geformt werden, damit sie aktuellen Ideologien und politischen Zielen dienen kann. Die Erinnerungspolitik verrät viel über die Interessen der Elite. Diese kämpft – in Staat, Parteien oder Interessengruppen – um Köpfe. Das strategische Ziel ist Deutungshoheit. Die Elite weiß: Die Bedeutung historischer Ereignisse ergibt sich durch den Kontext, in den die Erinnerung gestellt wird. 
 Zahlreiche Institutionen arbeiten daran, vergangenen oder aktuellen Ereignissen durch einen ganz bestimmten Kontext eine Bedeutung zu geben, die den Interessen der Elite entspricht. Das, was früher mit dem bösen Wort »Gehirnwäsche« belegt wurde, heißt heute PR, Kommunikation oder »Framing«.

Das Elend mit der Meinungsvielfalt (, NachDenkSeiten, 26.09.2014)
Referat von Wolfgang Lieb beim Gesprächskreis „Denkzeit“ in Düsseldorf am 25. September 2014.
Viele der hier Anwesenden kommen aus dem inneren politischen Zirkel, sie kennen also einigermaßen die Hintergründe und sachlichen Zwänge für politische Entscheidungen und sie erleben es täglich bei der Lektüre der Presseschauen, wie groß die Lücke zwischen der Binnensicht und der Außensicht vermittelt durch die Medien ist oder wie sehr die Wirklichkeit von der veröffentlichten Meinung abweicht.
Die größte Bedeutung für die öffentliche Meinung hat im Ergebnis die veröffentlichte Meinung.
Es gab ja mal einen veritablen Bundeskanzler, der gesagt haben soll, dass er zum Regieren nur „BILD, BamS und Glotze“ brauche. Es hatte es dann aber am eigenen Leib verspürt, dass diese drei Medien auch ausreichten, um die Macht zu verlieren.
Kein Zweifel, Politik ist auf Meinungsmache angewiesen und von Meinungsmache abhängig.
Die spannende Frage ist also: Wie wird Meinung gemacht?


- Déjà-Vu nach 13 Jahren (, Telepolis, 11.09.2014)
Ein Kommentar zu den Parallelen im öffentlichen Umgang mit 9/11 und dem Ukraine-Konflikt
Ende 1991 verschwand die Sowjetunion von der politischen Landkarte. Bereits in den Monaten zuvor hatte sich der Warschauer Pakt aufgelöst. Der große Feind des Westens war nicht mehr da. Für die westliche Rüstungswirtschaft und ihre politischen Unterstützer war das Ende der Ost-West-Konfrontation ein Problem. Die Rechtfertigung für horrende Militärausgaben fehlte plötzlich. Passenderweise gab es bald einen neuen furchterregenden Feind: Spätestens mit den Anschlägen vom 11. September 2001 übernahm der islamistische Terrorismus ("Al Qaida") diese Universalrolle.


- Einspruch unerwünscht – wie sich die Mainstream-Medien von ihren Lesern entfremden (NachDenkSeiten, 10.09.2014)
Die FAZ erlaubt unter Online-Artikeln zum Themenkomplex Ukraine/Russland schon seit längerem keine Leserkommentare mehr. SPIEGEL Online geht da selektiver vor und schließt den Kommentarbereich erst dann, wenn die Leser die Artikel zu kritisch bewerten. Am konsequentesten ist jedoch die Süddeutsche, die ihren Kommentarbereich gleich ganz abgeschafft hat und Leserkommentare nun auf die sozialen Netzwerke auslagert. Währenddessen erreichen uns nahezu täglich Mails von Lesern, die uns darauf hinweisen, dass in den Kommentarbereichen nahezu aller großen Portale Leserkommentare mit Links auf die NachDenkSeiten nicht veröffentlicht oder meist kommentarlos gelöscht werden. Leserkritik ist bei den Mainstream-Medien offenbar unerwünscht. Doch das eigentliche Problem ist tiefgreifender. Von Jens Berger.
 

Wer sich am letzten Sonntag den ARD-Presseclub angeschaut hat, kam sich vor wie in einer Parallelwelt. Dort debattierten vier einflussreiche Journalisten mit dem nicht minder einflussreichen ARD-Programmdirekter Volker Herres über den NATO-Gipfel und waren sich eigentlich in allen wesentlichen Punkten einig – Russland sei voll und ganz für die Eskalation in der Ukraine verantwortlich, Putin ein Aggressor und die NATO ein friedliebender Garant der Demokratie und der Menschenrechte … man kennt diese Argumentationsmuster ja zu genüge. Den Part des Nonkonformisten durfte ausgerechnet Ines Pohl von der in außen- und sicherheitspolitischen Themen nur all zu konformistischen taz übernehmen. Wer die Sendung verpasst hat, hat eigentlich nichts verpasst. Beim Themenkomplex Ukraine/Russland sind sich die großen deutschen Medien in allen Punkten einig – allenfalls im Grad der Anti-Russland-Haltung gibt es feine Nuancen.

- "Die Berichterstattung unterscheidet sich kaum von den Statements der Politik" (Telepolis, 08.09.2014)
Friedensforscher Lutz Schrader über den Journalismus in Zeiten geopolitischer Konflikte
"Man hat als Mediennutzer das Gefühl, sich seit Monaten in einer Art Endlosschleife zu befinden. Dieselben Argumente werden ständig wiederholt. Es scheint immer weniger Journalisten zu geben, die es für notwendig erachten, gründlich zu recherchieren und sich eine eigene und vor allem unabhängige und kritische Meinung zu bilden." Das sagt der Friedens- und Konfliktforscher Lutz Schrader im Interview mit Telepolis und verdeutlicht: Der Journalismus, wie er dieser Tage im Hinblick auf die Krisen in der Ukraine oder in Syrien zu beobachten ist, ist in vielerlei Hinsicht mit Unzulänglichkeiten behaftet.


- “Die heimtückische Macht der Propaganda” (Wirtschaft und Gesellschaft, 05.09.2014, Text auf englisch, gefunden über die NachDenkSeiten, 08.09.2014)
Ich hatte jüngst eine E-Mail an den bekannten niederländischen Journalisten und Professor emeritus Karel van Wolferen geschrieben. Zwar stimmte ich mit seinen Grundaussagen zum Umgang der Medien mit der Ukraine-Krise überein. Aber seine Einschätzung der deutschen Medien, insbesondere des Spiegels, empfand ich viel zu positiv. Gestern erhielt ich Antwort von ihm. Nicht nur, dass er meiner Kritik am Spiegel nach näherem Hinsehen ausdrücklich zustimmte. Er sendete auch einen neuen Artikel, der sich mit der Propaganda nicht nur im Fall der Ukraine-Krise, sondern sehr weit gefasst und grundsätzlich auseinandersetzt, und gab ihn Wirtschaft und Gesellschaft – Analyse und Meinung zur Veröffentlichung.

- „Medien sollen Politik erklären und keine machen“ (Aachener Nachrichten, 30.08.2014, gefunden über die NachDenkSeiten, 08.09.2014)
Aachen. Sie ist eine Freundin des deutlichen Wortes – auch gegenüber der eigenen Branche. Gabriele Krone-Schmalz war jahrelang ARD-Korrespondentin in Moskau. Heute kritisiert die 64-Jährige, die inzwischen eine Professur für TV- und Medienwissenschaft hält, die Berichterstattung der meisten deutschen Medien über Russland und die Ukraine-Krise.
Sie sei einseitig, undifferenziert und zu sehr auf die Positionen der Regierung in Kiew fixiert. Ihre Kritik versteht sie als „Liebeserklärung an den seriösen Journalismus“.

Richard David Precht: Die "Knalltüte" Rasmussen - Maybrit Illner 04.09.2014 - die Bananenrepublik [12:18]

Veröffentlicht am 05.09.2014
Zitat Harald Kujat () - General a.D. Kujat warnt vor NATO-"Beweisen" gegen Russland (CeiberWeiber, 05.09.2014)
Zum NATO-Gipfel fand eine Diskussion bei Maybrit Illner statt, bei der General a.D. Harald Kujat und der Philosoph Richard David Precht sagten, was Sache ist. Precht meinte bezogen auf den Wunsch der Ukraine, der NATO beizutreten, dass ein "korrupter Oligarchenstaat"keines der dafür erforderlichen Kriterien erfüllt. Es ist zwar der breiten Masse nicht bekannt, doch der NATO-Vertrag sieht vor, dass nur funktionierende Demokratien beitreten können. Und natürlich kann die Ukraine, geht es mit rechten Dingen zu, auch in die EU nicht aufgenommen werden, weil hier neben Rechtsstaatlichkeit auch stabile Wirtschaft erforderlich ist. 

- Wie Medienpropaganda wirkt (CeiberWeiber, 04.09.2014)
Auch wenn man sich kritisch mit Berichterstattung auseinandersetzt, muss man sich selbst immer wieder daran erinnern, wie NATO-Propaganda wirkt. Man begegnet ihr überall - beim Querlesen mehrerer Medien täglich oder auch, wenn man Ausschnitte aus wenigen Zeitungen sammelt, um zu analysieren, wie es wohl Lesern damit geht. Dieser Text ist daher illustriert mit Schnipseln, die aus einer österreichischen Zeitung stammen und die an deutsche oder britische Medien erinnern. "Österreich" erscheint nicht nur als Kaufausgabe, sondern auch in einer etwas dünneren Gratisversion, die man Ständern etwa bei U-Bahn-Stationen entnehmen kann. 

- „Die Ukraine, korrupter Journalismus und der Glaube der Atlantiker“ (Telepolis, 29.08.2014)
So ist ein Artikel des niederländischen Journalisten Karel von Wolferen überschrieben, der schon am 14. August erschienen ist. Der Artikel ist immer noch aktuell und ein passender Beitrag zum Antikriegstag. Lesenswert. Es ist erstaunlich, dass dieser Text, der die aktuellen Vorgänge einzuordnen hilft, keine weitere Verbreitung gefunden hat. Deshalb machen wir darauf aufmerksam. Carsten Weikamp hat den Text freundlicherweise für die Nachdenkseiten übersetzt. Hier ist die deutsche Fassung als PDF. Die englische Fassung findet sich hier. – Informationen zum Autor sind am Ende des Textes notiert. 

Karel von Wolferen setzt sich kritisch mit der NATO und den Atlantikern, mit der amerikanischen Politik und der Rolle der Neokonservativen auseinander. Er sieht im Versagen der Medien eine der großen Ursachen für die Fehlentwicklung. Die deutschen Medien überschätzt er allerdings, vor allem den „Spiegel“, und wohl auch die in Deutschland entscheidenden Personen Merkel und Steinmeier. Aber dieses Manko beschädigt nicht den Gesamteindruck.

- Bye, bye SPIEGEL! (Telepolis, 29.08.2014)
Bleibt er oder geht er – der “Spiegel”-Chefredakteur? Landauf, landab berichten deutsche Medien darüber. Vergessen wird, was aus dem Nachrichtenmagazin inhaltlich geworden ist. In seinen besten Jahren war der “Spiegel” laut Eigenwerbung ein Sturmgeschütz der Demokratie. Man kann vortrefflich darüber streiten, ob das Magazin je diesem Mythos entsprach, den er seitdem wie eine Monstranz vor sich herträgt. Der heutige “Spiegel” ist – so viel steht fest – von diesem Ideal Lichtjahre entfernt. Mit einer Melange aus zackiger Deutschtümelei, denkfaulem Papageienjournalismus, eitler Geckenhaftigkeit und gnadenlosen Opportunismus hechelt das Blatt einem Zeitgeist hinterher, der stilgebend für die Merkel-Ära ist. Aus dem Sturmgeschütz der Demokratie wurde ein Steigbügelhalter der Marktkonformität.

“Im Zweifelsfall links”, so lautete einst die Devise des Herausgebers Rudolf Augstein. War der “Spiegel” in seinen besten Zeiten ein nach allen Seiten kritisches linksliberales Blatt, entwickelte er sich im letzten Jahrzehnt zusehends zu einem neoliberalen Kampfblatt. Als Talkshow-Ökonomen und Lobbyisten der Großkonzerne zur neoliberalen Wende trommelten, heulte die Zeitschrift mit den Wölfen, polemisierte “wie der Sozialstaat zur Selbstbedienung einlädt” und philosophierte über die “Melkkuh Sozialstaat”. 

- Ukraine/Russland – Übersetzungsfehler (NachDenkSeiten, 29.08.2014)
Zur Ukraine gab es einen Übersetzungsfehler der Agentur @reuters_de. Laut Korrektur sprach Präsident Poroschenko nicht von einer Invasion
Anmerkung JB: Der Tweet der Tagesschau ist mit dem 28. August 13:42 datiert. Zur Information: Poroschenko sprach nicht von einer „Invasion“, sondern von einer „Intervention“ – wenn es um Krieg und Frieden geht, ist dies schon ein gewaltiger Unterschied. Man sollte also schon meinen, dass die großen Online-Ableger der selbsternannten Qualitätsmedien ihre Meldungen mittlerweile korrigiert haben. Ist dem so?

- Spieglein, Spieglein, was ne Schand’ (altermannblog, 27.08.2014)

- Meine Erfahrungen mit und Anmerkungen zu SZ-JournalistInnen in der journalistischen Auseinandersetzung mit dem Ukrainekonflikt (Franz Josef Piwonka, Institut für Medienverantwortung, August 2014, PDF-Datei, gefunden über die NachDenkSeiten, 08.09.2014)
Wer die Presse-und Medienlandschaft der letzten Monate zum Ukrainekonflikt verfolgt, dem drängt sich ein irritierendes Bild auf: die Berichterstattung hat ein erschreckendes Ausmaß an politischer Uniformität bis hinein in dieselbe Wortwahl angenommen. Daher wundert es beim besten Willen nicht, wenn der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg Matthias Platzeck sagt, dass die hiesige Berichterstattung ihn an alte SED-Zeiten erinnere. Die geistige Eskalationsbereitschaft deutscher JournalistInnen geht so weit, dass sogar hohe Militärs ihre mahnende Stimme erheben und vor einer gefährlichen Eskalationsdynamik warnen: eine Absurdität der besonderen Art… 
 
- SPIEGEL Online und der Phantom-Konvoi – Hysterie, Lügen und Heuchelei (Telepolis, 18.08.2014)
Als SPIEGEL Online am Freitag gegen 17:20 mit der Eilmeldung „Ukraine: Truppen greifen russischen Konvoi an“ herauskam, rutschte sicher zahllosen Lesern das Herz in die Hose. Zum Glück stellte sich diese Meldung weniger später als Falschmeldung heraus. SPIEGEL Online hatte offenbar eine Verlautbarung der ukrainischen Regierung ohne jeden weiteren Beleg als Tatsache dargestellt und kräftig Hysterie geschürt. Einen Tag danach war es an SPIEGEL-Autor Christian Neef, in die Vorwärtsverteidigung zu gehen, und den von seinen Online-Kollegen gemeldeten Angriff in einem heuchlerischen Dementi zu relativieren. Ein Stück aus dem Tollhaus.

Was war passiert? In der Nacht von Donnerstag auf Freitag beobachteten zwei britische Journalisten vom Guardian und vom Telegraph und ein russischer Journalist vom Magazin „The New Times“, was ihrer Meinung nach ein Übertritt der russisch-ukrainischen Grenze von einer Kolonne mit 23 Fahrzeugen (Schützenpanzer und Begleit-LKWs) war. Während die beiden britischen Kollegen mit „Belegen“ geizten, veröffentlichte der russische Journalist Sergej Hasow-Kasija zumindest vier Photos, die jedoch von derart schlechter Qualität sind, dass sie kaum als Beleg für irgendetwas durchgehen können. Gut möglich, dass die drei Journalisten eine russische Grenzkontrolle beobachtet haben und selbst nicht genau wussten, wo die Grenze genau verläuft – dies behauptet zumindest die offizielle russische Seite. Alle anderen Interpretationen sind angesichts der mauen Belege hoch spekulativ.

- Leitmedien im Kriegstaumel (Richard Zietz, Nutzerbeitrag, Der Freitag, 08.08.2014)
Ukraine-Krise Die großen Medien agieren in der Ukraine-Krise längst als Konfliktverstärker. Neutralität und Ausgewogenheit? Für Warmduscher. Blick auf eine abgeschottete Elite.
Zitat:
Dieser Beitrag ist, was seine Anliegen angeht, bescheidener. Er gibt nicht vor zu wissen, was genau bei ARD, Zeit oder bei anderen Flaggschiffen des Qualitätsjournalismus schief läuft – und noch dazu, warum. Stattdessen konzentriert er sich auf vier einigermaßen klar nachweisbare Punkte. Punkt eins: Wie, mit welchen Techniken wurde und wird manipuliert? Punkt zwei: Welche Differenzen, welche Eigenheiten sind bei den Großen im Geschäft feststellbar? Punkt drei: Welche Machtkonzentrationen, welche Netzwerke tragen diese Form der Berichterstattung? Und schließlich, Punkt vier: Welche Art von Berichterstattung wäre angemessener, demokratischer, einer freien, pluralistischen Presse würdiger?

und:
- Udo Bachmair zur Rolle der Medien im Ukraine-Konflikt (CeiberWeiber, 30.07.2014) 
(30.7.2014) Udo Bachmair war lange Jahre als Moderator und Redakteur beim ORF und ist heute Präsident der Vereinigung für Medienkultur. Er beobachtet mit Sorge, wie einseitig in Österreich im Ukraine-Konflikt berichtet wird und dass jene, die ausscheren, sofort diffamiert werden. Auch weil Lehren aus 1914 nicht nur bei Festansprachen, sondern auch im praktischen Handeln gezogen werden müssen, appelliert er in einem Gastkommentar an die Verantwortung der Presse: 

Für eine Abrüstung der Worte 
von Udo Bachmair 

Was haben Ex-Kanzler Helmut Schmidt, der frühere grüne EU-Abgeordnete Johannes Voggenhuber, der renommierte Publizist Peter Scholl-Latour oder der anerkannte österreichische Osteuropa-Experte Univ. Prof. Dieter Segert und viele andere politisch gemein? Nach der Logik mancher Zeitungsanalysen sind sie rechts- oder linksextrem. Denn sie gelten als "Putinversteher". Als solche werden sie auch in Qualitätsmedien verächtlich gemacht und sogar als "Irregeleitete" (Hans Rauscher, Standard, 16.4.2014) abgekanzelt. Beispielgebend für den überwiegend antirussischen Mainstream des heimischen Journalismus auch ein Leitartikel, in dem Russland generell als Land präsentiert wird, das andere Länder "sicher überfallen" (Christian Rainer, profil 12/2014) würde. Wie sehr die ausschließlich westliche (US-) Sicht der Welt auch in den Köpfen von Topjournalisten tief verankert ist, die in anderen Fragen durchaus zu Differenzierungen fähig sind, zeigt auch die Einschätzung des Leitartiklers, dass "die NATO-Einsätze im Kosovo-Krieg, in Afghanistan, in Libyen nicht der Vergrößerung der eigenen Einflusssphäre dienten..."


e sei einseitig, undifferenziert und zu sehr auf die Positionen der Regierung in Kiew fixiert. Ihre Kritik versteht sie als „Liebeserklärung an den seriösen Journalismus“.

„Medien sollen Politik erklären und keine machen“ - Lesen Sie mehr auf:
http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/medien-sollen-politik-erklaeren-und-keine-machen-1.904217#plx1328137599
Sie sei einseitig, undifferenziert und zu sehr auf die Positionen der Regierung in Kiew fixiert. Ihre Kritik versteht sie als „Liebeserklärung an den seriösen Journalismus“.

„Medien sollen Politik erklären und keine machen“ - Lesen Sie mehr auf:
http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/medien-sollen-politik-erklaeren-und-keine-machen-1.904217#plx1328137599
Sie sei einseitig, undifferenziert und zu sehr auf die Positionen der Regierung in Kiew fixiert. Ihre Kritik versteht sie als „Liebeserklärung an den seriösen Journalismus“.

„Medien sollen Politik erklären und keine machen“ - Lesen Sie mehr auf:
http://www.aachener-nachrichten.de/news/politik/medien-sollen-politik-erklaeren-und-keine-machen-1.904217#plx1328137599
siehe auch:
- Der Ukraine-Konflikt 2 – Über unterschiedliche Meßlatten und die Verwendung von Sprache am Beispiel der Homosexuellen-Gesetzgebung in Deutschland und des israelisch-palästinensischen Konflikts (Post, 21.03.2014)

zuletzt aktualisiert am 19.10.2014

Heute vor 90 Jahren – 29. August 1924: Gründung der »Büchergilde Gutenberg«

Gute Bücher für die kleinen Leute 

Wirtschaftskrise und alltägliche Not prägten die frühen 1920er-Jahre im Nachkriegs-Deutschland. Für Arbeiter und kleine Angestellte waren schöngeistige Bücher kaum erschwinglich. Die Idee, auch den kleinen Leuten den Kauf von guten Büchern zu ermöglichen, war für einige engagierte Köpfe ein Gebot der Stunde. So stand dann auch die Gründung einer »gewerkschaftlichen Buchgemeinschaft« am 29. August 1924, heute vor 90 Jahren, auf der Tagesordnung des Bildungsverbands der deutschen Buchdrucker, der im Leipziger Volkshaus zusammengekommen war. 
Bücherbus der Büchergilde Gutenberg aus den 1950er Jahren
Einstimmig erklärten die Gewerkschafter ihre Zustimmung zur Gründung der »Büchergilde Gutenberg«. Die Satzung sah vor, den Mitgliedern »inhaltlich gute Bücher in technisch vollendeter Ausführung und nicht alltäglicher Ausstattung zugänglich zu machen«. Das Programm der Büchergilde war von Beginn an anspruchsvoll und ist es bis heute geblieben. Ende 1924 erschien der erste Band: Mark Twains Erzählband »Mit heiteren Augen«. Bereits Ende 1925 zählte die genossenschaftliche Gemeinschaft 18000 Mitglieder. Engagierte Texte moderner Autoren wie B. Traven, Oskar Maria Graf oder Jack London wurden ins Programm aufgenommen. 

Aus der Gründungsrede:
Wir wollen Bücher geben, die Freude machen. 
Bücher voll guten Geistes und schöner Gestalt.
 Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014
siehe auch:

Donnerstag, 28. August 2014

Kollekte: Arme sind großzügiger als Reiche

Studie der anglikanischen Kirche von England bestätigt biblische Geschichte vom „Scherflein der armen Witwe“ - Die Ärmsten gaben 4,3 Prozent ihrer Einkünfte, die Reichsten 1,8 Prozent.

London (kath.net/idea) Arme sind bei kirchlichen Kollekten großzügiger als Reiche. Das geht aus einer Untersuchung der anglikanischen Kirche von England hervor. Zwar spenden wohlhabende Kirchgänger größere Summen, aber sie stellen der Kirche einen geringeren Teil ihres Einkommens zur Verfügung. Anglikaner mit Jahreseinkünften unter umgerechnet 12.500 Euro spenden der Kirche einen mehr als doppelt so hohen Anteil wie die mit mehr als 50.000 Euro pro Jahr. 

mehr bei:

Arbeitssituation in Krankenhäusern – Fehler bleiben nicht aus

Weil in deutschen Kliniken Personal fehlt, sind Ärzte und Pfleger oft völlig überfordert. Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung verschärft sich die Situation zusehends. Vor allem Gespräche und Betreuung von Patienten bleiben auf der Strecke.

Im Sommer 2013 ging es nicht mehr. Karin Heise*, eine junge Assistenzärztin der Inneren Medizin beschließt , ihren Job zu kündigen. "Es war die Hölle", sagt sie rückblickend über den Arbeitsalltag in einem 400-Betten-Krankenhaus in Brandenburg.

Weil Fachärzte fehlten, war sie schon nach kürzester Zeit allein verantwortlich für 30 Patienten mit Krebsleiden, Leberzirrhose und allen Arten von organischen Beschwerden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch kaum Berufserfahrung, ihr Studienabschluss lag gerade ein halbes Jahr zurück. Und die Arbeitsbelastung so hoch, dass sie sie kaum bewältigen konnte: Patienten aufnehmen, untersuchen, Diagnosen und ein Behandlungskonzept erstellen, mit Angehörigen reden und hinterher alles dokumentieren. "Und zwischendrin passieren Notfälle, ein Patient wird bewusstlos oder hat große Schmerzen. Oft weiß man nicht, was man als erstes tun soll."
mehr in:
- Fehler bleiben nicht aus (Tagesschau, 28.08.2014) 
siehe auch 
- Die Studie der Hans-Böckler-Stiftung (»Arbeitsreport Krankenhaus, August 2014, PDF)

Französische Staatsanwälte ermitteln gegen IWF-Chefin Lagarde wegen Korruption

Nachdem schon der Franzose Strauss-Kahn wegen einer Vergewaltigungsaffäre abtreten musste, kommt nun Lagarde wegen den Korruptionsermittlungen unter Druck 

Hat Frankreich kein glückliches Händchen bei der Auswahl der Personen zur Besetzung von Spitzenposten oder ist die politische Klasse so vermodert, dass es schwer fällt, unbelastete Politiker zu finden? Jedenfalls fällt auf, dass demnächst vermutlich erneut ein Franzose - besser gesagt eine Französin - den Chefsessel beim Internationalen Währungsfonds (IWF) räumen könnte. Nach den Vergewaltigungsvorwürfen 2011 in New York musste der Sozialist Dominique Strauss-Kahn zurücktreten. 

Nun wird das auch im Fall der konservativen Christine Lagarde gefordert - die Staatsanwaltschaft wittert organisierten Betrug. Denn der Vorgang, in den Lagarde verwickelt ist, hat mehr als ein Geschmäckle und es geht um Steuergelder im Umfang von 403 Millionen Euro. 
mehr bei

Mittwoch, 27. August 2014

Weil wir hier zu Hause sind

Leben im Krieg (III) Abu Yahya wohnt mit seiner Familie in einem der umkämpftesten Viertel von Damaskus. Jeden Tag versucht er mit seinem Rettungswagen, Menschen zu retten
mehr:
- Weil wir hier zu Hause sind (Der Freitag, 27.08.2014)

Wachstumskritik – Das bornierte Streben nach Profit

Die Krise ist nicht vorbei, sie ist systemisch. Wettbewerb verursacht Stress. Das Band zwischen Wohlstand und Wachstum ist gerissen. Auch grüne Lebensstile reichen nicht aus. Angriff auf den Wohlfühlkapitalismus.

In der Gesellschaft verbreitet sich Unbehagen über die Kurzsichtigkeit der immer noch herrschenden Krisenstrategie. Immer mehr Geld wird in prekär werdende Branchen gesteckt, dem Staat werden qua „Schuldenbremse“ Möglichkeiten zur Gestaltung genommen, Alternativen kaum mehr diskutiert. Der stärkste Antrieb dieser Krisenpolitik bleibt wirkungsmächtig, obwohl sie in der Öffentlichkeit weitgehend abgelehnt wird: dass vor allem die Reichen und Mächtigen ihre Vermögen, sozialen Positionen und ihre Einflussmacht sichern. 

 Das Versprechen von herrschender Seite, dass alles sich zum Besseren wenden wird, lautet weiterhin: Wachstum, Wachstum, Wachstum. Das hören auch die Beschäftigten gerne, öffnet das ihnen doch Spielraum für verteilungspolitische Forderungen. Und dennoch: Der Glaube an den deus ex machina des Wachstums schwindet. 
weiter bei der FAZ: Wachstumskritik – Das bornierte Streben nach Profit (27.07.2014) 


siehe dazu auch einige Texte bzw. Interviews von und mit Julian Nida-Rümelin:
- Die ökonomische Praxis ist auf Tugenden angewiesen (Interview 2012, PDF-Download)  
Die Ökonomie scheint in vielen Bereichen außer Kontrolle geraten zu sein. Finanzmärkte bestimmen das politische Handeln. Der Philosoph Julian Nida-Rümelin, der sich seit Jahren mit dem Verhältnis Ethik und Ökonomie auseinandersetzt, übt scharfe Kritik am rück- sichtslosen Streben des globalen Finanzkapitalismus nach Effizienz und Optimierung. Werde Optimierung zum alleinigen Maßstab, zerstöre sie am Ende die kultu- relle moralische Basis der Gesellschaft, warnt er. Eine humane Gesellschaft setze eine Beschränkung oder Einbettung der ökonomischen Praxis voraus. In seinem Buch „Die Optimierungsfalle. Philosophie einer humanen Ökonomie“ (Irisiana Verlag, München 2011) entwirft er eine an den antiken Werten und Tugenden orientierte Alternative. Dabei geht es ihm nicht um die Beschrei- bung einer Utopie, sondern darum, die pragmatischen Bedingungen einer humanen ökonomischen Praxis fest- zulegen.

Kooperieren können Menschen allerdings nur, wenn sie einander vertrauen. Wie eng das mit Tugenden und Werten, also mit Ethik, verbunden ist, zeigt Julian Nida-Rümelin, Philosophie-Professor an der Ludwig-Maximilians-Universität München, in seinem Buch „Die Optimierungsfalle“. So ist beispielsweise für eine funktionierende Ökonomie Kommunikation unverzichtbar, und die klappt nicht ohne die leicht angestaubt klingenden Eigenschaften Vertrauen, Wahrhaftigkeit und Verlässlichkeit.

- Philosophie – Kann man Ethik lehren (science ORF, 10.08.2012)  
"Das Ethische kann man nicht lehren!", davon war Ludwig Wittgenstein überzeugt, die Philosophen könnten lediglich eine Art Orientierungshilfe anbieten. Seine Ablehnung einer universell gültigen Ethik teilten auch die meisten Vortragenden des heurigen Wittgenstein Symposiums. Im Rahmen einer angewandten Ethik könne die Philosophie heute dennoch Denkanstöße liefern.

Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, möglichst gute Produkte möglichst preiswert zu erwerben. Viele haben auch versucht, aus ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit einen Gewinn zu schlagen. Dagegen gibt es gar nichts einzuwenden. Problematisch wird es dann, wenn das zur allgemeinen Weltanschauung wird. Das heißt, wenn die Botschaft lautet, dass erstens das gesamte menschliche Leben nach dem Modell eines ökonomischen Marktes organisiert sein sollte und zweitens der Markt moralfrei ist. Dann wird postuliert, dass man auf den Märkten alles vergessen kann, was man sonst als anständiger Mensch berücksichtigt: zum Beispiel ehrliche Kommunikation und Kooperationsbeziehungen, die von Respekt und Verlässlichkeit geprägt sind.

Siehe auch:
- Der Überfluss an Unnötigem und Schädlichem (Telepolis, 30.08.2014)
Problematische Arbeitsinhalte und Gebrauchswertangebote im gegenwärtigen Kapitalismus 
Kommen einander unbekannte Bürger ins Gespräch, dann taucht früher oder später die Frage "Was arbeiten Sie eigentlich?" so sicher auf wie das Amen in der Kirche. Meist ist dabei die Vergewisserung mit im Spiel, ob das Gegenüber denn auch im Erwerbsleben seinen Mann oder seine Frau stehe und - wenn ja -, wie weit sie oder er es dabei wohl gebracht habe. Die Frage könnte allerdings dem Gespräch auch eine ganz andere Wendung geben. Dann nämlich, wenn es um die Inhalte der Produkte oder Dienstleistungen ginge, für die gearbeitet wird. Wer unerschrocken und beharrlich dieser Frage nachgeht, dem werden Einblicke nicht verborgen bleiben, die weite Teile der Wirtschaft ebenso infrage stellen wie die Messung des nationalen Reichtums durch das Bruttosozialprodukt. Es steigt bekanntlich, wenn bspw. mehr Autos verunglücken und infolgedessen mehr Reparaturen bzw. Neukäufe getätigt werden.

Die Rückholung von Auslandsgewinnen

CAMBRIDGE – Immer mehr amerikanische Unternehmen planen, ihren Hauptgeschäftssitz nach Europa zu verlegen. Mit diesem als „Inversion“ bekannten Modell können sich die Konzerne den eindeutig unvorteilhaften Körperschaftsteuer-Bestimmungen in den Vereinigten Staaten entziehen und ihre Steuerlast verringern. Was sollen politische Entscheidungsträger in den USA unternehmen? 

Die Regierung von Präsident Barack Obama ist bestrebt der Verlagerung der Unternehmenssitze durch Verwaltungsmaßnahmen einen Riegel vorzuschieben, die vor Gericht möglicherweise nicht standhalten. Es wäre wesentlich besser, einen parteiübergreifenden Gesetzesplan mit dem Ziel zu entwickeln, die Versuchung Firmensitze zu verlagern von vornherein zu vermeiden. Ein solcher Plan, sofern er für multinational tätige US-Unternehmen attraktiv ist, könnte zu einer Verlagerung von Beschäftigung und Produktion in die USA und zu höheren Steuereinnahmen führen.
mehr:
- Die Rückholung von Auslandsgewinnen (Project Syndicate, 27.08.2014)

Die Lektion des Paul Volcker

Bis heute streitet man in der Ökonomenzunft über die Wirksamkeit der Geldpolitik. Der Streit geht auf die Wirren der 1970er-Jahre zurück. Dabei hat am Ende dieses Jahrzehnt der damalige Notenbankchef schon alles klar gemacht.
Vergangene Woche haben sich im bayerischen Lindau am Bodensee die Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften versammelt. Neben spannenden Vorträgen und Debatten bot der Anlass auch einen Spiegel der ökonomischen Dogmengeschichte. Ein Beispiel dafür sind die kurz nacheinander gehaltenen Vorlesungen von Edward Prescott (leider nicht per Video vorhanden) und von Peter Diamond. Die Vorlesungen dieser beiden Ökonomen haben daran erinnert, wie sehr sich die dominierenden Ansichten zur Konjunkturpolitik, und insbesondere zur Geldpolitik seit den letzten zwanzig Jahren geändert haben.
mehr in 
- Die Lektion des Paul Volcker (Tagesanzeiger 27.08.2014)

NSA, BND & Co. – Der Mensch als „Sicherheitsrisiko“

2013 geht in die Geschichte ein als ein Jahr, in dem eine bislang unvorstellbare Dimension geheimdienstlicher Überwachung bekannt geworden ist, die Hunderte Millionen, ja Milliarden von Menschen in aller Welt betrifft. Die verdachtsunabhängige Ausforschung, wie sie der Whistleblower Edward Snowden aufgedeckt hat, stellt alle Betroffenen unter Generalverdacht, unterhöhlt die Unschuldsvermutung, führt zu massenhafter Verletzung von Persönlichkeitsrechten und Privatsphäre, stellt verbriefte Grundrechte, ja die Demokratie insgesamt in Frage. Von Rolf Gössner[*

Nach und nach stellte sich heraus, dass nicht allein US- und britische Geheimdienste in den Massenüberwachungsskandal involviert sind, sondern dass auch deutsche Geheimdienste – BND, Verfassungsschutz, MAD – an diesem globalen Geheimverbund partizipieren. Sie profitieren von überlieferten Daten und übermitteln selbst Millionen von Telekommunikationsdaten. Snowden spricht bildhaft davon, dass deutsche und US-Geheimdienste „miteinander ins Bett gehen“: Sie tauschen nicht nur Informationen, sondern teilen gemeinsame Datenbanken, Spähprogramme sowie Infrastrukturen.
mehr: 
- NSA, BND & Co. – Der Mensch als „Sicherheitsrisiko“ (NachDenkSeiten, 27.08.2014)
siehe auch:
„Der Bundesnachrichtendienst ist eine kriminelle Vereinigung“ – und Deutschland ist nicht souverän (Post, 27.04.2015)
NSA-Schnüffelei: Die Bundesanwaltschaft tritt auf den Plan (Post, 26.04.2015)
Ausspähen unter Freunden geht doch! (Post, 03.05.2015)
BND-Skandal: Menschenrechtskommissar kritisiert schwache Geheimdienstkontrolle (Post, 13.05.2015)
BND-Skandal: Kanzleramt will nach bestem Wissen gehandelt haben (Post, 12.05.2015)

Heute vor 35 Jahren – 27. August 1979: IRA tötet Lord Mountbatten

Anschlag auf die königliche Familie 

Der Vormittag des 27. August 1979: Lord Louis Mountbatten, Cousin von Königin Elizabeth II., besteigt eine Jacht, um auf Hummerfang zu gehen. Kurz darauf explodiert auf dem Boot eine Bombe. Lord Mountbatten stirbt; mit ihm sein Enkel, seine Schwägerin und ein irischer Bootsjunge. Die Irish Republican Army (lRA) übernimmt die Verantwortung und kündigt an, sich bald erneut zu melden. Doch nicht mit einem Pressekommuniqué, sondern mit einem weiteren Anschlag. Wenige Stunden später sterben 18 Soldaten einer britischen Militärpatrouille bei einer Bombenattacke. Dieser Tag ging als »Blutiger Montag« in die Geschichte ein. Zum ersten Mal war mit Lord Mountbatten ein Mitglied der königlichen Familie ein Opfer der IRA geworden. 
Lord Mountbatten (links) und der Prinz von Wales bei einem Staatsbesuch in Nepal, 1975
Erst 2012 kann ein historischer Schlussstrich unter den blutigen Nordirland-Konflikt gezogen werden: Queen Elizabeth II. und der ehemalige IRA-Chef Martin McGuinness reichen sich in Belfast die Hand. Experten zufolge war McGuinness IRA-Stabschef, als die Gruppe Lord Louis Mountbatten ermordete. 

Statement der IRA: 
Mit diesem Anschlag können wir 
die Aufmerksamkeit des englischen Volkes 
auf die andauernde Besetzung unseres Landes lenken. 
 Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014

Dienstag, 26. August 2014

Vor 85 Jahren – Ab 1929: Der »Archipel GULAG« wird eingerichtet

Macht durch Terror 

Durch Alexander Solschenizyns Werk »Archipel GULAG« (1973) wurde der Begriff »Gulag« weltweit geläufig. Das Terrorsystem der sowjetischen Straf- und Arbeitslager begleitete die bolschewistische Herrschaft von Anfang an. Bereits Lenin ordnete an, »die Klassenfeinde der Sowjetrepublik in Konzentrationslagern zu isolieren« und auf diese Weise auszuschalten. Doch unter Stalin breitete sich das System Gulag flächendeckend aus. Seit Anfang der 1930er-Jahre war es alltägliche Praxis, dass Menschen wegen kleinster Vergehen oder völlig willkürlich von der sowjetischen Geheimpolizei abgeholt und hingerichtet wurden oder im Gulag verschwanden. 
Politische Gefangene bei der Arbeit in einem Lager in der Dnjepr-Region, um 1930
Von 1929 bis zu Stalins Tod 1953 waren rund 18 Mio. Menschen in den sowjetischen Zwangsarbeitslagern interniert. 476 Lagerkomplexe mit Tausenden Einzellagern, in denen jeweils mehrere Tausend Menschen lebten, umfasste der Gulag in seiner Hochzeit. 4,5 Mio. Menschen starben an Unterernährung, Erschöpfung durch Überarbeitung, Erfrieren, Krankheit und als Folge drakonischer Strafen. Erst der Tod Stalins führte zur Auflösung der Gulags. Gulag Abkürzung für »Glavnoe Upravlenie Lagerej« bedeutet »Hauptverwatung der Arbeitslager« Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn war Häftling im Gulag 
 Harenberg – Abenteuer Geschichte 2014

„früher war ich müde, heute kaputt!“

Arbeit ist das halbe Leben, heißt es, doch diese Hälfte wird immer größer und immer anstrengender. Stress, Hetze, Überstunden, Termin- und Leistungsdruck sind heute üblich. Immer häufiger führt das Arbeitsleben zu Depression und Frühverrentung. Höchste Zeit also für ein Anti-Stress-Gesetz. Arbeitsministerin Andrea Nahles allerdings will lieber nichts überstürzen. CDU-Vize Michael Fuchs findet das gar eine „dekadente“ Idee.

Fuchs ist gegen ein Gesetz, das den Feierabend der Arbeitnehmer vor dem Zugriff ihres Chefs schützt. „Solch realitätsferne Ideen können sich nur dekadente Gesellschaften leisten”, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion. Das Wörterbuch der deutschen Sprache definiert Dekadenz als „kulturellen Verfall, der sich in einer übertriebenen Verfeinerung des Geistes und der Sinne äußert“. Sind die deutschen Beschäftigten alle zu Weicheiern geworden?
mehr bei 
- „früher war ich müde, heute kaputt!“ (Michael Schlecht MdB, 26.08. 2014) 

Endlich: Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen

Darauf hätte ich nicht zu hoffen gewagt:

- Council on Foreign Relations sieht Hauptschuld an Ukraine-Krise beim Westen (Telepolis, 26.08.2014)
So unglaublich diese Überschrift auch klingen mag, sie ist doch wahr 
Als ich einen in der vergangenen Woche publizierten Bericht in Foreign Affairs, dem medialen Sprachrohr des Council on Foreign Relations (CFR) überflog, musste ich mir erst einmal kräftig die Augen reiben, um mir bewusst zu werden, ob ich auch wirklich richtig gelesen hatte. Der CFR ist einer der weltweit vier wichtigsten privaten Think Tanks und unter anderem eng mit Chatham House verwoben. 
Immerhin steht Chatham House unter der Schirmherrschaft der britischen Queen Elizabeth II. Einzelne Schlüsselprojekte werden laut wikipedia.de durch die Rockefeller-Stiftung, die Konrad Adenauer Stiftung, die NATO und die Europäische Union finanziert. Dem Gros der westlichen Mainstreammedien war dieser Bericht bisher keine Silbe wert. Wie passt das im Angesicht der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine alles noch zusammen?

siehe auch:
- Die Nato dehnt sich aus und nicht Russland (NachDenkSeiten, 22.09.2014)
Über die Ukraine wird zurzeit viel gesprochen und publiziert. Putin bedrohe mittels seiner Einflussnahme in der Ukraine Europa, sei Aggressor, wolle Russland vergrößern etc. pp. Doch was ist dran an der „russischen Aggression“ – und welche Verantwortung trägt auch „der Westen“ wofür? Jens Wernicke sprach hierzu mit dem renommierten Friedensforscher Daniele Ganser.
Herr Ganser, im deutschen Blätterwald hat es – im Kontext der Situation in der Ukraine – in den letzten Wochen und Monaten regelrechte Kampagnen zum Thema einer vermeintlichen Bedrohung der EU und des Westens durch russische Großmachtbestrebungen und russischen „Imperialismus“ gegeben. Wie bewerten Sie als NATO-Kenner und Friedensforscher die aktuelle Situation?
Ich sehe das anders. Ich glaube nicht, dass Russland Westeuropa bedroht oder erobern möchte. Das stimmt nicht. Es kommt in der Geschichte immer sehr darauf an, wo man die Schnittstelle legt, ob man mit der Annexion der Krim anfängt, oder mit der Vorgeschichte, etwa dem Sturz von Janukowitsch im Februar 2014, oder mit der Vorgeschichte der Vorgeschichte, also beispielsweise dem Entscheid der NATO 2008, die Ukraine und Georgien in das Militärbündnis zu integrieren. .

- Kanadischer Diplomat sagt seine Meinung: Nato steckt hinter dem kalten Krieg (Post, 17.09.2014)

- "Eine unglaubliche Verödung des öffentlichen Lebens" (Telepolis, 17.09.2014)
Der Geschichtsphilosoph Hauke Ritz über den Westen, Russland und die unbewusste Präsenz des Religiösen in der Politik Hauke Ritz, Jahrgang 1975, ist Autor u.a. mehrerer Essays in den »Blättern für deutsche und internationale Politik« und veröffentlichte zuletzt das Buch »Der Kampf um die Deutung der Neuzeit«. 
Zitate: 
Die Siegermentalität, die aufgrund dieser falschen Lesart im Westen Fuß fasste, führte zu der Einschätzung, dass man sich selbst nicht ändern müsste. Ändern musste sich nach dieser Sichtweise nur der Osten, der angeblich den Kalten Krieg verloren hatte. Dabei kalkulierte man den Bruch der mit Gorbatschow getroffenen Vereinbarung bewusst mit ein. […]
Erschwerend kommt noch hinzu, dass Putin seit seiner Wiederwahl die Entstehung einer "Eurasischen Union" vorantreibt. Hierbei handelt es sich weniger um eine Neuauflage der Sowjetunion, als vielmehr um eine Kopie der früheren "Europäischen Gemeinschaft" (EG), also um den Versuch, im postsowjetischen Raum eine Wirtschaftsgemeinschaft zu gründen. Diese eurasische Wirtschaftsgemeinschaft, zu der Belarus und Kasachstan und wahrscheinlich auch Armenien und Kirgisien gehören werden, würde aber wahrscheinlich auch kulturelle und politische Standards entwickeln. Das klingt zunächst wenig dramatisch. Doch es würde praktisch bedeuten, dass Zentraleuropa aufhört die einzige verbindliche Interpretation Europas zu sein. […]  
Die Ukraine wäre somit der ideale Partner für Russland, um eine eigenständige und zweite Interpretation der europäischen Kultur zu entwickeln. Und deshalb sind die Vertreter einer starken EU so erpicht darauf, die Ukraine Russland wegzunehmen. […]
Die Entwicklung der Presse in den letzten 25 Jahren ist das wohl drastischste und traurigste Beispiel der kulturellen Erosion, die Europa zu verzeichnen hat. Wenn es um Außenpolitik geht, werden die Menschen einfach nicht mehr über die simpelsten Fakten informiert. Die Presse scheint ihre Aufgabe zunehmend darin zu sehen, Feindbilder zu etablieren. Die Journalisten sammeln sich wie um eine Fahne, um die Interessen eines Lagers, meist der neokonservativen Fraktion im Westen, abzubilden und blenden dabei alle übrigen Fakten und Perspektiven aus, als ob sie nicht existieren würden. Eine Aufklärung über die Geschichte eines Konflikts, bestehende Interessensgegensätze, potentielle Gefahren et cetera findet nicht mehr statt. Selbst gestandene Politiker und Diplomaten, die noch während der Wiedervereinigung Strategien der Entspannungspolitik vertraten, haben heute Probleme, in der Presse zu Wort zu kommen.[…]

Man kann zumindest sagen, dass jene 25 Jahre, in denen das westliche Zivilisationsmodell keinem Vergleich und keiner Konkurrenz mehr ausgesetzt war, ihm schlecht bekommen sind. Durch das Wegbrechen des kritischen Potentials der Universitäten, Kirchen, Gewerkschaften und der Presse ist zunehmend eine Gesellschaft entstanden, die nur noch Einheitsperspektiven zu allen möglichen Themen zulässt.
Diese heute in der Presse vertretene Einheitsperspektive führt zu einer Einschüchterung des Denkens insgesamt und damit zu einer Abnahme der intellektuellen Freiheit. Man spürt das im Alltag, etwa im Zuge wissenschaftlicher Debatten, die heute an den Universitäten geführt werden. Es existiert eine Angst vor dem Überschreiten echter oder imaginärer roter Linien und dies führt letztlich zu einer verstärkten Selbstzensur. Dadurch ist es in den westlichen Staaten zu einer unglaublichen Verödung des kulturellen und öffentlichen Lebens gekommen, und parallel dazu zu einer unfassbaren Verflachung der Politik. 
dazu aus der Rede von Wladimir Putin bei der Münchner Sicherheitskonferenz (09.-11.02.2007) (Wortprotokoll auf der Seite der AG Friedensforschung der Universität Kassel):
Die Menschheitsgeschichte kennt natürlich auch Perioden monopolaren Zustandes und des Strebens nach Weltherrschaft. Alles war schon mal da in der Geschichte der Menschheit. Aber was ist eigentlich eine monopolare Welt? Wie man diesen Terminus auch schmückt, am Ende bedeutet er praktisch nur eines: es gibt ein Zentrum der Macht, ein Zentrum der Stärke, ein Entscheidungs-Zentrum.
Es ist die Welt eines einzigen Hausherren, eines Souveräns. Und das ist am Ende nicht nur tödlich für alle, die sich innerhalb dieses Systems befinden, sondern auch für den Souverän selbst, weil es ihn von innen zerstört.


- Ex-US-Botschafter über Ukraine-Krise „Das ist ein Familienstreit“ (taz, 09.09.2014, gefunden bei den NachDenkSeiten)
Putins aktuelle Politik ist die Folge von Provokationen des Westens, sagt Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau.

Serenading the cattle with my trombone (Lorde - Royals) [4:14]
Veröffentlicht am 03.08.2014 

siehe dazu auch:
- Stratfor: Deutschlands neue Außenpolitik ist „schamlos“ (Deutsch-Türkische Nachrichten, 08.02.2014)
Die Strategen der US-Denkfabrik Stratfor umschreiben die neue aktive Außenpolitik Deutschlands als „schamlos“. Berlin wolle seinen Platz in der Welt einnehmen. Doch das wecke alte Ängste vor dem Nationalismus und der Aggression der Deutschen.
Die US-Denkfabrik Stratfor beäugt Deutschlands Einmischung in die Innenpolitik der Ukraine mit Argwohn.
In einem aktuellen Artikel schreiben Stratfor-Chef George Friedman und Stratfor-Analyst Marc Lanthemann, dass die Staatskrise in der Ukraine eine wichtige Entwicklung sei. Deutschland habe den direkten Kampf gegen Präsident Janukowitsch aufgenommen. Der Präsident der Ukraine hatte sich zuvor dagegen gesträubt, die Beziehungen der Ukraine mit der EU zu festigen.
 zuletzt aktualisiert am 17.09.2014

Montag, 25. August 2014

Samstag, 23. August 2014

Ukraine 18 – Putin als Projektionsfläche für die deutsche Sehnsucht nach dem »Starken Mann«?

Tomasz Konicz hat auf Telepolis (23.08.2014) eine Antwort auf auf den Artikel der Putin-Versteher Mathias Bröckers und Paul Schreyer in Form eines dreiteiligen Artikels (Die Guten und die Bösen, Telepolis, 18.08.2014) über die deutsche Wahrnehmung der Person Wladimir Putins geschrieben:
- Sehnsucht nach dem "Starken Mann"
Wladimir Putin als Projektionsfläche autoritärer deutscher Fantasien 
Was machen Deutschlands Meinungsmacher, wenn sie merken, dass ihre Möglichkeiten, Meinungen in der Bevölkerung zu produzieren, immer weiter erodieren? Sie schieben selbstverständlich Wladimir Putin die Schuld dafür in die Schuhe.
Angesichts des klaffenden Abgrunds zwischen Leitartikel und Kommentarspalten bei der Haltung zur Krise in der Ukraine sah die Süddeutsche Zeitung sich veranlasst, gegen eine Armee von "Putin-Trollen" zu Felde zu ziehen: Hunderte von bezahlten "Manipulatoren" versuchten, "weltweit die Meinung in sozialen Netzwerken und in Kommentar-Bereichen wie auch bei Süddeutsche.de im Sinne des Kreml zu beeinflussen", klagte die SZ im Juni.
Zitat:
Dieser Abgrund zwischen den tatsächlichen Vorgängen in der Ukraine und der primitiven antirussischen Propaganda in deutschen Massenmedien hat gerade zur breiten Opposition gegenüber der westlichen Interventionspolitik in der Ukraine, sowie zurEmpörung über diese platte Propagandakampagne in weiten Bevölkerungsschichten beigetragen. Deutschlands Meinungsmacher haben sich bei ihrer Berichterstattung weitgehend selbst diskreditiert - der Vertrauensverlust gegenüber den Massenmedien ist kein Werk von "Putin-Trollen", er ist in den Redaktionsstuben "hausgemacht" worden. 

- Kalter Krieg oder Neoimperialismus? 
Wir wissen nun: Der deutsche Putinfan wünscht sich von der Politik vor allem gute Showeinlagen und hält Menschenrechte für eine kulturelle Marotte des "Westens". Zudem scheint es der Fangemeinde des russischen Präsidenten, als ob der "Kalte Krieg" nie so richtig zu Ende gegangen sei. Der "verfrüht beendet" geglaubte Kalte Krieg erlebe in der Ukraine eine "Neuauflage", die wiederum mit Stellvertretern ausgefochten werde, schreiben die Autoren in ihrer Einleitung. Ein "Kalter Krieg" setzt ja bekanntermaßen die Existenz zweier unterschiedlicher Gesellschaftssysteme voraus, wie das System des sowjetischen Staatssozialismus und das des westlichen Kapitalismus. Da Russland sowohl auf politischer wie wirtschaftlicher Ebene eindeutig Teil des kapitalistischen Weltsystems und mit diesem eng verflochten ist - welchen Sinn würden sonst die aktuellen Wirtschaftssanktionen machen? -, würde diese Aussage nur dann einen Sinn machen, wenn man die Ideologie Moskaus und des Westens für bare Münze nehmen würde - Menschenrechtsimperialismus gegen den russischen Traditionalismus. 
Zitat:
Tatsächlich war die Ukraine schon nach dem Krisenausbruch 2008 wirtschaftlich stark angeschlagen. Das Land befand sich Anfang dieses Jahres aufgrund zunehmender Leistungsbilanzdefizite am Rande einer Staatspleite, was Janukowitsch dazu nötigte, sich zwischen einer Einbindung in die russische oder die europäische Einflusssphäre zu entscheiden (Ukraine am Abgrund). Und selbstverständlich spiegelt sich in der nun anbahnenden ukrainischen Tragödie die objektive Systemkrise des kapitalistischen Weltsystems, das aufgrund permanent voranschreitender Produktivitätssprünge an eine innere Schranke seiner Reproduktionsfähigkeit stößt und eine ökonomisch "überflüssige Menschheit" auf globaler Ebene produziert. Die Ukraine stellte somit schon vor dem westlich gesponserten Regierungsumsturz einen sozioökonomischen Leichnam dar, um den die neoimperialen Geier aus Ost und West kreisten. Die westliche "Verschwörung" zum Sturz Janukowitsch konnte nur deswegen erfolgreich sein, weil die Ukraine in eine Phase krisenbedingter Instabilität eintrat.

Für die Putinfans wie auch die russische Propaganda stellen somit US-amerikanische Verschwörungen die Triebkraft der überall um sich greifenden Kriege und Krisen, und nicht die eskalierenden inneren Widersprüche des Spätkapitalismus. Dieser Verschwörungsglaube mündet folgerichtig in einen Antiamerikanismus, der in den USA den Urquell aller derzeitigen Krisen und Verwerfungen sieht. 

- Neudeutscher Alternativimperialismus 
Unstrittig ist, dass die Vereinigten Staaten seit der Erlangung ihrer Stellung als Welthegemon in zahllosen Kriegen und Interventionen die breiteste Blutspur in der Weltgeschichte nach 1945 hinterlassen haben. Doch ist diese Stellung der USA als globale Hegemonialmacht, die der "unsichtbaren Hand" des Weltmarktes immer wieder mit der eisernen Faust ihrer Militärmaschinerie zum Durchbruch hilft, nicht neu. Seit seiner Ausbildung des kapitalistischen Weltsystems haben immer wieder Großmächte die Stellung einer Hegemonialmacht erobert; dies ist ein konstitutionelles Merkmal des Kapitalismus. Vor den USA hatte beispielsweise Großbritannien diese Stellung inne, und die britische Kolonialpolitik gegenüber Indien war nicht weniger massenmörderisch als etwa der Krieg der USA in Vietnam.
Zitat:
Somit finden alle möglichen politischen Kräfte in der Bundesrepublik in Russland ihre Projektionsfläche. Der orthodoxe deutsche Kommunist freut sich, wenn sowjetische Fahnen am 8. Mai in Moskau wehen, während der Nazi sich für einen Ideologen wie Alexander Dugin erwärmen kann, der einen erzreaktionären Kulturalismus predigt und gemeinsam mit Mathias Bröckers die Menschenrechte für "westliche Wertvorstellungen" hält. Die Vermischung alter sowjetischer Ästhetik mit stockkonservativer Politik in Russland macht diese breite, spektrumsübergreifende Identifikation mit Putin hierzulande erst möglich. Deswegen bildete die Ukraine-Krise auch die Initialzündung, mit der Tendenzen zur Bildung einer Querfront zwischen "linken" und rechten Kräften in Deutschland im Rahmen der sogenannten Montagsdemos aufkamen (Gemeinsam gegen Rothschild?).


Ich bin mit diesem Artikel nicht besonders glücklich. Er ähnelt einem Kommentar, der sich krampfhaft um Ausgewogenheit bemüht und deshalb meint, nach allen Seiten austeilen zu müssen. Was mich bewogen hat, überhaupt mit meinen Posts über die Ukraine zu beginnen, war die unverblümte Unausgewogenheit der »Bericht«-erstattung in den deutschen Medien. Zum einen war in den meisten Fällen zwischen Nachrichten und deren Interpretation nicht zu unterscheiden, zum anderen entsetzten mich die reflexhaften und borniert von jeglicher Selbstreflexion freien Schuldzuweisungen an Russland. 
Wo in unseren Leitmedien ist zuzm Beispiel Kritik geübt worden an der äußerst langwierigen Untersuchung der russischen Lastwagenkolonne? Einer der Kommentatoren des Artikels fragte: »Fünf Lastwagen am Tag? Wonach haben die denn gesucht? Nach Higgs-Bosonen?« Wo beklagen sich Spiegel oder Zeit darüber, dass der russische Konvoi so langsam abgefertigt wird? Aber nun, da Putin die Zeit zu lang wurde und der Convoy einfach losgefahren ist, wird nur über Taktik reflektiert.

- Russischer Hilfskonvoi fährt ohne Eskorte des Roten Kreuzes in die Ukraine (Telepolis, 22.08.2014)
Das Komitee berichtet, die kämpfenden Parteien hätten keine ausreichenden Sicherheitsgarantien gegeben. Kommt es nun zur Konfrontation?
Zitat:
Man darf davon ausgehen, dass Kiew den Start des Konvois möglichst lange zu verhindern oder hinauszuziehen versuchte. Da die ukrainischen Streitkräfte derzeit gegenüber den Separatisten trotz großer Verluste erfolgreich zu sein scheinen, würde der weitere Vormarsch gefährdet, da eine Einstellung der Kämpfe notwendig wäre. Das würde den Separatisten zugute kommen, zudem wäre die russische Hilfslieferung natürlich auch eine Propaganda für die prorussischen Separatisten. 

Jeder halbwegs intelligente Mensch wird sich bei der Einseitigkeit der Berichterstattung in den deutschen Medien nach dem Grund dieser Einseitigkeit fragen. Jeder halbwegs intelligente Mensch wird sich fragen: warum wird über die angeblich in die Ukraine eingedrungenen 23 gepanzerten russischen Fahrzeuge berichtet und nicht darüber, dass das anscheinend eine Ente war? Keine der Fragen, die sich ein halbwegs intelligenter Mensch stellt, wurde von unseren Leitmedien zufriedenstellend beantwortet. Jeder halbwegs intelligente Mensch fragt sich: Warum machen wir da unten in der Ukraine überhaupt rum? Jeder halbwegs intelligente Mensch fragt sich: Warum stellen sich unsere Medien diese Fragen nicht?
Und jeder intelligente und interessierte Mensch, der in den Leitmedien keine zufriedenstellende Antwort findet, begibt sich auf die Suche im Internet.


Zbigniew Brzezinski: Die graue Eminenz der US-Politik - Monitor 21.08.2014 - die Bananenrepublik [8:26]

Veröffentlicht am 22.08.2014
Bananenrepublik auf http://www.facebook.com/Stimmbuerger - Google+: https://plus.google.com/u/0/106701079... und https://twitter.com/Stimmbuerger Quelle: http://www1.wdr.de/daserste/monitor/s...
Zweiter-Upload-Kanal: http://www.youtube.com/user/Bananenre...
Backup-Kanal: http://www.youtube.com/user/diebanane...


mein Kommentar: 
endlich mal wieder was Vernünftiges und Kritisches aus den Öffentlich-Rechtlichen!

Zitate aus dem MONITOR-Bericht: 
NATO-Generalsekretär Rasmussen (02.07.2014):
»In den letzten fünf Jahren hat Russland seine Verteidigungsausgaben um 50 Prozent erhöht, während die NATO-Staaten im selben Zeitraum ihre Verteidigungsausgaben um durchschnittlich 20 Prozent gekürzt haben.«

Militärausgaben laut SIPRI
(Bildschirmphoto)
Sprecher Monitor: »Allein diese vier NATO-Länder [Deutschland, Frankreich, Großbritannien, USA] hatten im letzten Jahr das Neunfache [896 mio US $] an Militärausgaben im Vergleich zu Russland.«

siehe dazu auch:
- Rasmussen plant superschnelle Nato-Eingreiftruppe... (Telepolis, 27.08.2014)
...und neue Militärbasen in Osteuropa: "Die Quintessenz lautet: Sie werden in Zukunft mehr Nato-Präsenz im Osten sehen" 
Der Nato-Gipfel, der nächste Woche, am 4. und 5. September, in Wales stattfinden soll, wird von der britischen Regierung angekündigt wie eine Show mit internationalen Stargästen - "President Obama, Chancellor Merkel, and President Hollande" - und einem Spruch, der Anklänge an das Intro eines Kampf-der-Imperien-Films hat:  "Der Gipfel ist eine Möglichkeit, um sicherzustellen, dass die Nato weiterhin an der vordersten Front operiert, um Stabilität in einer unvorhersehbaren Welt aufzubauen." 
Auch Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen greift vor seinem Abschied, den er gegenwärtig in mehreren Interviews mit dem Bemühtsein um große Perspektiven zelebriert, zu globalen Action-Wörtern: "Wir stehen nun einem profunden Klimawechsel gegenüber. Das braucht mehr Investition." Darunter versteht Rasmussen einen " readiness action plan", wie er dem Guardian gegenüber erklärte.

Mein Kommentar:
Wie westliche Politiker nach dem Debakel in Afghanistan, den 1,5 Millionen Toten im Irak und dem Auftauchen von ISIS davon reden können, die Nato baue Stabilität in einer unvorhersehbaren Welt auf, ist mir unbegreiflich. ISIS wir vorgeworfen, mit unvorstellbarer Grausamkeit zu agieren. War dann die flächendeckende Anwendung von Agent Orange in Vietnam humaner? Sind die 1,5 Millionen Iraker dann ganz zivilisiert getötet worden? Ist der 50minütige Todeskampf eines zu Tode Verurteilten in den USA denn humaner als die Abschlachtung des Journalisten James Foley
Für wen ist denn die Welt unvorhersehbar? Für den als rechts konservativ eingestuften verstorbenen Journalisten Peter Scholl-Latour, der dem Afghaistan-, dem Irak-Krieg und dem arabischen Frühlung von vorneherein äußerst skeptisch gegenüberstand? Oder für US-Präsidenten wie George W. Bush – und inzwischen auch Friedensnobelpreisträger Barack Obama –, die den Terrorismus ausmerzen wollen, aber anscheinend keine Ahnung haben, wie er zustande kommt?
Das westliche Wirtschaftssystem hält die Welt im Würgegriff!
siehe dazu: Jean Ziegler, ein wahrhaftiger Mensch (Post vom 10.09.2013)

Jeder halbwegs intelligente und interessierte Mensch stellt sich angesichts der Zustandes unserer Medienlandschaft die Demokratiefrage. Und genauso wie sich unsere Politiker jetzt wieder bei der ISIS-Frage durchwursteln (Helmut Schmidt: »muggling through«), habe ich in den letzten Jahren zunehmend das Gefühl, dass sich unsere Politiker immer häufiger einfach nur noch durchwursteln. (Ganz konkret: Wieviele Meldungen und Diskussionen findet man, in der gefragt wird: Was sollen wir tun? Wem sollen wir wieviele und welche Waffen geben? Und in wievielen Sendungen oder Artikeln stellt sich jemand die Frage, was die Leute da eigentlich wollen und warum?) Die Demokratiefrage zu stellen bedeutet aber nicht – und diesen Schluss zieht Konicz –, gegen Demokratie zu sein.
Konicz glaubt zu wissen, der deutsche Putin-Fan wünsche »sich von der Politik vor allem gute Showeinlagen«, hielte »Menschenrechte für eine kulturelle Marotte des ›Westens‹« und glaube, der »Kalte Krieg« sei nie so richtig zu Ende gegangen.

Da, gebe ich zu, trifft er mich vielleicht: ich bin im Verlauf des Ukraine-Konflikts zu einem Putin-Fan geworden (ich denke, er regiert ein unregierbares Land und sieht sich einer gefährlichen Krake – in der Gestalt des militärisch-industriellen Komplexes der USA – gegenüber), glaube, daß der Westen selbst die von ihm propagierten Menschenrechte unangenehm häufig mit Füßen tritt, freue mich über »Show-Einlagen«, die die Propaganda aus Kiew und der NATO demaskieren und frage mich angesichts der US-amerikanischen Politik der letzten 50 Jahre inzwischen tatsächlich, ob der »Kalte Krieg« jemals zu Ende war. Aber genauso wenig, wie ich mir angesichts meiner Kritik am seit über 60 Jahren andauernden repressiven Verhalten der Israelis den Palästinensern gegenüber Antisemitismus unterstellen lasse, habe ich keine Lust, mir Antiamerikanismus unterstellen zu lassen. (Warum wird man in Deutschland, wenn man das Verhalten der Israelis, der Amerikaner oder von Ausländern kritisiert sofort in die »Anti«- oder die -»feindlich«-Schublade gesteckt?) Das Konicz zum Ende seines Artikels noch den Schwenk zu den inneren Widersprüchen des Spätkapitalismus schafft, rettet diesen holprigen Artikel nicht wirklich…